Gedränge, und das Fräulein gieng mit äußerster Schnelligkeit den Saal durch. Jch folgte der weissen Masque auf die Ecke eines Gangs, wo sie die Kleider fal- len ließ, und mir den Lord Seymour in seinem schwarzen Domino zeigte, der in der stärksten Bewegung die Treppe hinun- ter lief, und mich über seine Unterredung mit dem Fräulein in der größten Verle- genheit ließ. John, der sie nicht aus dem Gesichte verlohr, war ihr nachgegan- gen, und sah, daß sie in das Zimmer, wo ihr Oucle und die Gräfin F* waren, gieng, gleich beym Eintritt allen Schmuck ihres Aufsatzes vom Kopfe riß, mit verachtungs- und schmerzensvollen Ausdrücken zu Bo- den warf, ihren Oncle, der sich ihr nä- herte, mit Abscheu ansah, und mit der kummervollesten Stimme ihn fragte: Wo- mit habe ich es verdient, daß Sie meine Ehre und meinen guten Nahmen zum Opfer der verhaßten Leidenschaft des Für- sten machten?
Mit zitternden Händen band sie ihre Masque loß, riß die Spitzen ihres Hals-
kragens,
Gedraͤnge, und das Fraͤulein gieng mit aͤußerſter Schnelligkeit den Saal durch. Jch folgte der weiſſen Masque auf die Ecke eines Gangs, wo ſie die Kleider fal- len ließ, und mir den Lord Seymour in ſeinem ſchwarzen Domino zeigte, der in der ſtaͤrkſten Bewegung die Treppe hinun- ter lief, und mich uͤber ſeine Unterredung mit dem Fraͤulein in der groͤßten Verle- genheit ließ. John, der ſie nicht aus dem Geſichte verlohr, war ihr nachgegan- gen, und ſah, daß ſie in das Zimmer, wo ihr Oucle und die Graͤfin F* waren, gieng, gleich beym Eintritt allen Schmuck ihres Aufſatzes vom Kopfe riß, mit verachtungs- und ſchmerzensvollen Ausdruͤcken zu Bo- den warf, ihren Oncle, der ſich ihr naͤ- herte, mit Abſcheu anſah, und mit der kummervolleſten Stimme ihn fragte: Wo- mit habe ich es verdient, daß Sie meine Ehre und meinen guten Nahmen zum Opfer der verhaßten Leidenſchaft des Fuͤr- ſten machten?
Mit zitternden Haͤnden band ſie ihre Masque loß, riß die Spitzen ihres Hals-
kragens,
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Gedraͤnge, und das Fraͤulein gieng mit
aͤußerſter Schnelligkeit den Saal durch.
Jch folgte der weiſſen Masque auf die
Ecke eines Gangs, wo ſie die Kleider fal-
len ließ, und mir den Lord Seymour in
ſeinem ſchwarzen Domino zeigte, der in
der ſtaͤrkſten Bewegung die Treppe hinun-
ter lief, und mich uͤber ſeine Unterredung
mit dem Fraͤulein in der groͤßten Verle-
genheit ließ. John, der ſie nicht aus
dem Geſichte verlohr, war ihr nachgegan-
gen, und ſah, daß ſie in das Zimmer, wo
ihr Oucle und die Graͤfin F* waren, gieng,
gleich beym Eintritt allen Schmuck ihres
Aufſatzes vom Kopfe riß, mit verachtungs-
und ſchmerzensvollen Ausdruͤcken zu Bo-
den warf, ihren Oncle, der ſich ihr naͤ-
herte, mit Abſcheu anſah, und mit der
kummervolleſten Stimme ihn fragte: Wo-
mit habe ich es verdient, daß Sie meine
Ehre und meinen guten Nahmen zum
Opfer der verhaßten Leidenſchaft des Fuͤr-
ſten machten?
Mit zitternden Haͤnden band ſie ihre
Masque loß, riß die Spitzen ihres Hals-
kragens,
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/368>, abgerufen am 21.11.2024.
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