wohner bey ihnen versammelt. Die sechs Tage über, welche wir da zubrach- ten, kam ich durch das Spielen auf eine Jdee, die ich gern von Herrn Br. unter- sucht haben möchte. Es waren viele Fremde gekommen, zu deren Unterhaltung man nothwendiger Weise Spieltische ma- chen mußte. Denn unter zwanzig Perso- nen waren gewiß die meisten von sehr ver- schiedenem Geist und Sinnesart, welches sich bey der Mittagstafel und dem Spa- ziergang am stärksten äußerte, wo jeder nach seinen herrschenden Begriffen und Neigungen von allen vorkommenden Ge- genständen redete, und wo öfters theils die feinern Empfindungen der Tugend, theils die Pflichten der Menschenfreund- lichkeit beleidigt worden waren. Bey dem Spielen aber hatten alle nur Einen Geist, indem sie sich denen dabey ein- geführten Gesetzen ohne den geringsten Widerspruch unterwarfen; keines wur- de unmuthig, wenn man ihm sagte, daß hier und da wider die Regeln gefehlt worden sey; man gestund es,
und
wohner bey ihnen verſammelt. Die ſechs Tage uͤber, welche wir da zubrach- ten, kam ich durch das Spielen auf eine Jdee, die ich gern von Herrn Br. unter- ſucht haben moͤchte. Es waren viele Fremde gekommen, zu deren Unterhaltung man nothwendiger Weiſe Spieltiſche ma- chen mußte. Denn unter zwanzig Perſo- nen waren gewiß die meiſten von ſehr ver- ſchiedenem Geiſt und Sinnesart, welches ſich bey der Mittagstafel und dem Spa- ziergang am ſtaͤrkſten aͤußerte, wo jeder nach ſeinen herrſchenden Begriffen und Neigungen von allen vorkommenden Ge- genſtaͤnden redete, und wo oͤfters theils die feinern Empfindungen der Tugend, theils die Pflichten der Menſchenfreund- lichkeit beleidigt worden waren. Bey dem Spielen aber hatten alle nur Einen Geiſt, indem ſie ſich denen dabey ein- gefuͤhrten Geſetzen ohne den geringſten Widerſpruch unterwarfen; keines wur- de unmuthig, wenn man ihm ſagte, daß hier und da wider die Regeln gefehlt worden ſey; man geſtund es,
und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0162"n="136"/>
wohner bey ihnen verſammelt. Die<lb/>ſechs Tage uͤber, welche wir da zubrach-<lb/>
ten, kam ich durch das Spielen auf eine<lb/>
Jdee, die ich gern von Herrn Br. unter-<lb/>ſucht haben moͤchte. Es waren viele<lb/>
Fremde gekommen, zu deren Unterhaltung<lb/>
man nothwendiger Weiſe Spieltiſche ma-<lb/>
chen mußte. Denn unter zwanzig Perſo-<lb/>
nen waren gewiß die meiſten von ſehr ver-<lb/>ſchiedenem Geiſt und Sinnesart, welches<lb/>ſich bey der Mittagstafel und dem Spa-<lb/>
ziergang am ſtaͤrkſten aͤußerte, wo jeder<lb/>
nach ſeinen herrſchenden Begriffen und<lb/>
Neigungen von allen vorkommenden Ge-<lb/>
genſtaͤnden redete, und wo oͤfters theils<lb/>
die feinern Empfindungen der Tugend,<lb/>
theils die Pflichten der Menſchenfreund-<lb/>
lichkeit beleidigt worden waren. Bey<lb/>
dem Spielen aber hatten alle nur Einen<lb/>
Geiſt, indem ſie ſich denen dabey ein-<lb/>
gefuͤhrten Geſetzen ohne den geringſten<lb/>
Widerſpruch unterwarfen; keines wur-<lb/>
de unmuthig, wenn man ihm ſagte,<lb/>
daß hier und da wider die Regeln<lb/>
gefehlt worden ſey; man geſtund es,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[136/0162]
wohner bey ihnen verſammelt. Die
ſechs Tage uͤber, welche wir da zubrach-
ten, kam ich durch das Spielen auf eine
Jdee, die ich gern von Herrn Br. unter-
ſucht haben moͤchte. Es waren viele
Fremde gekommen, zu deren Unterhaltung
man nothwendiger Weiſe Spieltiſche ma-
chen mußte. Denn unter zwanzig Perſo-
nen waren gewiß die meiſten von ſehr ver-
ſchiedenem Geiſt und Sinnesart, welches
ſich bey der Mittagstafel und dem Spa-
ziergang am ſtaͤrkſten aͤußerte, wo jeder
nach ſeinen herrſchenden Begriffen und
Neigungen von allen vorkommenden Ge-
genſtaͤnden redete, und wo oͤfters theils
die feinern Empfindungen der Tugend,
theils die Pflichten der Menſchenfreund-
lichkeit beleidigt worden waren. Bey
dem Spielen aber hatten alle nur Einen
Geiſt, indem ſie ſich denen dabey ein-
gefuͤhrten Geſetzen ohne den geringſten
Widerſpruch unterwarfen; keines wur-
de unmuthig, wenn man ihm ſagte,
daß hier und da wider die Regeln
gefehlt worden ſey; man geſtund es,
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/162>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.