Zärtlichkeit; Begierde und Rache bleiben mir allein übrig. -- Mein äußerliches Ansehen sagte nichts davon; ich war lau- ter Ehrfurcht. Sie tanzte vortrefflich, man schrieb es der Begierde zu, dem Für- sten zu gefallen. Jch allein wußte, daß es eine Bemühung ihrer beleidigten Eigen- liebe war, um den Seymour durch die Schönheit und Munterkeit ihres Tanzes über seine abschlägige Antwort zu strafen. Und gestraft war er auch! Sein Herz voll Verdruß war froh bey mir Klagen zu füh- ren, und sich selbst zu verdammen, daß er, ungeachtet sie alle seine Verachtung verdiente, sich dennoch nicht erwehren könnte, die zärtlichste Empfindlichkeit für ihre Reizungen zu fühlen.
"Warum hast du denn nicht mit ihr getanzt?"
Gott bewahre mich, sagte er; ich wäre gewiß unter dem Kampfe zwischen Liebe und Verachtung an ihrer Seite zu Boden gesunken. Jch lachte ihn aus, und sagte; er sollte lieben wie ich, so würde er mehr Vergnügen davon haben, als ihm seine
über-
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Zaͤrtlichkeit; Begierde und Rache bleiben mir allein uͤbrig. — Mein aͤußerliches Anſehen ſagte nichts davon; ich war lau- ter Ehrfurcht. Sie tanzte vortrefflich, man ſchrieb es der Begierde zu, dem Fuͤr- ſten zu gefallen. Jch allein wußte, daß es eine Bemuͤhung ihrer beleidigten Eigen- liebe war, um den Seymour durch die Schoͤnheit und Munterkeit ihres Tanzes uͤber ſeine abſchlaͤgige Antwort zu ſtrafen. Und geſtraft war er auch! Sein Herz voll Verdruß war froh bey mir Klagen zu fuͤh- ren, und ſich ſelbſt zu verdammen, daß er, ungeachtet ſie alle ſeine Verachtung verdiente, ſich dennoch nicht erwehren koͤnnte, die zaͤrtlichſte Empfindlichkeit fuͤr ihre Reizungen zu fuͤhlen.
„Warum haſt du denn nicht mit ihr getanzt?“
Gott bewahre mich, ſagte er; ich waͤre gewiß unter dem Kampfe zwiſchen Liebe und Verachtung an ihrer Seite zu Boden geſunken. Jch lachte ihn aus, und ſagte; er ſollte lieben wie ich, ſo wuͤrde er mehr Vergnuͤgen davon haben, als ihm ſeine
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Zaͤrtlichkeit; Begierde und Rache bleiben
mir allein uͤbrig. — Mein aͤußerliches
Anſehen ſagte nichts davon; ich war lau-
ter Ehrfurcht. Sie tanzte vortrefflich,
man ſchrieb es der Begierde zu, dem Fuͤr-
ſten zu gefallen. Jch allein wußte, daß
es eine Bemuͤhung ihrer beleidigten Eigen-
liebe war, um den Seymour durch die
Schoͤnheit und Munterkeit ihres Tanzes
uͤber ſeine abſchlaͤgige Antwort zu ſtrafen.
Und geſtraft war er auch! Sein Herz voll
Verdruß war froh bey mir Klagen zu fuͤh-
ren, und ſich ſelbſt zu verdammen, daß
er, ungeachtet ſie alle ſeine Verachtung
verdiente, ſich dennoch nicht erwehren
koͤnnte, die zaͤrtlichſte Empfindlichkeit fuͤr
ihre Reizungen zu fuͤhlen.
„Warum haſt du denn nicht mit ihr
getanzt?“
Gott bewahre mich, ſagte er; ich waͤre
gewiß unter dem Kampfe zwiſchen Liebe
und Verachtung an ihrer Seite zu Boden
geſunken. Jch lachte ihn aus, und ſagte;
er ſollte lieben wie ich, ſo wuͤrde er mehr
Vergnuͤgen davon haben, als ihm ſeine
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/273>, abgerufen am 22.11.2024.
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