Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 4. 5. [Spaltenumbruch]
Meine Lieben, achtet es eitel Freude, wennihr in mancherley Anfechtung fallet; nach der Ermunterung CHristi Matth. 5, 11. 12.) dieweil wir (nicht allein aus dem Unterricht, sondern auch aus eigner Erfahrung) wissen, daß Trübsal (allerhand äusserliche Leiden, die man an seinen Gütern durch Verlust, an seinem guten Namen durch allerhand Lästerungen, und am Leibe selbst durch allerley Elend und Unge- mach, um Christi willen über sich nimmt) Ge- duld (die die Beharrung im Guten und folglich auch die Ausdaurung im Creutze) bringet (nemlich dergestalt, daß die Leiden sind wie ein reinigendes Feuer, welches die Schlacken der noch übrigen Sünde immer mehr hinweg nimmt 1 Petr. 1, 7. und sie also den Menschen gleichsam recht härten und bewehren; GOtt auch so ge- treu ist, daß er uns nicht läßt versuchen über un- ser Vermögen 1 Cor. 10, 13. sondern also im Lei- den stärcket, daß sie gantz erträglich werden, und wir unter denselben erfahren, und durch die Er- fahrung lernen und beweisen, was Geduld und Beständigkeit, oder die Beharrung unter dem sanften Joche und der leichten Last Christi sey. Matth. 11, 29. 30. Und also ist die Geduld oder Beharrung ein Stück von der heilsamen Frucht der Gerechtigkeit, welche die Trübsal bringet. Hebr. 12, 11.) V. 4. Geduld aber (eine solche Beharrung und V. 5. Hoffnung aber lässet nicht zuschanden Anmerckungen. 1. Dieser Ort Pauli von der durch den Hei- ligen Geist in unser Hertz ausgegossenen Liebe GOttes ist wohl zu mercken. Denn er handelt so nachdrücklich von der gratia infusa & medici- nali, von der unserm geistlichen Tode und unserer geistlichen Seelen-Kranckheit entgegen gesetz- ten, abhelfenden und uns wie zum geistlichen Le- ben, also auch zur geistlichen Gesundheit brin- genden Gnade, als kaum irgend anderswo ge- schiehet, zumal mit so wenig Worten. Unter andern hieher gehörigen Schrift-Stellen hat man hiebey zu erwegen den nachdrücklichen Ort Davids und Petri: Schmecket und sehet, wie freundlich der HErr ist. Psalm 34, 9. 1 Petr. 2, 3. 2. Man hat diesen Ausspruch aber wohl zusammen zu halten mit dem c. 3, 24. sqq von der gratia forensi, derjenigen Gnade, nach wel- cher uns GOtt in Ansehung des Verdienstes CHristi vor seinem Gerichte die Sünde ver- giebet. 3. Es ist zwar nur Eine Gnade, aber sie äussert sich doch gegen uns auf unterschiedliche Art und mit einem unterschiedenen Effect, wie es unsers gedoppelten grossen Sünden-Ubels wegen nöthig ist. Denn wir finden in uns das Sünden-Ubel der Schuld, die zur Strafe führet; und des im geistlichen Unvermögen liegenden Schadens. Zur Tilgung der Schuld äussert sich die Gnade GOttes notione forensi, auf eine dem göttlichen Gerichte ge- mässe Art. Zur Hinwegnehmung des Scha- dens und Unvermögens und zur würcklichen An- richtung des Ebenbildes GOttes erweiset sich die Wirckung der Gnade notione medicinali, auf eine für unsere geistliche Gesundmachung und Genesung gehörige Art. Dort heißt es: Sey getrost mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben: hie: stehe auf und wandele. Wie uns solches am Gichtbrüchtigen Matth. 9, 2. 5. gar schön vorgestellet wird: Wenn man unter dem Bilde der leiblichen Aufstehung und des leiblichen Wandels das, was am bußfertigen und gläubigen Sünder der Seelen nach geschie- het, recht betrachtet. Wie denn nicht zu zwei- feln ist, daß der Gichtbrüchtige nicht auch zu- gleich zu einer geistlichen Auferstehung und zum geistlichen Wandel gekommen seyn solte. 4. Da
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 4. 5. [Spaltenumbruch]
Meine Lieben, achtet es eitel Freude, wennihr in mancherley Anfechtung fallet; nach der Ermunterung CHriſti Matth. 5, 11. 12.) dieweil wir (nicht allein aus dem Unterricht, ſondern auch aus eigner Erfahrung) wiſſen, daß Truͤbſal (allerhand aͤuſſerliche Leiden, die man an ſeinen Guͤtern durch Verluſt, an ſeinem guten Namen durch allerhand Laͤſterungen, und am Leibe ſelbſt durch allerley Elend und Unge- mach, um Chriſti willen uͤber ſich nimmt) Ge- duld (die die Beharrung im Guten und folglich auch die Ausdaurung im Creutze) bringet (nemlich dergeſtalt, daß die Leiden ſind wie ein reinigendes Feuer, welches die Schlacken der noch uͤbrigen Suͤnde immer mehr hinweg nimmt 1 Petr. 1, 7. und ſie alſo den Menſchen gleichſam recht haͤrten und bewehren; GOtt auch ſo ge- treu iſt, daß er uns nicht laͤßt verſuchen uͤber un- ſer Vermoͤgen 1 Cor. 10, 13. ſondern alſo im Lei- den ſtaͤrcket, daß ſie gantz ertraͤglich werden, und wir unter denſelben erfahren, und durch die Er- fahrung lernen und beweiſen, was Geduld und Beſtaͤndigkeit, oder die Beharrung unter dem ſanften Joche und der leichten Laſt Chriſti ſey. Matth. 11, 29. 30. Und alſo iſt die Geduld oder Beharrung ein Stuͤck von der heilſamen Frucht der Gerechtigkeit, welche die Truͤbſal bringet. Hebr. 12, 11.) V. 4. Geduld aber (eine ſolche Beharrung und V. 5. Hoffnung aber laͤſſet nicht zuſchanden Anmerckungen. 1. Dieſer Ort Pauli von der durch den Hei- ligen Geiſt in unſer Hertz ausgegoſſenen Liebe GOttes iſt wohl zu mercken. Denn er handelt ſo nachdruͤcklich von der gratia infuſa & medici- nali, von der unſerm geiſtlichen Tode und unſerer geiſtlichen Seelen-Kranckheit entgegen geſetz- ten, abhelfenden und uns wie zum geiſtlichen Le- ben, alſo auch zur geiſtlichen Geſundheit brin- genden Gnade, als kaum irgend anderswo ge- ſchiehet, zumal mit ſo wenig Worten. Unter andern hieher gehoͤrigen Schrift-Stellen hat man hiebey zu erwegen den nachdruͤcklichen Ort Davids und Petri: Schmecket und ſehet, wie freundlich der HErr iſt. Pſalm 34, 9. 1 Petr. 2, 3. 2. Man hat dieſen Ausſpruch aber wohl zuſammen zu halten mit dem c. 3, 24. ſqq von der gratia forenſi, derjenigen Gnade, nach wel- cher uns GOtt in Anſehung des Verdienſtes CHriſti vor ſeinem Gerichte die Suͤnde ver- giebet. 3. Es iſt zwar nur Eine Gnade, aber ſie aͤuſſert ſich doch gegen uns auf unterſchiedliche Art und mit einem unterſchiedenen Effect, wie es unſers gedoppelten groſſen Suͤnden-Ubels wegen noͤthig iſt. Denn wir finden in uns das Suͤnden-Ubel der Schuld, die zur Strafe fuͤhret; und des im geiſtlichen Unvermoͤgen liegenden Schadens. Zur Tilgung der Schuld aͤuſſert ſich die Gnade GOttes notione forenſi, auf eine dem goͤttlichen Gerichte ge- maͤſſe Art. Zur Hinwegnehmung des Scha- dens und Unvermoͤgens und zur wuͤrcklichen An- richtung des Ebenbildes GOttes erweiſet ſich die Wirckung der Gnade notione medicinali, auf eine fuͤr unſere geiſtliche Geſundmachung und Geneſung gehoͤrige Art. Dort heißt es: Sey getroſt mein Sohn, deine Suͤnden ſind dir vergeben: hie: ſtehe auf und wandele. Wie uns ſolches am Gichtbruͤchtigen Matth. 9, 2. 5. gar ſchoͤn vorgeſtellet wird: Wenn man unter dem Bilde der leiblichen Aufſtehung und des leiblichen Wandels das, was am bußfertigen und glaͤubigen Suͤnder der Seelen nach geſchie- het, recht betrachtet. Wie denn nicht zu zwei- feln iſt, daß der Gichtbruͤchtige nicht auch zu- gleich zu einer geiſtlichen Auferſtehung und zum geiſtlichen Wandel gekommen ſeyn ſolte. 4. Da
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 5, v. 4. 5.
Meine Lieben, achtet es eitel Freude, wenn
ihr in mancherley Anfechtung fallet; nach
der Ermunterung CHriſti Matth. 5, 11. 12.)
dieweil wir (nicht allein aus dem Unterricht,
ſondern auch aus eigner Erfahrung) wiſſen,
daß Truͤbſal (allerhand aͤuſſerliche Leiden, die
man an ſeinen Guͤtern durch Verluſt, an ſeinem
guten Namen durch allerhand Laͤſterungen, und
am Leibe ſelbſt durch allerley Elend und Unge-
mach, um Chriſti willen uͤber ſich nimmt) Ge-
duld (die die Beharrung im Guten und folglich
auch die Ausdaurung im Creutze) bringet
(nemlich dergeſtalt, daß die Leiden ſind wie ein
reinigendes Feuer, welches die Schlacken der
noch uͤbrigen Suͤnde immer mehr hinweg nimmt
1 Petr. 1, 7. und ſie alſo den Menſchen gleichſam
recht haͤrten und bewehren; GOtt auch ſo ge-
treu iſt, daß er uns nicht laͤßt verſuchen uͤber un-
ſer Vermoͤgen 1 Cor. 10, 13. ſondern alſo im Lei-
den ſtaͤrcket, daß ſie gantz ertraͤglich werden, und
wir unter denſelben erfahren, und durch die Er-
fahrung lernen und beweiſen, was Geduld und
Beſtaͤndigkeit, oder die Beharrung unter dem
ſanften Joche und der leichten Laſt Chriſti ſey.
Matth. 11, 29. 30. Und alſo iſt die Geduld oder
Beharrung ein Stuͤck von der heilſamen Frucht
der Gerechtigkeit, welche die Truͤbſal bringet.
Hebr. 12, 11.)
V. 4.
Geduld aber (eine ſolche Beharrung und
Ausdaurung) bringet Erfahrung (δοκιμὴν,
die rechte Probe, woran man einen bewehrten
Chriſten zu erkennen, und von einem Wetter-
wendiſchen und Wanckelmuͤthigen, der nicht
recht gegruͤndet und unter ſich gewurtzelt iſt, zu
unterſcheiden hat.) Erfahrung aber (die in
ſolchen Proben ſich zeiget) bringet Hoffnung,
(daß man mit Paulo ſagen kan 2 Cor. 1, 10. hat
er uns erloͤſet und erloͤſet oder errettet noch, ſo hof-
fen wir auf ihn, er werde uns auch hinfort er-
loͤſen.)
V. 5.
Hoffnung aber laͤſſet nicht zuſchanden
werden (oder den aufs Ewige gerichteten glaͤu-
bigen Muth ſincken, ſondern iſt wie ein Helm, oder
eine ſolche Haupt-Wehre, dadurch der Muth
unerſchrocken und unverſehret und daher beſtaͤn-
dig zu GOtt aufgerichtet bleibet. Eph. 6, 17.
1 Theſſ. 5, 8. ein ſolcher ſicherer und veſter An-
cker unſerer Seelen, der nicht unterwarts ein-
dringet, ſondern oberwarts, der hineingehet in
das inwendige des Vorhanges, dahin der Vor-
laͤuffer und hohe Prieſter, JEſus, vor uns ein-
gegangen iſt Hebr. 6, 18. 19. 20. ja die lebendi-
ge Hoffnung laͤſſet dergeſtalt nicht zuſchanden
werden, daß ſie vielmehr die Seele mit beſtaͤn-
diger geiſtlicher Nahrung unterhaͤlt, und end-
lich mit einem herrlichen Ausgange kroͤnet.
Siehe auch Pſalm 25, 3.) Denn (daß ich an-
zeige, woher uns ſolche Freudigkeit und Gewiß-
heit der ewigen Herrlichkeit, eine ſolche Behar-
rung, und ein ſolches Gut der lebendigen Hoff-
nung, noch auſſer der Quelle der Rechtfertigung
v. 1. komme, ſo iſt zu wiſſen, daß) die Liebe
GOttes (gegen uns, oder womit er uns lie-
bet und umpfaͤhet) iſt (gleichſam ſtrohmweiſe)
ausgegoſſen in unſer Hertz (in unſere Seele,
in der Salbung unſers Verſtandes mit Licht
und Weisheit, und unſers Willens mit Kraft
und Staͤrcke, und ſind wir alſo dadurch Gefaͤſ-
ſe der Gnaden worden Rom. 9, 23.) durch
den Heiligen Geiſt, welcher uns (zur Ver-
klaͤrung Chriſti in uns Joh. 16, 14.) gegeben
iſt (gleich vom erſten Anfange unſerer Bekeh-
rung, 2 Cor. 1, 22. 1 Joh. 4, 16. ꝛc. alſo, daß
er unſere Hertzen zu Tempeln und zu Wohnun-
gen eingenommen hat Rom. 8, 9. 11. 1 Cor. 3,
3, 16. c. 6, 19. 2 Cor. 6, 19. Eph. 2, 21. 22. cap.
3, 7.)
Anmerckungen.
1. Dieſer Ort Pauli von der durch den Hei-
ligen Geiſt in unſer Hertz ausgegoſſenen Liebe
GOttes iſt wohl zu mercken. Denn er handelt
ſo nachdruͤcklich von der gratia infuſa & medici-
nali, von der unſerm geiſtlichen Tode und unſerer
geiſtlichen Seelen-Kranckheit entgegen geſetz-
ten, abhelfenden und uns wie zum geiſtlichen Le-
ben, alſo auch zur geiſtlichen Geſundheit brin-
genden Gnade, als kaum irgend anderswo ge-
ſchiehet, zumal mit ſo wenig Worten. Unter
andern hieher gehoͤrigen Schrift-Stellen hat
man hiebey zu erwegen den nachdruͤcklichen Ort
Davids und Petri: Schmecket und ſehet,
wie freundlich der HErr iſt. Pſalm 34, 9.
1 Petr. 2, 3.
2. Man hat dieſen Ausſpruch aber wohl
zuſammen zu halten mit dem c. 3, 24. ſqq von
der gratia forenſi, derjenigen Gnade, nach wel-
cher uns GOtt in Anſehung des Verdienſtes
CHriſti vor ſeinem Gerichte die Suͤnde ver-
giebet.
3. Es iſt zwar nur Eine Gnade, aber ſie
aͤuſſert ſich doch gegen uns auf unterſchiedliche
Art und mit einem unterſchiedenen Effect, wie
es unſers gedoppelten groſſen Suͤnden-Ubels
wegen noͤthig iſt. Denn wir finden in uns das
Suͤnden-Ubel der Schuld, die zur Strafe
fuͤhret; und des im geiſtlichen Unvermoͤgen
liegenden Schadens. Zur Tilgung der
Schuld aͤuſſert ſich die Gnade GOttes notione
forenſi, auf eine dem goͤttlichen Gerichte ge-
maͤſſe Art. Zur Hinwegnehmung des Scha-
dens und Unvermoͤgens und zur wuͤrcklichen An-
richtung des Ebenbildes GOttes erweiſet ſich
die Wirckung der Gnade notione medicinali,
auf eine fuͤr unſere geiſtliche Geſundmachung und
Geneſung gehoͤrige Art. Dort heißt es: Sey
getroſt mein Sohn, deine Suͤnden ſind dir
vergeben: hie: ſtehe auf und wandele.
Wie uns ſolches am Gichtbruͤchtigen Matth. 9,
2. 5. gar ſchoͤn vorgeſtellet wird: Wenn man
unter dem Bilde der leiblichen Aufſtehung und
des leiblichen Wandels das, was am bußfertigen
und glaͤubigen Suͤnder der Seelen nach geſchie-
het, recht betrachtet. Wie denn nicht zu zwei-
feln iſt, daß der Gichtbruͤchtige nicht auch zu-
gleich zu einer geiſtlichen Auferſtehung und zum
geiſtlichen Wandel gekommen ſeyn ſolte.
4. Da
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