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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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im Pfarrgarten gesehen habe? und der
Fürst ihm ganz kurz mit Ja antwortete,
und die Augen gleich nach ihr kehrte; da
war der Vorgang gewiß; ja sie war,
weil man doch auch dem Pfarrer eine Rol-
le dabey zu spielen geben wollte, zur lin-
ken Hand vermählt, und viele bezeugten
ihr schon besondere Aufwartungen als der
künftigen Gnaden Ausspenderin. Der
Graf F*, seine Frau, der Oncle und die
Tante des Fräuleins führten den Reihen
dieser wahnsinnigen Leute. Selbst Mi-
lord G. spielte die Rolle mit, ob sie gleich
etwas gezwungen bey ihm war. Aber
Seymour, durch die Beleidigung seiner
Liebe und der Vollkommenheit des Jdeals,
das er sich von ihr in den Kopf phanta-
siert hatte, in einen unbiegsamen Zorn
gebracht, konnte sich kaum zu der ge-
wöhnlichen Höflichkeit entschließen, einen
Menuet mit ihr zu tanzen; sein frostiges
störriges Aussehen, womit er die freund-
lichsten Blicke ihrer schönen Augen erwie-
derte, machte endlich, daß sie ihn nicht
mehr ansah; aber goß zugleich eine Nie-

derge-
Q 2

im Pfarrgarten geſehen habe? und der
Fuͤrſt ihm ganz kurz mit Ja antwortete,
und die Augen gleich nach ihr kehrte; da
war der Vorgang gewiß; ja ſie war,
weil man doch auch dem Pfarrer eine Rol-
le dabey zu ſpielen geben wollte, zur lin-
ken Hand vermaͤhlt, und viele bezeugten
ihr ſchon beſondere Aufwartungen als der
kuͤnftigen Gnaden Ausſpenderin. Der
Graf F*, ſeine Frau, der Oncle und die
Tante des Fraͤuleins fuͤhrten den Reihen
dieſer wahnſinnigen Leute. Selbſt Mi-
lord G. ſpielte die Rolle mit, ob ſie gleich
etwas gezwungen bey ihm war. Aber
Seymour, durch die Beleidigung ſeiner
Liebe und der Vollkommenheit des Jdeals,
das er ſich von ihr in den Kopf phanta-
ſiert hatte, in einen unbiegſamen Zorn
gebracht, konnte ſich kaum zu der ge-
woͤhnlichen Hoͤflichkeit entſchließen, einen
Menuet mit ihr zu tanzen; ſein froſtiges
ſtoͤrriges Ausſehen, womit er die freund-
lichſten Blicke ihrer ſchoͤnen Augen erwie-
derte, machte endlich, daß ſie ihn nicht
mehr anſah; aber goß zugleich eine Nie-

derge-
Q 2
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[243/0269] im Pfarrgarten geſehen habe? und der Fuͤrſt ihm ganz kurz mit Ja antwortete, und die Augen gleich nach ihr kehrte; da war der Vorgang gewiß; ja ſie war, weil man doch auch dem Pfarrer eine Rol- le dabey zu ſpielen geben wollte, zur lin- ken Hand vermaͤhlt, und viele bezeugten ihr ſchon beſondere Aufwartungen als der kuͤnftigen Gnaden Ausſpenderin. Der Graf F*, ſeine Frau, der Oncle und die Tante des Fraͤuleins fuͤhrten den Reihen dieſer wahnſinnigen Leute. Selbſt Mi- lord G. ſpielte die Rolle mit, ob ſie gleich etwas gezwungen bey ihm war. Aber Seymour, durch die Beleidigung ſeiner Liebe und der Vollkommenheit des Jdeals, das er ſich von ihr in den Kopf phanta- ſiert hatte, in einen unbiegſamen Zorn gebracht, konnte ſich kaum zu der ge- woͤhnlichen Hoͤflichkeit entſchließen, einen Menuet mit ihr zu tanzen; ſein froſtiges ſtoͤrriges Ausſehen, womit er die freund- lichſten Blicke ihrer ſchoͤnen Augen erwie- derte, machte endlich, daß ſie ihn nicht mehr anſah; aber goß zugleich eine Nie- derge- Q 2

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/269>, abgerufen am 21.11.2024.