[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771."zu keiner Denkerin gebohren; hingegen Niemals *) Wohlverstanden, daß die Speculationen der Gelehrten, so bald sie einigen Nutzen für die menschliche Gesellschaft haben, eben dadurch den Werth von guten Handlungen bekommen. H. **) Herr** (den wir zu kennen die Ehre ha-
ben) hat uns auf Befragen gesagt, seine Mey- nung sey eigentlich diese gewesen: Er habe an dem Fräulein von St. eine gewisse Neigung über moralische Dinge aus allgemeinen Grundsätzen zu raisonniren, Distinctionen zu machen, und ihren Gedanken eine Art von systematischer Form zu geben, „zu keiner Denkerin gebohren; hingegen Niemals *) Wohlverſtanden, daß die Speculationen der Gelehrten, ſo bald ſie einigen Nutzen fuͤr die menſchliche Geſellſchaft haben, eben dadurch den Werth von guten Handlungen bekommen. H. **) Herr** (den wir zu kennen die Ehre ha-
ben) hat uns auf Befragen geſagt, ſeine Mey- nung ſey eigentlich dieſe geweſen: Er habe an dem Fraͤulein von St. eine gewiſſe Neigung uͤber moraliſche Dinge aus allgemeinen Grundſaͤtzen zu raiſonniren, Diſtinctionen zu machen, und ihren Gedanken eine Art von ſyſtematiſcher Form zu geben, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0246" n="220"/> „zu keiner <hi rendition="#fr">Denkerin</hi> gebohren; hingegen<lb/> „koͤnnte ich zufrieden ſeyn, daß mich die<lb/> „Natur durch die gluͤcklichſte Anlage den<lb/> „eigentlichen Endzweck unſers Daſeyns zu<lb/> „erfuͤllen, dafuͤr entſchaͤdigt haͤtte; dieſer<lb/> „beſtehe eigentlich im Handel, nicht im<lb/> „Speculieren;<note place="foot" n="*)">Wohlverſtanden, daß die Speculationen der<lb/><hi rendition="#fr">Gelehrten</hi>, ſo bald ſie einigen Nutzen fuͤr die<lb/> menſchliche Geſellſchaft haben, eben dadurch den<lb/> Werth von guten <hi rendition="#fr">Handlungen</hi> bekommen. H.</note> und da ich die Luͤcken,<lb/> „die andre in ihrem moraliſchen Leben<lb/> „und in dem Gebrauch ihrer Tage ma-<lb/> „chen, ſo leicht und fein empfaͤnde, ſo<lb/> „ſollte ich meine Betrachtungen daruͤber<lb/> „durch edle Handlungen, deren ich ſo faͤ-<lb/> „hig ſey, zu zeigen ſuchen. <note xml:id="seg2pn_3_1" next="#seg2pn_3_2" place="foot" n="**)">Herr** (den wir zu kennen die Ehre ha-<lb/> ben) hat uns auf Befragen geſagt, ſeine Mey-<lb/> nung ſey eigentlich dieſe geweſen: Er habe an<lb/> dem Fraͤulein von St. eine gewiſſe Neigung uͤber<lb/> moraliſche Dinge aus allgemeinen Grundſaͤtzen zu<lb/> raiſonniren, Diſtinctionen zu machen, und ihren<lb/> Gedanken eine Art von ſyſtematiſcher Form zu<lb/> <fw place="bottom" type="catch">geben,</fw></note></p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Niemals</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [220/0246]
„zu keiner Denkerin gebohren; hingegen
„koͤnnte ich zufrieden ſeyn, daß mich die
„Natur durch die gluͤcklichſte Anlage den
„eigentlichen Endzweck unſers Daſeyns zu
„erfuͤllen, dafuͤr entſchaͤdigt haͤtte; dieſer
„beſtehe eigentlich im Handel, nicht im
„Speculieren; *) und da ich die Luͤcken,
„die andre in ihrem moraliſchen Leben
„und in dem Gebrauch ihrer Tage ma-
„chen, ſo leicht und fein empfaͤnde, ſo
„ſollte ich meine Betrachtungen daruͤber
„durch edle Handlungen, deren ich ſo faͤ-
„hig ſey, zu zeigen ſuchen. **)
Niemals
*) Wohlverſtanden, daß die Speculationen der
Gelehrten, ſo bald ſie einigen Nutzen fuͤr die
menſchliche Geſellſchaft haben, eben dadurch den
Werth von guten Handlungen bekommen. H.
**) Herr** (den wir zu kennen die Ehre ha-
ben) hat uns auf Befragen geſagt, ſeine Mey-
nung ſey eigentlich dieſe geweſen: Er habe an
dem Fraͤulein von St. eine gewiſſe Neigung uͤber
moraliſche Dinge aus allgemeinen Grundſaͤtzen zu
raiſonniren, Diſtinctionen zu machen, und ihren
Gedanken eine Art von ſyſtematiſcher Form zu
geben,
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