Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 4-7. [Spaltenumbruch]
6. Wohl denen, die da mit Paulo sagen können: Da wir todt waren in Sünden, nemlich daß sie in sich die Versicherung haben, daß sie nicht mehr im geistlichen Tode liegen, sondern lebendig gemachet sind. 7. Es ist dieser gantze Context sonderlich darinn sehr mercklich, daß es darinn zu drey- mal heisset: samt ihm, samt CHristo, nem- lich lebendig gemachet, auferwecket und in das himmlische Wesen gesetzet. Damit denn die allergenaueste und seligste Vereini- gung der Gläubigen mit CHristo angezeiget wird. 8. Die Worte: Aus Gnaden seyd ihr selig worden, werden insgemein angenom- men, als stünden sie in parenthesi: und es schi- cket sich auch nicht uneben; zumal wenn man auf den besondern Nachdruck siehet, welcher damit bezeuget wird, sonderlich gegen die be- kehrten Heiden; wie sie alles der lautern Gna- de GOttes mit den bekehrten Juden bey dem gemeinschaftlichen Genuß des Evangelii zu dan- cken hätten. Es läßt sich aber auch gar wol vor dem Worte khariti, aus Gnaden, das aus- gelassene pronomen relativum verstehen, daß es heisse: Durch dessen Gnade ihr seyd selig worden. Wie man denn das relativum öfter also ausgelassen findet, als Jacob. 5, 6. 1 Joh. 3, 12. 9. Die Seligkeit, welche der Apostel den Glaubigen zuschreibet, bestunde in dem Gna- den-Stande, worein sie durch die heilige Taufe und Wiedergeburt waren versetzet worden: als darinn sie zum Genuß aller Gnaden und Gna- den-Gaben in CHristo gelanget, und also des vom und im Meßia so theuer verheissenen Se- gens theilhaftig worden waren. Dergleichen Paulus auch bezeuget Tit. 3, 5. Siehe auch Apost. Gesch. 15, 11. 10. Gläubige Christen werden nicht allein künftig selig, sondern sind auch schon wircklich selig, ob gleich ihre Seligkeit noch sehr unvoll- kommen ist: gleichwie die Gottlosen auch schon in diesem Leben wircklich unselig sind. 11. Paulus unterscheidet so wol in CHristo, dem Haupte, als in seinen glaubigen Gliedern, die Lebendigmachung von der Erweckung: wie sie denn auch wircklich unterschieden sind; nicht weniger, als es ein anders ist vom leibli- chen Schlafe aufgewecket werden, ein anders wircklich aufstehen. Erstlich war bey CHri- sto die Lebendigmachung, da Leib und Seele wieder zu ihrer vorigen Vereinigung gekommen sind, und der Leib seine Klarheit empfangen hat. Und darauf folgete so fort die wirckliche Ausfüh- rung und Auferstehung aus dem Grabe, da CHristus mit seinem verklärten Leibe durch das verschlossene Grab gedrungen ist, und sich aus- ser demselben hat sichtbar erwiesen. 12. Ein solcher Unterscheid findet sich auch bey den gläubigen Gliedern CHristi zwischen der geistlichen Lebendigmachung und Auferstehung. Denn erstlich bekommen sie das geistliche Le- ben, und mit demselben zugleich das geistliche Licht: da die Wiedergeburt in ihnen geschiehet, und der Glaube, als ein geistliches Leben und [Spaltenumbruch] Licht in ihnen angezündet wird. So bald sie aber mit diesem Leben begabet werden, da wer- den sie auch in einen solchen Gnaden-Stand gesetzet, daß sie einen gantz andern Wandel an- heben, und damit ihr empfangnes geistliches Leben auch in der That erweisen. Zu welcher Pflicht Paulus die Galater ermahnet, wenn er saget: So wir im Geiste leben, so lasset uns auch im Geiste wandeln. c. 5, 25. 13. Die dritte Stuffe im Stande der Er- höhung war bey CHristo die Versetzung in das himmlische Wesen, das ist die Aufnah- me und Auffahrt in den Himmel der Herrlich- keit. Dergleichen geschiehet auch in gewisser Masse bey den Gläubigen: nemlich also, daß sie bey ihrem neuen Leben und Lebens-Wandel schon wircklich nicht allein zu dem Rechte, son- dern auch zu dem Vor-Genusse der himmlischen Güter gelangen, und sich als himmlisch gesin- nete erweisen, welche mit Verleugnung alles Jrdischen trachten nach dem, das droben ist. Col. 3, 1. 2. 14. Da Paulus schon vorher gesaget hat- te, wie die Gläubigen samt CHristo lebendig gemachet u. s. w. und doch noch über das dazu setzet: in CHristo JEsu, so zeiget er damit an, wie daß das himmlische Wesen, oder die himmlischen Güter, in CHristo ihren Grund haben, und nicht allein von CHristo erworben sind, sondern uns auch nicht anders zu Theil werden, als in der wircklichen Vereinigung und Gemeinschaft mit CHristo. 15. Und also bekräftiget der Apostel hier- mit dasjenige, was er im Anfange cap. 1, v. 3. gesaget hat: GOTT hat uns gesegnet mit allerley geistlichen Segen, in himmlischen Gütern durch CHristum, oder vielmehr en Khristo, in CHristo. V. 7. Auf daß er erzeigete in den zukünftigen Anmerckungen. 1. Die zu Pauli Zeiten noch zukünftige Zeiten sind die nunmehro schon meist vergan- gene Zeiten: und diese unterscheidet Paulus von den vergangenen des Alten Testaments, ja auch von den damals noch gegenwärtigen, darinn sich GOTT mit dem Evangelio gegen Juden und Heiden so gar gütig erwiesen hatte, und spricht, daß GOTT damit aller Nach-Welt eine unfehlbare Probe seiner grossen Gnade, welcher auch alle Nachkommen theilhaftig wer- den könten, bewiesen habe. 2. Auf gleiche Art spricht der Apostel von sich selbst mit der Application auf alle damals noch künftige Zeiten: Darum ist mir Barm- hertzigkeit wiederfahren, auf daß an mir fürnehmlich JEsus CHristus erzeigete al- le Geduld, zum Exempel denen, die an ihn
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 4-7. [Spaltenumbruch]
6. Wohl denen, die da mit Paulo ſagen koͤnnen: Da wir todt waren in Suͤnden, nemlich daß ſie in ſich die Verſicherung haben, daß ſie nicht mehr im geiſtlichen Tode liegen, ſondern lebendig gemachet ſind. 7. Es iſt dieſer gantze Context ſonderlich darinn ſehr mercklich, daß es darinn zu drey- mal heiſſet: ſamt ihm, ſamt CHriſto, nem- lich lebendig gemachet, auferwecket und in das himmliſche Weſen geſetzet. Damit denn die allergenaueſte und ſeligſte Vereini- gung der Glaͤubigen mit CHriſto angezeiget wird. 8. Die Worte: Aus Gnaden ſeyd ihr ſelig worden, werden insgemein angenom- men, als ſtuͤnden ſie in parentheſi: und es ſchi- cket ſich auch nicht uneben; zumal wenn man auf den beſondern Nachdruck ſiehet, welcher damit bezeuget wird, ſonderlich gegen die be- kehrten Heiden; wie ſie alles der lautern Gna- de GOttes mit den bekehrten Juden bey dem gemeinſchaftlichen Genuß des Evangelii zu dan- cken haͤtten. Es laͤßt ſich aber auch gar wol vor dem Worte χάριτι, aus Gnaden, das aus- gelaſſene pronomen relativum verſtehen, daß es heiſſe: Durch deſſen Gnade ihr ſeyd ſelig worden. Wie man denn das relativum oͤfter alſo ausgelaſſen findet, als Jacob. 5, 6. 1 Joh. 3, 12. 9. Die Seligkeit, welche der Apoſtel den Glaubigen zuſchreibet, beſtunde in dem Gna- den-Stande, worein ſie durch die heilige Taufe und Wiedergeburt waren verſetzet worden: als darinn ſie zum Genuß aller Gnaden und Gna- den-Gaben in CHriſto gelanget, und alſo des vom und im Meßia ſo theuer verheiſſenen Se- gens theilhaftig worden waren. Dergleichen Paulus auch bezeuget Tit. 3, 5. Siehe auch Apoſt. Geſch. 15, 11. 10. Glaͤubige Chriſten werden nicht allein kuͤnftig ſelig, ſondern ſind auch ſchon wircklich ſelig, ob gleich ihre Seligkeit noch ſehr unvoll- kommen iſt: gleichwie die Gottloſen auch ſchon in dieſem Leben wircklich unſelig ſind. 11. Paulus unterſcheidet ſo wol in CHriſto, dem Haupte, als in ſeinen glaubigen Gliedern, die Lebendigmachung von der Erweckung: wie ſie denn auch wircklich unterſchieden ſind; nicht weniger, als es ein anders iſt vom leibli- chen Schlafe aufgewecket werden, ein anders wircklich aufſtehen. Erſtlich war bey CHri- ſto die Lebendigmachung, da Leib und Seele wieder zu ihrer vorigen Vereinigung gekommen ſind, und der Leib ſeine Klarheit empfangen hat. Und darauf folgete ſo fort die wirckliche Ausfuͤh- rung und Auferſtehung aus dem Grabe, da CHriſtus mit ſeinem verklaͤrten Leibe durch das verſchloſſene Grab gedrungen iſt, und ſich auſ- ſer demſelben hat ſichtbar erwieſen. 12. Ein ſolcher Unterſcheid findet ſich auch bey den glaͤubigen Gliedern CHriſti zwiſchen der geiſtlichen Lebendigmachung und Auferſtehung. Denn erſtlich bekommen ſie das geiſtliche Le- ben, und mit demſelben zugleich das geiſtliche Licht: da die Wiedergeburt in ihnen geſchiehet, und der Glaube, als ein geiſtliches Leben und [Spaltenumbruch] Licht in ihnen angezuͤndet wird. So bald ſie aber mit dieſem Leben begabet werden, da wer- den ſie auch in einen ſolchen Gnaden-Stand geſetzet, daß ſie einen gantz andern Wandel an- heben, und damit ihr empfangnes geiſtliches Leben auch in der That erweiſen. Zu welcher Pflicht Paulus die Galater ermahnet, wenn er ſaget: So wir im Geiſte leben, ſo laſſet uns auch im Geiſte wandeln. c. 5, 25. 13. Die dritte Stuffe im Stande der Er- hoͤhung war bey CHriſto die Verſetzung in das himmliſche Weſen, das iſt die Aufnah- me und Auffahrt in den Himmel der Herrlich- keit. Dergleichen geſchiehet auch in gewiſſer Maſſe bey den Glaͤubigen: nemlich alſo, daß ſie bey ihrem neuen Leben und Lebens-Wandel ſchon wircklich nicht allein zu dem Rechte, ſon- dern auch zu dem Vor-Genuſſe der himmliſchen Guͤter gelangen, und ſich als himmliſch geſin- nete erweiſen, welche mit Verleugnung alles Jrdiſchen trachten nach dem, das droben iſt. Col. 3, 1. 2. 14. Da Paulus ſchon vorher geſaget hat- te, wie die Glaͤubigen ſamt CHriſto lebendig gemachet u. ſ. w. und doch noch uͤber das dazu ſetzet: in CHriſto JEſu, ſo zeiget er damit an, wie daß das himmliſche Weſen, oder die himmliſchen Guͤter, in CHriſto ihren Grund haben, und nicht allein von CHriſto erworben ſind, ſondern uns auch nicht anders zu Theil werden, als in der wircklichen Vereinigung und Gemeinſchaft mit CHriſto. 15. Und alſo bekraͤftiget der Apoſtel hier- mit dasjenige, was er im Anfange cap. 1, v. 3. geſaget hat: GOTT hat uns geſegnet mit allerley geiſtlichen Segen, in himmliſchen Guͤtern durch CHriſtum, oder vielmehr ἐν Χριστῷ, in CHriſto. V. 7. Auf daß er erzeigete in den zukuͤnftigen Anmerckungen. 1. Die zu Pauli Zeiten noch zukuͤnftige Zeiten ſind die nunmehro ſchon meiſt vergan- gene Zeiten: und dieſe unterſcheidet Paulus von den vergangenen des Alten Teſtaments, ja auch von den damals noch gegenwaͤrtigen, darinn ſich GOTT mit dem Evangelio gegen Juden und Heiden ſo gar guͤtig erwieſen hatte, und ſpricht, daß GOTT damit aller Nach-Welt eine unfehlbare Probe ſeiner groſſen Gnade, welcher auch alle Nachkommen theilhaftig wer- den koͤnten, bewieſen habe. 2. Auf gleiche Art ſpricht der Apoſtel von ſich ſelbſt mit der Application auf alle damals noch kuͤnftige Zeiten: Darum iſt mir Barm- hertzigkeit wiederfahren, auf daß an mir fuͤrnehmlich JEſus CHriſtus erzeigete al- le Geduld, zum Exempel denen, die an ihn
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 2, v. 4-7.
6. Wohl denen, die da mit Paulo ſagen
koͤnnen: Da wir todt waren in Suͤnden,
nemlich daß ſie in ſich die Verſicherung haben,
daß ſie nicht mehr im geiſtlichen Tode liegen,
ſondern lebendig gemachet ſind.
7. Es iſt dieſer gantze Context ſonderlich
darinn ſehr mercklich, daß es darinn zu drey-
mal heiſſet: ſamt ihm, ſamt CHriſto, nem-
lich lebendig gemachet, auferwecket und in
das himmliſche Weſen geſetzet. Damit
denn die allergenaueſte und ſeligſte Vereini-
gung der Glaͤubigen mit CHriſto angezeiget
wird.
8. Die Worte: Aus Gnaden ſeyd ihr
ſelig worden, werden insgemein angenom-
men, als ſtuͤnden ſie in parentheſi: und es ſchi-
cket ſich auch nicht uneben; zumal wenn man
auf den beſondern Nachdruck ſiehet, welcher
damit bezeuget wird, ſonderlich gegen die be-
kehrten Heiden; wie ſie alles der lautern Gna-
de GOttes mit den bekehrten Juden bey dem
gemeinſchaftlichen Genuß des Evangelii zu dan-
cken haͤtten. Es laͤßt ſich aber auch gar wol vor
dem Worte χάριτι, aus Gnaden, das aus-
gelaſſene pronomen relativum verſtehen, daß es
heiſſe: Durch deſſen Gnade ihr ſeyd ſelig
worden. Wie man denn das relativum oͤfter
alſo ausgelaſſen findet, als Jacob. 5, 6. 1 Joh.
3, 12.
9. Die Seligkeit, welche der Apoſtel den
Glaubigen zuſchreibet, beſtunde in dem Gna-
den-Stande, worein ſie durch die heilige Taufe
und Wiedergeburt waren verſetzet worden: als
darinn ſie zum Genuß aller Gnaden und Gna-
den-Gaben in CHriſto gelanget, und alſo des
vom und im Meßia ſo theuer verheiſſenen Se-
gens theilhaftig worden waren. Dergleichen
Paulus auch bezeuget Tit. 3, 5. Siehe auch
Apoſt. Geſch. 15, 11.
10. Glaͤubige Chriſten werden nicht allein
kuͤnftig ſelig, ſondern ſind auch ſchon wircklich
ſelig, ob gleich ihre Seligkeit noch ſehr unvoll-
kommen iſt: gleichwie die Gottloſen auch ſchon
in dieſem Leben wircklich unſelig ſind.
11. Paulus unterſcheidet ſo wol in CHriſto,
dem Haupte, als in ſeinen glaubigen Gliedern,
die Lebendigmachung von der Erweckung:
wie ſie denn auch wircklich unterſchieden ſind;
nicht weniger, als es ein anders iſt vom leibli-
chen Schlafe aufgewecket werden, ein anders
wircklich aufſtehen. Erſtlich war bey CHri-
ſto die Lebendigmachung, da Leib und Seele
wieder zu ihrer vorigen Vereinigung gekommen
ſind, und der Leib ſeine Klarheit empfangen hat.
Und darauf folgete ſo fort die wirckliche Ausfuͤh-
rung und Auferſtehung aus dem Grabe, da
CHriſtus mit ſeinem verklaͤrten Leibe durch das
verſchloſſene Grab gedrungen iſt, und ſich auſ-
ſer demſelben hat ſichtbar erwieſen.
12. Ein ſolcher Unterſcheid findet ſich auch
bey den glaͤubigen Gliedern CHriſti zwiſchen der
geiſtlichen Lebendigmachung und Auferſtehung.
Denn erſtlich bekommen ſie das geiſtliche Le-
ben, und mit demſelben zugleich das geiſtliche
Licht: da die Wiedergeburt in ihnen geſchiehet,
und der Glaube, als ein geiſtliches Leben und
Licht in ihnen angezuͤndet wird. So bald ſie
aber mit dieſem Leben begabet werden, da wer-
den ſie auch in einen ſolchen Gnaden-Stand
geſetzet, daß ſie einen gantz andern Wandel an-
heben, und damit ihr empfangnes geiſtliches
Leben auch in der That erweiſen. Zu welcher
Pflicht Paulus die Galater ermahnet, wenn er
ſaget: So wir im Geiſte leben, ſo laſſet uns
auch im Geiſte wandeln. c. 5, 25.
13. Die dritte Stuffe im Stande der Er-
hoͤhung war bey CHriſto die Verſetzung in
das himmliſche Weſen, das iſt die Aufnah-
me und Auffahrt in den Himmel der Herrlich-
keit. Dergleichen geſchiehet auch in gewiſſer
Maſſe bey den Glaͤubigen: nemlich alſo, daß
ſie bey ihrem neuen Leben und Lebens-Wandel
ſchon wircklich nicht allein zu dem Rechte, ſon-
dern auch zu dem Vor-Genuſſe der himmliſchen
Guͤter gelangen, und ſich als himmliſch geſin-
nete erweiſen, welche mit Verleugnung alles
Jrdiſchen trachten nach dem, das droben iſt.
Col. 3, 1. 2.
14. Da Paulus ſchon vorher geſaget hat-
te, wie die Glaͤubigen ſamt CHriſto lebendig
gemachet u. ſ. w. und doch noch uͤber das dazu
ſetzet: in CHriſto JEſu, ſo zeiget er damit
an, wie daß das himmliſche Weſen, oder die
himmliſchen Guͤter, in CHriſto ihren Grund
haben, und nicht allein von CHriſto erworben
ſind, ſondern uns auch nicht anders zu Theil
werden, als in der wircklichen Vereinigung und
Gemeinſchaft mit CHriſto.
15. Und alſo bekraͤftiget der Apoſtel hier-
mit dasjenige, was er im Anfange cap. 1, v. 3.
geſaget hat: GOTT hat uns geſegnet mit
allerley geiſtlichen Segen, in himmliſchen
Guͤtern durch CHriſtum, oder vielmehr ἐν
Χριστῷ, in CHriſto.
V. 7.
Auf daß er erzeigete in den zukuͤnftigen
Zeiten (die bis an das Ende dieſer Welt auf
die Zeiten des Alten Teſtaments folgen werden)
den uͤberſchwenglichen Reichthum ſeiner
Gnade, durch ſeine Guͤte uͤber uns in Chri-
ſto JEſu.
Anmerckungen.
1. Die zu Pauli Zeiten noch zukuͤnftige
Zeiten ſind die nunmehro ſchon meiſt vergan-
gene Zeiten: und dieſe unterſcheidet Paulus von
den vergangenen des Alten Teſtaments, ja auch
von den damals noch gegenwaͤrtigen, darinn
ſich GOTT mit dem Evangelio gegen Juden
und Heiden ſo gar guͤtig erwieſen hatte, und
ſpricht, daß GOTT damit aller Nach-Welt
eine unfehlbare Probe ſeiner groſſen Gnade,
welcher auch alle Nachkommen theilhaftig wer-
den koͤnten, bewieſen habe.
2. Auf gleiche Art ſpricht der Apoſtel von
ſich ſelbſt mit der Application auf alle damals
noch kuͤnftige Zeiten: Darum iſt mir Barm-
hertzigkeit wiederfahren, auf daß an mir
fuͤrnehmlich JEſus CHriſtus erzeigete al-
le Geduld, zum Exempel denen, die an
ihn
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