und Charakters in einem Frauenzimmer vorzüglich zu loben. Wahr sey es, daß wir überhaupt gleiche Ansprüche, wie die Männer, an alle Tugenden und an alle die Kenntnisse hätten, welche die Ausü- bung derselben befördern, den Geist auf- klären oder die Empfindungen und Sit- ten verschönern; aber daß immer in der Ausübung davon die Verschiedenheit des Geschlechts bemerkt werden müsse. Die Natur selbst habe die Anweisung hiezu ge- geben, als sie, z. E. in der Leidenschaft der Liebe den Mann heftig, die Frau zärtlich gemacht; in Beleidigungen Jenen mit Zorn, Diese mit rührenden Thränen bewaffnet; zu Geschäfften und Wissenschaf- ten dem männlichen Geiste Stärke und Tiefsinn, dem weiblichen Geschmeidigkeit und Anmuth; in Unglücksfällen dem Man- ne Standhaftigkeit und Muth, der Frau Geduld und Ergebung, vorzüglich mitge- theilt; im häuslichen Leben Jenem die Sorge für die Mittel der Familie zu er- halten, und Dieser die schickliche Austhei- lung derselben aufgetragen habe, u. s. w.
Auf
und Charakters in einem Frauenzimmer vorzuͤglich zu loben. Wahr ſey es, daß wir uͤberhaupt gleiche Anſpruͤche, wie die Maͤnner, an alle Tugenden und an alle die Kenntniſſe haͤtten, welche die Ausuͤ- bung derſelben befoͤrdern, den Geiſt auf- klaͤren oder die Empfindungen und Sit- ten verſchoͤnern; aber daß immer in der Ausuͤbung davon die Verſchiedenheit des Geſchlechts bemerkt werden muͤſſe. Die Natur ſelbſt habe die Anweiſung hiezu ge- geben, als ſie, z. E. in der Leidenſchaft der Liebe den Mann heftig, die Frau zaͤrtlich gemacht; in Beleidigungen Jenen mit Zorn, Dieſe mit ruͤhrenden Thraͤnen bewaffnet; zu Geſchaͤfften und Wiſſenſchaf- ten dem maͤnnlichen Geiſte Staͤrke und Tiefſinn, dem weiblichen Geſchmeidigkeit und Anmuth; in Ungluͤcksfaͤllen dem Man- ne Standhaftigkeit und Muth, der Frau Geduld und Ergebung, vorzuͤglich mitge- theilt; im haͤuslichen Leben Jenem die Sorge fuͤr die Mittel der Familie zu er- halten, und Dieſer die ſchickliche Austhei- lung derſelben aufgetragen habe, u. ſ. w.
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und Charakters in einem Frauenzimmer
vorzuͤglich zu loben. Wahr ſey es, daß
wir uͤberhaupt gleiche Anſpruͤche, wie die
Maͤnner, an alle Tugenden und an alle
die Kenntniſſe haͤtten, welche die Ausuͤ-
bung derſelben befoͤrdern, den Geiſt auf-
klaͤren oder die Empfindungen und Sit-
ten verſchoͤnern; aber daß immer in der
Ausuͤbung davon die Verſchiedenheit des
Geſchlechts bemerkt werden muͤſſe. Die
Natur ſelbſt habe die Anweiſung hiezu ge-
geben, als ſie, z. E. in der Leidenſchaft
der Liebe den Mann heftig, die Frau
zaͤrtlich gemacht; in Beleidigungen Jenen
mit Zorn, Dieſe mit ruͤhrenden Thraͤnen
bewaffnet; zu Geſchaͤfften und Wiſſenſchaf-
ten dem maͤnnlichen Geiſte Staͤrke und
Tiefſinn, dem weiblichen Geſchmeidigkeit
und Anmuth; in Ungluͤcksfaͤllen dem Man-
ne Standhaftigkeit und Muth, der Frau
Geduld und Ergebung, vorzuͤglich mitge-
theilt; im haͤuslichen Leben Jenem die
Sorge fuͤr die Mittel der Familie zu er-
halten, und Dieſer die ſchickliche Austhei-
lung derſelben aufgetragen habe, u. ſ. w.
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/248>, abgerufen am 21.11.2024.
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