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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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glück war nur, daß der Herr noch keinen
Gegenstand gefunden hat, der seinen
Geist eben so sehr als seine Augen gefesselt
hätte; denn gewiß, eine solche Person
würde Wunder für das Land und für den
Ruhm des Herrn gewürkt haben.

Meine Tante stimmte mit ein. Jch
saß stille, und fand in diesem Bild eines
Landesherrn keinen einzigen Zug von dem-
jenigen, welches die Anmerkungen meines
Vaters über den wahren Fürsten, bey
Durchlesung der Historie, in meinem Ge-
dächtniß gelassen hatten. Zumal, wenn
ich es noch dabey nach den Grundzügen
des deutschen National-Charakters beur-
theilte. -- Jch war froh, daß man mei-
ne Gedanken nicht zu wissen verlangte;
denn da mich die Gräfin in ihr Zimmer
führte, um mir sein Bildniß in Lebens-
größe zu weisen, konnte ich wohl sagen,
daß die Figur schön sey, wie sie es denn
würklich ist. -- Jch soll auch gemahlt
werden, will meine Tante. Jch kann es
leiden; und schicke dann meiner Emilia
eine Copie; ich weiß, daß sie mir dafür

dankt.

gluͤck war nur, daß der Herr noch keinen
Gegenſtand gefunden hat, der ſeinen
Geiſt eben ſo ſehr als ſeine Augen gefeſſelt
haͤtte; denn gewiß, eine ſolche Perſon
wuͤrde Wunder fuͤr das Land und fuͤr den
Ruhm des Herrn gewuͤrkt haben.

Meine Tante ſtimmte mit ein. Jch
ſaß ſtille, und fand in dieſem Bild eines
Landesherrn keinen einzigen Zug von dem-
jenigen, welches die Anmerkungen meines
Vaters uͤber den wahren Fuͤrſten, bey
Durchleſung der Hiſtorie, in meinem Ge-
daͤchtniß gelaſſen hatten. Zumal, wenn
ich es noch dabey nach den Grundzuͤgen
des deutſchen National-Charakters beur-
theilte. — Jch war froh, daß man mei-
ne Gedanken nicht zu wiſſen verlangte;
denn da mich die Graͤfin in ihr Zimmer
fuͤhrte, um mir ſein Bildniß in Lebens-
groͤße zu weiſen, konnte ich wohl ſagen,
daß die Figur ſchoͤn ſey, wie ſie es denn
wuͤrklich iſt. — Jch ſoll auch gemahlt
werden, will meine Tante. Jch kann es
leiden; und ſchicke dann meiner Emilia
eine Copie; ich weiß, daß ſie mir dafuͤr

dankt.
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[116/0142] gluͤck war nur, daß der Herr noch keinen Gegenſtand gefunden hat, der ſeinen Geiſt eben ſo ſehr als ſeine Augen gefeſſelt haͤtte; denn gewiß, eine ſolche Perſon wuͤrde Wunder fuͤr das Land und fuͤr den Ruhm des Herrn gewuͤrkt haben. Meine Tante ſtimmte mit ein. Jch ſaß ſtille, und fand in dieſem Bild eines Landesherrn keinen einzigen Zug von dem- jenigen, welches die Anmerkungen meines Vaters uͤber den wahren Fuͤrſten, bey Durchleſung der Hiſtorie, in meinem Ge- daͤchtniß gelaſſen hatten. Zumal, wenn ich es noch dabey nach den Grundzuͤgen des deutſchen National-Charakters beur- theilte. — Jch war froh, daß man mei- ne Gedanken nicht zu wiſſen verlangte; denn da mich die Graͤfin in ihr Zimmer fuͤhrte, um mir ſein Bildniß in Lebens- groͤße zu weiſen, konnte ich wohl ſagen, daß die Figur ſchoͤn ſey, wie ſie es denn wuͤrklich iſt. — Jch ſoll auch gemahlt werden, will meine Tante. Jch kann es leiden; und ſchicke dann meiner Emilia eine Copie; ich weiß, daß ſie mir dafuͤr dankt.

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/142>, abgerufen am 27.11.2024.