nen gelassen habe, deren feinstes und leb- haftestes Vergnügen sie ist. Daher war die Wahl meiner Augen immer fein, da- her meine Gegenstände immer abgewech- selt. Alle Classen von Schönheiten haben mir gefröhnet; ich wurde ihrer satt, und suchte nun auch die Häßlichkeit zu meiner Sclavin zu machen; nach dieser mußten mir Talente und Charakter unterwürfig werden. Wie viel Anmerkungen könnten nicht die Philosophen und Moralisten über die feinen Netze und Schlingen machen, in denen ich die Tugend, oder den Stolz, die Weisheit, oder den Kaltsinn, die Co- quetterie, und selbst die Frömmigkeit der ganzen weiblichen Welt gefangen habe. Jch dachte schon mit Salomo, daß für mich nichts neues mehr unter der Sonne wäre. Aber Amor lachte meiner Eitelkeit. Er führte aus einem elenden Landwinkel die Tochter eines Obersten herbey, deren Figur, Geist und Charakter so neu und reizend ist, daß meinen vorigen Unterneh- mungen die Crone fehlte, wenn sie mir entwischen sollte. Wachsam muß ich
seyn;
nen gelaſſen habe, deren feinſtes und leb- hafteſtes Vergnuͤgen ſie iſt. Daher war die Wahl meiner Augen immer fein, da- her meine Gegenſtaͤnde immer abgewech- ſelt. Alle Claſſen von Schoͤnheiten haben mir gefroͤhnet; ich wurde ihrer ſatt, und ſuchte nun auch die Haͤßlichkeit zu meiner Sclavin zu machen; nach dieſer mußten mir Talente und Charakter unterwuͤrfig werden. Wie viel Anmerkungen koͤnnten nicht die Philoſophen und Moraliſten uͤber die feinen Netze und Schlingen machen, in denen ich die Tugend, oder den Stolz, die Weisheit, oder den Kaltſinn, die Co- quetterie, und ſelbſt die Froͤmmigkeit der ganzen weiblichen Welt gefangen habe. Jch dachte ſchon mit Salomo, daß fuͤr mich nichts neues mehr unter der Sonne waͤre. Aber Amor lachte meiner Eitelkeit. Er fuͤhrte aus einem elenden Landwinkel die Tochter eines Oberſten herbey, deren Figur, Geiſt und Charakter ſo neu und reizend iſt, daß meinen vorigen Unterneh- mungen die Crone fehlte, wenn ſie mir entwiſchen ſollte. Wachſam muß ich
ſeyn;
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nen gelaſſen habe, deren feinſtes und leb-
hafteſtes Vergnuͤgen ſie iſt. Daher war
die Wahl meiner Augen immer fein, da-
her meine Gegenſtaͤnde immer abgewech-
ſelt. Alle Claſſen von Schoͤnheiten haben
mir gefroͤhnet; ich wurde ihrer ſatt, und
ſuchte nun auch die Haͤßlichkeit zu meiner
Sclavin zu machen; nach dieſer mußten
mir Talente und Charakter unterwuͤrfig
werden. Wie viel Anmerkungen koͤnnten
nicht die Philoſophen und Moraliſten uͤber
die feinen Netze und Schlingen machen,
in denen ich die Tugend, oder den Stolz,
die Weisheit, oder den Kaltſinn, die Co-
quetterie, und ſelbſt die Froͤmmigkeit der
ganzen weiblichen Welt gefangen habe.
Jch dachte ſchon mit Salomo, daß fuͤr
mich nichts neues mehr unter der Sonne
waͤre. Aber Amor lachte meiner Eitelkeit.
Er fuͤhrte aus einem elenden Landwinkel
die Tochter eines Oberſten herbey, deren
Figur, Geiſt und Charakter ſo neu und
reizend iſt, daß meinen vorigen Unterneh-
mungen die Crone fehlte, wenn ſie mir
entwiſchen ſollte. Wachſam muß ich
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/192>, abgerufen am 23.11.2024.
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