genden, bewiesen mir das Glück ihrer günstigen Lage, und ich wünsche ihnen einen guten Gebrauch ihres Segens. Meine Empfindungen waren angenehm, wie sie es allezeit beym ersten Anblick der Kennzeichen des Glücks zu seyn pflegen; bis nach und nach aus ihrer Betrachtung der Gedanke der Vergleichung unserer minder guten Umstände entspringt, und der bittern Unzufriedenheit einen Zugang in die Seele giebt.
Wir kehrten unterwegs, auf dem Schlosse des Grafen von W. ein, dessen Beschreibung ich unmöglich vorbeygehen kann. Es ist an der Spitze eines Berges erbaut, und hat auf vierzehen Stunden weit, die schönste Gegend eines mit Fel- dern, Wiesen und zerstreuten Bauerhöfen, gezierten Thales vor sich liegen, welches ein fischreicher Bach durchfließt, und waldichte Anhöhen umfassen. Auf dem Berge sind weitläuftige Gärten und Spa- ziergänge, nach dem edlen Geschmack des vorigen Besitzers angelegt, in welchem ich seinen Lieblingsgrundsatz, "das Ange-
nehme
genden, bewieſen mir das Gluͤck ihrer guͤnſtigen Lage, und ich wuͤnſche ihnen einen guten Gebrauch ihres Segens. Meine Empfindungen waren angenehm, wie ſie es allezeit beym erſten Anblick der Kennzeichen des Gluͤcks zu ſeyn pflegen; bis nach und nach aus ihrer Betrachtung der Gedanke der Vergleichung unſerer minder guten Umſtaͤnde entſpringt, und der bittern Unzufriedenheit einen Zugang in die Seele giebt.
Wir kehrten unterwegs, auf dem Schloſſe des Grafen von W. ein, deſſen Beſchreibung ich unmoͤglich vorbeygehen kann. Es iſt an der Spitze eines Berges erbaut, und hat auf vierzehen Stunden weit, die ſchoͤnſte Gegend eines mit Fel- dern, Wieſen und zerſtreuten Bauerhoͤfen, gezierten Thales vor ſich liegen, welches ein fiſchreicher Bach durchfließt, und waldichte Anhoͤhen umfaſſen. Auf dem Berge ſind weitlaͤuftige Gaͤrten und Spa- ziergaͤnge, nach dem edlen Geſchmack des vorigen Beſitzers angelegt, in welchem ich ſeinen Lieblingsgrundſatz, „das Ange-
nehme
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genden, bewieſen mir das Gluͤck ihrer
guͤnſtigen Lage, und ich wuͤnſche ihnen
einen guten Gebrauch ihres Segens.
Meine Empfindungen waren angenehm,
wie ſie es allezeit beym erſten Anblick der
Kennzeichen des Gluͤcks zu ſeyn pflegen;
bis nach und nach aus ihrer Betrachtung
der Gedanke der Vergleichung unſerer
minder guten Umſtaͤnde entſpringt, und
der bittern Unzufriedenheit einen Zugang
in die Seele giebt.
Wir kehrten unterwegs, auf dem
Schloſſe des Grafen von W. ein, deſſen
Beſchreibung ich unmoͤglich vorbeygehen
kann. Es iſt an der Spitze eines Berges
erbaut, und hat auf vierzehen Stunden
weit, die ſchoͤnſte Gegend eines mit Fel-
dern, Wieſen und zerſtreuten Bauerhoͤfen,
gezierten Thales vor ſich liegen, welches
ein fiſchreicher Bach durchfließt, und
waldichte Anhoͤhen umfaſſen. Auf dem
Berge ſind weitlaͤuftige Gaͤrten und Spa-
ziergaͤnge, nach dem edlen Geſchmack des
vorigen Beſitzers angelegt, in welchem
ich ſeinen Lieblingsgrundſatz, „das Ange-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/160>, abgerufen am 23.11.2024.
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