Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn heute die englischen Suffragetten, um ihre
absolute Gleichwertigkeit - gewissermaßen ihre mann-
gleiche Persönlichkeit - zu beweisen, ihre Parteigängerinnen
allen Ernstes auffordern, aktiv an dem Kampfe gegen
die Feinde teilzunehmen und sich im Gebrauche der
Waffen unterweisen zu lassen, so entspricht das zwar ihrer
früheren bombenwerfenden und mordbrennerischen staats-
feindlichen Tätigkeit, wird aber von allen natürlich em-
pfindenden Menschen als eine Ungeheuerlichkeit, als Un-
natur gewertet. Sie wirkt um so komischer, als der
Kontrast zwischen dem naiv anmaßlichen Wollen und der
jämmerlichen Ohnmacht des Könnens hier, wo es sich
nicht um eine Verhöhnung, sondern um die Verteidigung
des früher so niedrig eingeschätzten Staates handelt, so
ergötzlich in die Erscheinung tritt. Herunterbringen und
schwächen konnten die Suffragetten den verweiberten Staat,
zu seiner Rettung können sie nichts tun, es sei denn, daß
sie wie manche belgische Weiber ihre Rohheit an hilflosen
verwundeten Feinden dokumentierten.

Der moderne Jndividualismus, der auf den Grund-
satz schwört, daß man jeden nach seiner Fasson selig
werden und für sich selbst sorgen lassen müsse, legt in
der Stimmrechtsfrage den Hauptnachdruck auf die ver-
meintliche
Tatsache, daß die Frauen selbst die politische
Gleichberechtigung dringend wünschten und daß aus
diesem Grunde die Ablehnung des Frauenstimmrechts als
illiberal und unmoralisch anzusehen sei. Dazu kommt
ständig der andere Einwand, daß der Mann gar nicht
in der Lage sei, die Jnteressen der Frau in rechter Weise
zu verstehen und wahrzunehmen. Dagegen ist zu sagen,

Wenn heute die englischen Suffragetten, um ihre
absolute Gleichwertigkeit – gewissermaßen ihre mann-
gleiche Persönlichkeit – zu beweisen, ihre Parteigängerinnen
allen Ernstes auffordern, aktiv an dem Kampfe gegen
die Feinde teilzunehmen und sich im Gebrauche der
Waffen unterweisen zu lassen, so entspricht das zwar ihrer
früheren bombenwerfenden und mordbrennerischen staats-
feindlichen Tätigkeit, wird aber von allen natürlich em-
pfindenden Menschen als eine Ungeheuerlichkeit, als Un-
natur gewertet. Sie wirkt um so komischer, als der
Kontrast zwischen dem naiv anmaßlichen Wollen und der
jämmerlichen Ohnmacht des Könnens hier, wo es sich
nicht um eine Verhöhnung, sondern um die Verteidigung
des früher so niedrig eingeschätzten Staates handelt, so
ergötzlich in die Erscheinung tritt. Herunterbringen und
schwächen konnten die Suffragetten den verweiberten Staat,
zu seiner Rettung können sie nichts tun, es sei denn, daß
sie wie manche belgische Weiber ihre Rohheit an hilflosen
verwundeten Feinden dokumentierten.

Der moderne Jndividualismus, der auf den Grund-
satz schwört, daß man jeden nach seiner Fasson selig
werden und für sich selbst sorgen lassen müsse, legt in
der Stimmrechtsfrage den Hauptnachdruck auf die ver-
meintliche
Tatsache, daß die Frauen selbst die politische
Gleichberechtigung dringend wünschten und daß aus
diesem Grunde die Ablehnung des Frauenstimmrechts als
illiberal und unmoralisch anzusehen sei. Dazu kommt
ständig der andere Einwand, daß der Mann gar nicht
in der Lage sei, die Jnteressen der Frau in rechter Weise
zu verstehen und wahrzunehmen. Dagegen ist zu sagen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0024" n="22"/>
            <p>Wenn heute die englischen Suffragetten, um ihre<lb/>
absolute Gleichwertigkeit &#x2013; gewissermaßen ihre mann-<lb/>
gleiche Persönlichkeit &#x2013; zu beweisen, ihre Parteigängerinnen<lb/>
allen Ernstes auffordern, aktiv an dem Kampfe gegen<lb/>
die Feinde teilzunehmen und sich im Gebrauche der<lb/>
Waffen unterweisen zu lassen, so entspricht das zwar ihrer<lb/>
früheren bombenwerfenden und mordbrennerischen staats-<lb/>
feindlichen Tätigkeit, wird aber von allen natürlich em-<lb/>
pfindenden Menschen als eine Ungeheuerlichkeit, als Un-<lb/>
natur gewertet. Sie wirkt um so komischer, als der<lb/>
Kontrast zwischen dem naiv anmaßlichen Wollen und der<lb/>
jämmerlichen Ohnmacht des Könnens hier, wo es sich<lb/>
nicht um eine Verhöhnung, sondern um die Verteidigung<lb/>
des früher so niedrig eingeschätzten Staates handelt, so<lb/>
ergötzlich in die Erscheinung tritt. Herunterbringen und<lb/>
schwächen konnten die Suffragetten den verweiberten Staat,<lb/>
zu seiner Rettung können sie nichts tun, es sei denn, daß<lb/>
sie wie manche belgische Weiber ihre Rohheit an hilflosen<lb/>
verwundeten Feinden dokumentierten.</p><lb/>
            <p>Der moderne Jndividualismus, der auf den Grund-<lb/>
satz schwört, daß man jeden nach seiner Fasson selig<lb/>
werden und für sich selbst sorgen lassen müsse, legt in<lb/>
der Stimmrechtsfrage den Hauptnachdruck auf die <hi rendition="#g">ver-<lb/>
meintliche</hi> Tatsache, daß die Frauen selbst die politische<lb/>
Gleichberechtigung dringend wünschten und daß aus<lb/>
diesem Grunde die Ablehnung des Frauenstimmrechts als<lb/>
illiberal und unmoralisch anzusehen sei. Dazu kommt<lb/>
ständig der andere Einwand, daß der Mann gar nicht<lb/>
in der Lage sei, die Jnteressen der Frau in rechter Weise<lb/>
zu verstehen und wahrzunehmen. Dagegen ist zu sagen,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0024] Wenn heute die englischen Suffragetten, um ihre absolute Gleichwertigkeit – gewissermaßen ihre mann- gleiche Persönlichkeit – zu beweisen, ihre Parteigängerinnen allen Ernstes auffordern, aktiv an dem Kampfe gegen die Feinde teilzunehmen und sich im Gebrauche der Waffen unterweisen zu lassen, so entspricht das zwar ihrer früheren bombenwerfenden und mordbrennerischen staats- feindlichen Tätigkeit, wird aber von allen natürlich em- pfindenden Menschen als eine Ungeheuerlichkeit, als Un- natur gewertet. Sie wirkt um so komischer, als der Kontrast zwischen dem naiv anmaßlichen Wollen und der jämmerlichen Ohnmacht des Könnens hier, wo es sich nicht um eine Verhöhnung, sondern um die Verteidigung des früher so niedrig eingeschätzten Staates handelt, so ergötzlich in die Erscheinung tritt. Herunterbringen und schwächen konnten die Suffragetten den verweiberten Staat, zu seiner Rettung können sie nichts tun, es sei denn, daß sie wie manche belgische Weiber ihre Rohheit an hilflosen verwundeten Feinden dokumentierten. Der moderne Jndividualismus, der auf den Grund- satz schwört, daß man jeden nach seiner Fasson selig werden und für sich selbst sorgen lassen müsse, legt in der Stimmrechtsfrage den Hauptnachdruck auf die ver- meintliche Tatsache, daß die Frauen selbst die politische Gleichberechtigung dringend wünschten und daß aus diesem Grunde die Ablehnung des Frauenstimmrechts als illiberal und unmoralisch anzusehen sei. Dazu kommt ständig der andere Einwand, daß der Mann gar nicht in der Lage sei, die Jnteressen der Frau in rechter Weise zu verstehen und wahrzunehmen. Dagegen ist zu sagen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-13T13:51:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-13T13:51:38Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/24
Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/24>, abgerufen am 21.11.2024.