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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 3. v. 12. 13. des ersten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch]

5. Die Frage: warum erwürgete er
ihn?
zeiget die höchste Unbilligkeit, und Gott-
losigkeit an, welche durch den Bruder-Mord
ausbrach; und führet den Leser auf ein genauers
Nachdencken, nicht allein dieses alten Exem-
pels, sondern auch dessen, was auch sonst alle-
zeit und aller Orten häufig geschiehet, daß nem-
lich die Gottlosen die Frommen ohne Ursache
hassen und verfolgen.

6. Hätte man den Cain über die Ursache
seines Hasses und Mordes selbst hören sollen, so
würde es ihm nicht an mancherley Vorwand ge-
fehlet und die Ursache gar anders gelautet haben,
als sie Johannes alhier setzet. Denn diß ist die Art
der Cains-Brüder. Manche halten auch ihre
Wercke nicht für böse, und noch vielweniger die
Wercke der Gottseligen für gerecht: wie es auch
vermuthlich Cain wird gemachet haben.

7. Daß doch aber seine Wercke böse wa-
ren, hat ihm ohn Zweifel sein eignes Gewissen,
der schnelle und geheime Zeuge, gesaget, und ihn
oft darüber bestrafet. Dazu kam das öffentliche
Zeugniß GOttes bey seinem und seines Bru-
ders Opfer, da GOTT dieses allein gnädiglich
ansahe, und solches mit einem sonderbaren äus-
serlichen Gnaden-Zeichen bezeugete, und zwar
vermuthlich also, daß sein Opfer durch ein vom
Himmel gefallenes Gnaden-Feuer nach Art des
ersten Levitischen Opfers 3 B. Mos. 9, 24. ist
verzehret worden.

8. Die Gerechtigkeit der Wercke Abels
hatte ihren Evangelischen Grund in dem Glau-
ben an den Meßiam. Davon Paulus Hebr. 11,
4. also schreibet: Durch den Glauben hat
Abel GOtt ein grösser
(besser) Opfer ge-
than, denn Cain, durch welchen er Zeug-
niß überkommen hat, daß er gerecht sey,
da GOtt zeugete von seiner Gabe; und
durch denselben redet er noch, wiewol er
gestorben ist.
Und da diese Glaubens-Ge-
rechtigkeit die Haupt-Sache bey ihm war, so
gab sie ihren Einfluß in alle Pflichten der Liebe,
also daß diese dadurch auch ihre rechte Güte
überkamen, so unvollkommen sie auch gleich noch
an sich selbst waren.

9. Es ist eine natürliche Antipathie, oder
Widersinnigkeit, zwischen den Gottlosen und
Gottseligen. Jch nenne sie natürlich. Denn
da die Natur bey den Gottlosen ohne alle durch
die Gnade geschehene Vergütung noch in ihrem
verderbten Zustande lieget, und zu allem bösen
also geneiget ist, daß sie es auch ausübet, und
dazu denn sonderlich die Anfeindung des guten
gehöret; hingegen aber die Gottseligen nach
Christo gesinnet sind, und daher das böse, was
sie an jenen finden, billig verabscheuen: so siehet
man wol, daß die Antipathie zwischen ihnen na-
türlich, oder ihrer sogar unterschiedenen Natur
gemäß sey.

10. Wenn nun diese Widersinnigkeit bey
den Gottlosen zum Grunde lieget, und sie da-
durch zum Haß wider die Gottseligen angetrie-
ben werden, den Haß aber noch ferner zu aller-
hand Art der Feindseligkeit, zum wenigsten zur
Verlästerung ausbrechen lassen, iedoch aber
[Spaltenumbruch] dabey nicht das Ansehen haben wollen, als thä-
ten sie Unrecht, so ersinnen sie bald diß, bald das,
zum Vorwand. Siehet man es aber beym Lich-
te an, so ist die wahre Ursache keine andere, als
welche Johannes alhier anzeiget.

11. Absonderlich pfleget den Gottlosen so
unleidlich zu seyn, daß sie von den gottseligen be-
strafet werden. Geschiehet es gleich nicht mit
Worten, so geschiehet es doch mit der That selbst,
da ihnen an jenen ein gantz anderer Sinn und ein
gantz anders Leben kund wird, und sie dadurch
auch von der Möglichkeit eines gantz andern Zu-
standes überzeuget, und deßwegen in ihrem Ge-
wissen zum öftern heimlich bestrafet werden, aber
unbestrafet seyn wollen, und daher sich gegen je-
ne so widrig erweisen.

12. Wir finden dieses am allernachdrück-
lichsten vorgestellet im Buche der Weisheit c. 2,
12. u. f. Lasset uns auf den Gerechten lau-
ren. Denn er machet uns viel Unlust, und
setzet sich wider unser Thun, und schilt
uns, daß wir wider das Gesetz sündigen,
und rufet aus unser Wesen für Sünde. Er
gibt vor, daß er GOtt kenne, und rühmet sich
GOttes-Kind: strafet was wir im Hertzen
haben. Er ist uns nicht leidlich auch anzuse-
hen: Denn sein Leben reimet sich nichts mit
den andern, und sein Wesen ist gar ein an-
ders.
u. s. w.

13. Jm übrigen ist zu mercken, daß Abel ist
ein Vorbild von CHristo, und Cain von den
Juden, welche Christum verfolget und an das
Creutz gebracht haben, gewesen: darüber sie auch,
wie Cain über den Bruder-Mord, sind unstät,
flüchtig und zerstreuet worden unter allen Völ-
ckern. Von dem Exempel Abels und Cains
kömmt der Apostel zur Application auf die da-
maligen Gläubigen und ihre Verfolger, wenn er
also spricht:

V. 13.

Verwundert euch nicht, meine Brü-
der, ob euch die Welt hasset.

Anmerckungen.

1. Der Haß der Welt erwecket natürli-
cher Weise bey denen, welche das Geheimniß des
Creutzes noch nicht recht einsehen, Verwunde-
rung,
nemlich über die Unbilligkeit, daß, da man
andere liebet, auch die Gottlosen, und ihre wahre
Wohlfahrt zubefordern suchet, zum wenigsten im
Gebet, man dafür gehasset und verfolget wird da-
her Petrus schreibet Ep. 1, c. 4, 12. Jhr lieben,
lasset euch die Hitze, so euch begegnet, nicht
befremden
(die euch widerfähret, daß ihr ver-
suchet werdet) als widerführe euch etwas
seltsames.
Und unser Heyland selbst spricht
Joh. 15, 18. u. f. So euch die Welt hasset,
so wisset, daß sie mich vor euch gehasset
hat. Wäret ihr von der Welt, so hät-
te die Welt das ihre lieb. Dieweil ihr
aber nicht von der Welt seyd, sondern ich
habe euch von der Welt erwehlet, darum
hasset euch die Welt.
Siehe auch c. 17, 14.

2. Kinder GOttes haben an dem unverdien-

ten
S s s s 2
Cap. 3. v. 12. 13. des erſten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch]

5. Die Frage: warum erwuͤrgete er
ihn?
zeiget die hoͤchſte Unbilligkeit, und Gott-
loſigkeit an, welche durch den Bruder-Mord
ausbrach; und fuͤhret den Leſer auf ein genauers
Nachdencken, nicht allein dieſes alten Exem-
pels, ſondern auch deſſen, was auch ſonſt alle-
zeit und aller Orten haͤufig geſchiehet, daß nem-
lich die Gottloſen die Frommen ohne Urſache
haſſen und verfolgen.

6. Haͤtte man den Cain uͤber die Urſache
ſeines Haſſes und Mordes ſelbſt hoͤren ſollen, ſo
wuͤrde es ihm nicht an mancherley Vorwand ge-
fehlet und die Urſache gar anders gelautet haben,
als ſie Johannes alhier ſetzet. Denn diß iſt die Art
der Cains-Bruͤder. Manche halten auch ihre
Wercke nicht fuͤr boͤſe, und noch vielweniger die
Wercke der Gottſeligen fuͤr gerecht: wie es auch
vermuthlich Cain wird gemachet haben.

7. Daß doch aber ſeine Wercke boͤſe wa-
ren, hat ihm ohn Zweifel ſein eignes Gewiſſen,
der ſchnelle und geheime Zeuge, geſaget, und ihn
oft daruͤber beſtrafet. Dazu kam das oͤffentliche
Zeugniß GOttes bey ſeinem und ſeines Bru-
ders Opfer, da GOTT dieſes allein gnaͤdiglich
anſahe, und ſolches mit einem ſonderbaren aͤuſ-
ſerlichen Gnaden-Zeichen bezeugete, und zwar
vermuthlich alſo, daß ſein Opfer durch ein vom
Himmel gefallenes Gnaden-Feuer nach Art des
erſten Levitiſchen Opfers 3 B. Moſ. 9, 24. iſt
verzehret worden.

8. Die Gerechtigkeit der Wercke Abels
hatte ihren Evangeliſchen Grund in dem Glau-
ben an den Meßiam. Davon Paulus Hebr. 11,
4. alſo ſchreibet: Durch den Glauben hat
Abel GOtt ein groͤſſer
(beſſer) Opfer ge-
than, denn Cain, durch welchen er Zeug-
niß uͤberkommen hat, daß er gerecht ſey,
da GOtt zeugete von ſeiner Gabe; und
durch denſelben redet er noch, wiewol er
geſtorben iſt.
Und da dieſe Glaubens-Ge-
rechtigkeit die Haupt-Sache bey ihm war, ſo
gab ſie ihren Einfluß in alle Pflichten der Liebe,
alſo daß dieſe dadurch auch ihre rechte Guͤte
uͤberkamen, ſo unvollkommen ſie auch gleich noch
an ſich ſelbſt waren.

9. Es iſt eine natuͤrliche Antipathie, oder
Widerſinnigkeit, zwiſchen den Gottloſen und
Gottſeligen. Jch nenne ſie natuͤrlich. Denn
da die Natur bey den Gottloſen ohne alle durch
die Gnade geſchehene Verguͤtung noch in ihrem
verderbten Zuſtande lieget, und zu allem boͤſen
alſo geneiget iſt, daß ſie es auch ausuͤbet, und
dazu denn ſonderlich die Anfeindung des guten
gehoͤret; hingegen aber die Gottſeligen nach
Chriſto geſinnet ſind, und daher das boͤſe, was
ſie an jenen finden, billig verabſcheuen: ſo ſiehet
man wol, daß die Antipathie zwiſchen ihnen na-
tuͤrlich, oder ihrer ſogar unterſchiedenen Natur
gemaͤß ſey.

10. Wenn nun dieſe Widerſinnigkeit bey
den Gottloſen zum Grunde lieget, und ſie da-
durch zum Haß wider die Gottſeligen angetrie-
ben werden, den Haß aber noch ferner zu aller-
hand Art der Feindſeligkeit, zum wenigſten zur
Verlaͤſterung ausbrechen laſſen, iedoch aber
[Spaltenumbruch] dabey nicht das Anſehen haben wollen, als thaͤ-
ten ſie Unrecht, ſo erſinnen ſie bald diß, bald das,
zum Vorwand. Siehet man es aber beym Lich-
te an, ſo iſt die wahre Urſache keine andere, als
welche Johannes alhier anzeiget.

11. Abſonderlich pfleget den Gottloſen ſo
unleidlich zu ſeyn, daß ſie von den gottſeligen be-
ſtrafet werden. Geſchiehet es gleich nicht mit
Worten, ſo geſchiehet es doch mit der That ſelbſt,
da ihnen an jenen ein gantz anderer Sinn und ein
gantz anders Leben kund wird, und ſie dadurch
auch von der Moͤglichkeit eines gantz andern Zu-
ſtandes uͤberzeuget, und deßwegen in ihrem Ge-
wiſſen zum oͤftern heimlich beſtrafet werden, aber
unbeſtrafet ſeyn wollen, und daher ſich gegen je-
ne ſo widrig erweiſen.

12. Wir finden dieſes am allernachdruͤck-
lichſten vorgeſtellet im Buche der Weisheit c. 2,
12. u. f. Laſſet uns auf den Gerechten lau-
ren. Denn er machet uns viel Unluſt, und
ſetzet ſich wider unſer Thun, und ſchilt
uns, daß wir wider das Geſetz ſuͤndigen,
und rufet aus unſer Weſen fuͤr Suͤnde. Er
gibt voꝛ, daß eꝛ GOtt kenne, und ruͤhmet ſich
GOttes-Kind: ſtrafet was wir im Hertzen
haben. Er iſt uns nicht leidlich auch anzuſe-
hen: Denn ſein Leben reimet ſich nichts mit
den andern, und ſein Weſen iſt gar ein an-
ders.
u. ſ. w.

13. Jm uͤbrigen iſt zu mercken, daß Abel iſt
ein Vorbild von CHriſto, und Cain von den
Juden, welche Chriſtum verfolget und an das
Creutz gebracht haben, geweſen: daruͤber ſie auch,
wie Cain uͤber den Bruder-Mord, ſind unſtaͤt,
fluͤchtig und zerſtreuet worden unter allen Voͤl-
ckern. Von dem Exempel Abels und Cains
koͤmmt der Apoſtel zur Application auf die da-
maligen Glaͤubigen und ihre Verfolger, wenn er
alſo ſpricht:

V. 13.

Verwundert euch nicht, meine Bruͤ-
der, ob euch die Welt haſſet.

Anmerckungen.

1. Der Haß der Welt erwecket natuͤrli-
cher Weiſe bey denen, welche das Geheimniß des
Creutzes noch nicht recht einſehen, Verwunde-
rung,
nemlich uͤber die Unbilligkeit, daß, da man
andere liebet, auch die Gottloſen, und ihre wahre
Wohlfahrt zubefordern ſuchet, zum wenigſten im
Gebet, man dafuͤr gehaſſet und verfolget wird da-
her Petrus ſchreibet Ep. 1, c. 4, 12. Jhr lieben,
laſſet euch die Hitze, ſo euch begegnet, nicht
befremden
(die euch widerfaͤhret, daß ihr ver-
ſuchet werdet) als widerfuͤhre euch etwas
ſeltſames.
Und unſer Heyland ſelbſt ſpricht
Joh. 15, 18. u. f. So euch die Welt haſſet,
ſo wiſſet, daß ſie mich vor euch gehaſſet
hat. Waͤret ihr von der Welt, ſo haͤt-
te die Welt das ihre lieb. Dieweil ihr
aber nicht von der Welt ſeyd, ſondern ich
habe euch von der Welt erwehlet, darum
haſſet euch die Welt.
Siehe auch c. 17, 14.

2. Kinder GOttes haben an dem unverdien-

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[691/0693] Cap. 3. v. 12. 13. des erſten Briefes Johannis. 5. Die Frage: warum erwuͤrgete er ihn? zeiget die hoͤchſte Unbilligkeit, und Gott- loſigkeit an, welche durch den Bruder-Mord ausbrach; und fuͤhret den Leſer auf ein genauers Nachdencken, nicht allein dieſes alten Exem- pels, ſondern auch deſſen, was auch ſonſt alle- zeit und aller Orten haͤufig geſchiehet, daß nem- lich die Gottloſen die Frommen ohne Urſache haſſen und verfolgen. 6. Haͤtte man den Cain uͤber die Urſache ſeines Haſſes und Mordes ſelbſt hoͤren ſollen, ſo wuͤrde es ihm nicht an mancherley Vorwand ge- fehlet und die Urſache gar anders gelautet haben, als ſie Johannes alhier ſetzet. Denn diß iſt die Art der Cains-Bruͤder. Manche halten auch ihre Wercke nicht fuͤr boͤſe, und noch vielweniger die Wercke der Gottſeligen fuͤr gerecht: wie es auch vermuthlich Cain wird gemachet haben. 7. Daß doch aber ſeine Wercke boͤſe wa- ren, hat ihm ohn Zweifel ſein eignes Gewiſſen, der ſchnelle und geheime Zeuge, geſaget, und ihn oft daruͤber beſtrafet. Dazu kam das oͤffentliche Zeugniß GOttes bey ſeinem und ſeines Bru- ders Opfer, da GOTT dieſes allein gnaͤdiglich anſahe, und ſolches mit einem ſonderbaren aͤuſ- ſerlichen Gnaden-Zeichen bezeugete, und zwar vermuthlich alſo, daß ſein Opfer durch ein vom Himmel gefallenes Gnaden-Feuer nach Art des erſten Levitiſchen Opfers 3 B. Moſ. 9, 24. iſt verzehret worden. 8. Die Gerechtigkeit der Wercke Abels hatte ihren Evangeliſchen Grund in dem Glau- ben an den Meßiam. Davon Paulus Hebr. 11, 4. alſo ſchreibet: Durch den Glauben hat Abel GOtt ein groͤſſer (beſſer) Opfer ge- than, denn Cain, durch welchen er Zeug- niß uͤberkommen hat, daß er gerecht ſey, da GOtt zeugete von ſeiner Gabe; und durch denſelben redet er noch, wiewol er geſtorben iſt. Und da dieſe Glaubens-Ge- rechtigkeit die Haupt-Sache bey ihm war, ſo gab ſie ihren Einfluß in alle Pflichten der Liebe, alſo daß dieſe dadurch auch ihre rechte Guͤte uͤberkamen, ſo unvollkommen ſie auch gleich noch an ſich ſelbſt waren. 9. Es iſt eine natuͤrliche Antipathie, oder Widerſinnigkeit, zwiſchen den Gottloſen und Gottſeligen. Jch nenne ſie natuͤrlich. Denn da die Natur bey den Gottloſen ohne alle durch die Gnade geſchehene Verguͤtung noch in ihrem verderbten Zuſtande lieget, und zu allem boͤſen alſo geneiget iſt, daß ſie es auch ausuͤbet, und dazu denn ſonderlich die Anfeindung des guten gehoͤret; hingegen aber die Gottſeligen nach Chriſto geſinnet ſind, und daher das boͤſe, was ſie an jenen finden, billig verabſcheuen: ſo ſiehet man wol, daß die Antipathie zwiſchen ihnen na- tuͤrlich, oder ihrer ſogar unterſchiedenen Natur gemaͤß ſey. 10. Wenn nun dieſe Widerſinnigkeit bey den Gottloſen zum Grunde lieget, und ſie da- durch zum Haß wider die Gottſeligen angetrie- ben werden, den Haß aber noch ferner zu aller- hand Art der Feindſeligkeit, zum wenigſten zur Verlaͤſterung ausbrechen laſſen, iedoch aber dabey nicht das Anſehen haben wollen, als thaͤ- ten ſie Unrecht, ſo erſinnen ſie bald diß, bald das, zum Vorwand. Siehet man es aber beym Lich- te an, ſo iſt die wahre Urſache keine andere, als welche Johannes alhier anzeiget. 11. Abſonderlich pfleget den Gottloſen ſo unleidlich zu ſeyn, daß ſie von den gottſeligen be- ſtrafet werden. Geſchiehet es gleich nicht mit Worten, ſo geſchiehet es doch mit der That ſelbſt, da ihnen an jenen ein gantz anderer Sinn und ein gantz anders Leben kund wird, und ſie dadurch auch von der Moͤglichkeit eines gantz andern Zu- ſtandes uͤberzeuget, und deßwegen in ihrem Ge- wiſſen zum oͤftern heimlich beſtrafet werden, aber unbeſtrafet ſeyn wollen, und daher ſich gegen je- ne ſo widrig erweiſen. 12. Wir finden dieſes am allernachdruͤck- lichſten vorgeſtellet im Buche der Weisheit c. 2, 12. u. f. Laſſet uns auf den Gerechten lau- ren. Denn er machet uns viel Unluſt, und ſetzet ſich wider unſer Thun, und ſchilt uns, daß wir wider das Geſetz ſuͤndigen, und rufet aus unſer Weſen fuͤr Suͤnde. Er gibt voꝛ, daß eꝛ GOtt kenne, und ruͤhmet ſich GOttes-Kind: ſtrafet was wir im Hertzen haben. Er iſt uns nicht leidlich auch anzuſe- hen: Denn ſein Leben reimet ſich nichts mit den andern, und ſein Weſen iſt gar ein an- ders. u. ſ. w. 13. Jm uͤbrigen iſt zu mercken, daß Abel iſt ein Vorbild von CHriſto, und Cain von den Juden, welche Chriſtum verfolget und an das Creutz gebracht haben, geweſen: daruͤber ſie auch, wie Cain uͤber den Bruder-Mord, ſind unſtaͤt, fluͤchtig und zerſtreuet worden unter allen Voͤl- ckern. Von dem Exempel Abels und Cains koͤmmt der Apoſtel zur Application auf die da- maligen Glaͤubigen und ihre Verfolger, wenn er alſo ſpricht: V. 13. Verwundert euch nicht, meine Bruͤ- der, ob euch die Welt haſſet. Anmerckungen. 1. Der Haß der Welt erwecket natuͤrli- cher Weiſe bey denen, welche das Geheimniß des Creutzes noch nicht recht einſehen, Verwunde- rung, nemlich uͤber die Unbilligkeit, daß, da man andere liebet, auch die Gottloſen, und ihre wahre Wohlfahrt zubefordern ſuchet, zum wenigſten im Gebet, man dafuͤr gehaſſet und verfolget wird da- her Petrus ſchreibet Ep. 1, c. 4, 12. Jhr lieben, laſſet euch die Hitze, ſo euch begegnet, nicht befremden (die euch widerfaͤhret, daß ihr ver- ſuchet werdet) als widerfuͤhre euch etwas ſeltſames. Und unſer Heyland ſelbſt ſpricht Joh. 15, 18. u. f. So euch die Welt haſſet, ſo wiſſet, daß ſie mich vor euch gehaſſet hat. Waͤret ihr von der Welt, ſo haͤt- te die Welt das ihre lieb. Dieweil ihr aber nicht von der Welt ſeyd, ſondern ich habe euch von der Welt erwehlet, darum haſſet euch die Welt. Siehe auch c. 17, 14. 2. Kinder GOttes haben an dem unverdien- ten S s s s 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/693>, abgerufen am 24.11.2024.