der Sternheim nach; und sagt: Was macht das Fräulein in dem Wirthshause? Jch antwortete kurz: sie hätte mir gesagt, daß sie diese Bettelfrau kenne, und mit ihr etwas zu reden hätte. Sie lacht, schüttelt den Kopf mit der Miene des Af- fengesichts, das lang über die Vorzüge der Freundin neidisch war, nichts tadeln konnte, und nun eine innerliche Freude über den Schein eines Fehlers fühlte. "Es wird wohl eine alte gute Bekanntin vom Dorfe P. seyn" zischte die Natter, mit einem Ansehen, als ob sie ganz unter- richtet wäre. Jch sagte ihr: ich wollte einen meiner Leute horchen lassen, denn ich wäre selbst über diesen Vorgang in Erstaunen; schickte auch einen nach ihr, und suchte indessen die R* folgends auszu- locken: was sie wohl von Fräulein Stern- heim denke?
"Daß sie ein wunderliches Gemische "von bürgerlichem und adelichem Wesen "vorstellt, und ein wunderlich Gezier von "Delicatesse macht, die sie doch nicht sou- "teniert. Denn was für ein Bezeugen
von
der Sternheim nach; und ſagt: Was macht das Fraͤulein in dem Wirthshauſe? Jch antwortete kurz: ſie haͤtte mir geſagt, daß ſie dieſe Bettelfrau kenne, und mit ihr etwas zu reden haͤtte. Sie lacht, ſchuͤttelt den Kopf mit der Miene des Af- fengeſichts, das lang uͤber die Vorzuͤge der Freundin neidiſch war, nichts tadeln konnte, und nun eine innerliche Freude uͤber den Schein eines Fehlers fuͤhlte. „Es wird wohl eine alte gute Bekanntin vom Dorfe P. ſeyn“ ziſchte die Natter, mit einem Anſehen, als ob ſie ganz unter- richtet waͤre. Jch ſagte ihr: ich wollte einen meiner Leute horchen laſſen, denn ich waͤre ſelbſt uͤber dieſen Vorgang in Erſtaunen; ſchickte auch einen nach ihr, und ſuchte indeſſen die R* folgends auszu- locken: was ſie wohl von Fraͤulein Stern- heim denke?
„Daß ſie ein wunderliches Gemiſche „von buͤrgerlichem und adelichem Weſen „vorſtellt, und ein wunderlich Gezier von „Delicateſſe macht, die ſie doch nicht ſou- „teniert. Denn was fuͤr ein Bezeugen
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der Sternheim nach; und ſagt: Was
macht das Fraͤulein in dem Wirthshauſe?
Jch antwortete kurz: ſie haͤtte mir geſagt,
daß ſie dieſe Bettelfrau kenne, und mit
ihr etwas zu reden haͤtte. Sie lacht,
ſchuͤttelt den Kopf mit der Miene des Af-
fengeſichts, das lang uͤber die Vorzuͤge
der Freundin neidiſch war, nichts tadeln
konnte, und nun eine innerliche Freude
uͤber den Schein eines Fehlers fuͤhlte.
„Es wird wohl eine alte gute Bekanntin
vom Dorfe P. ſeyn“ ziſchte die Natter,
mit einem Anſehen, als ob ſie ganz unter-
richtet waͤre. Jch ſagte ihr: ich wollte
einen meiner Leute horchen laſſen, denn
ich waͤre ſelbſt uͤber dieſen Vorgang in
Erſtaunen; ſchickte auch einen nach ihr,
und ſuchte indeſſen die R* folgends auszu-
locken: was ſie wohl von Fraͤulein Stern-
heim denke?
„Daß ſie ein wunderliches Gemiſche
„von buͤrgerlichem und adelichem Weſen
„vorſtellt, und ein wunderlich Gezier von
„Delicateſſe macht, die ſie doch nicht ſou-
„teniert. Denn was fuͤr ein Bezeugen
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/238>, abgerufen am 18.12.2024.
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