Manche Augen gafften nach mir, aber sie waren mir zur Last, weil mich immer dünkte, es wäre ein Ausdruck darinn, welcher meine Grundsätze beleidigte.
Heute machten wir einen Besuch bey der Gräfin F. gegen die ich mich bemühte gefällig zu seyn. Man sieht wohl, daß ihr Gemahl ein Liebling des Fürsteu ist; denn sie sprach beynahe von nichts als von Gnadenbezeugungen, welche sie genössen; machte auch viel Aufhebens von der Er- gebenheit ihres Gemahls gegen einen Herrn, der alles würdig wäre. Diesem folgten große Lobeserhebungen des Prin- zen; sie rühmte die Schönheit seiner Per- son, allerhand Geschicklichkeiten, seinen guten Geschmack in allem, besonders in Festins, seine prächtige Freygebigkeit, worinn er eine fürstliche Seele zeigte. (Jch dachte, die Dame möge freylich Ur- sache haben, diese letzte Eigenschaft so sehr anzupreisen.) Von seiner Neigung ge- gen das schöne Geschlecht sagte sie: wir sind Menschen; es sind freylich darinn Ausschweifungen geschehen; aber das Un-
glück
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Manche Augen gafften nach mir, aber ſie waren mir zur Laſt, weil mich immer duͤnkte, es waͤre ein Ausdruck darinn, welcher meine Grundſaͤtze beleidigte.
Heute machten wir einen Beſuch bey der Graͤfin F. gegen die ich mich bemuͤhte gefaͤllig zu ſeyn. Man ſieht wohl, daß ihr Gemahl ein Liebling des Fuͤrſteu iſt; denn ſie ſprach beynahe von nichts als von Gnadenbezeugungen, welche ſie genoͤſſen; machte auch viel Aufhebens von der Er- gebenheit ihres Gemahls gegen einen Herrn, der alles wuͤrdig waͤre. Dieſem folgten große Lobeserhebungen des Prin- zen; ſie ruͤhmte die Schoͤnheit ſeiner Per- ſon, allerhand Geſchicklichkeiten, ſeinen guten Geſchmack in allem, beſonders in Feſtins, ſeine praͤchtige Freygebigkeit, worinn er eine fuͤrſtliche Seele zeigte. (Jch dachte, die Dame moͤge freylich Ur- ſache haben, dieſe letzte Eigenſchaft ſo ſehr anzupreiſen.) Von ſeiner Neigung ge- gen das ſchoͤne Geſchlecht ſagte ſie: wir ſind Menſchen; es ſind freylich darinn Ausſchweifungen geſchehen; aber das Un-
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Manche Augen gafften nach mir, aber ſie
waren mir zur Laſt, weil mich immer
duͤnkte, es waͤre ein Ausdruck darinn,
welcher meine Grundſaͤtze beleidigte.
Heute machten wir einen Beſuch bey
der Graͤfin F. gegen die ich mich bemuͤhte
gefaͤllig zu ſeyn. Man ſieht wohl, daß
ihr Gemahl ein Liebling des Fuͤrſteu iſt;
denn ſie ſprach beynahe von nichts als von
Gnadenbezeugungen, welche ſie genoͤſſen;
machte auch viel Aufhebens von der Er-
gebenheit ihres Gemahls gegen einen
Herrn, der alles wuͤrdig waͤre. Dieſem
folgten große Lobeserhebungen des Prin-
zen; ſie ruͤhmte die Schoͤnheit ſeiner Per-
ſon, allerhand Geſchicklichkeiten, ſeinen
guten Geſchmack in allem, beſonders in
Feſtins, ſeine praͤchtige Freygebigkeit,
worinn er eine fuͤrſtliche Seele zeigte.
(Jch dachte, die Dame moͤge freylich Ur-
ſache haben, dieſe letzte Eigenſchaft ſo ſehr
anzupreiſen.) Von ſeiner Neigung ge-
gen das ſchoͤne Geſchlecht ſagte ſie: wir
ſind Menſchen; es ſind freylich darinn
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/141>, abgerufen am 23.11.2024.
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