Jch dachte, eine heimliche Liebe, und ich fürchtete mich vor dem Gegenstand, weil du so verborgen warest.
"Mein Bruder glaubte also nicht, daß die Briefe seines Freundes, die er uns vorlas, und alles übrige, was er von dem theuren Mann erzählte, einen Eindruck auf mein Herz machen könnte?"
Liebe Sophie, es war also das Ver- dienst meines Freundes, was dich so be- unruhigte? -- Glücklicher Mann, den ein edles Mädchen wegen seiner Tugend liebt! -- Gott segue meine Schwester für ihre Aufrichtigkeit! nun kann ich das Herz meines Freundes von seinem nagen- den Kummer heilen.
"Thu' alles mein Bruder, was ihn be- friedigen kann; nur schone meiner dabey! du weist, daß ein Mädchen nicht unge- beten lieben darf."
Sey ruhig, mein Kind; deine Ehre ist die meinige.
Hier verließ er sie, gieng zu seiner Gemahlin und theilte ihr das Vergnügen dieser Entdeckung mit. Sodann eilte er
zum
B 4
Jch dachte, eine heimliche Liebe, und ich fuͤrchtete mich vor dem Gegenſtand, weil du ſo verborgen wareſt.
„Mein Bruder glaubte alſo nicht, daß die Briefe ſeines Freundes, die er uns vorlas, und alles uͤbrige, was er von dem theuren Mann erzaͤhlte, einen Eindruck auf mein Herz machen koͤnnte?“
Liebe Sophie, es war alſo das Ver- dienſt meines Freundes, was dich ſo be- unruhigte? — Gluͤcklicher Mann, den ein edles Maͤdchen wegen ſeiner Tugend liebt! — Gott ſegue meine Schweſter fuͤr ihre Aufrichtigkeit! nun kann ich das Herz meines Freundes von ſeinem nagen- den Kummer heilen.
„Thu’ alles mein Bruder, was ihn be- friedigen kann; nur ſchone meiner dabey! du weiſt, daß ein Maͤdchen nicht unge- beten lieben darf.“
Sey ruhig, mein Kind; deine Ehre iſt die meinige.
Hier verließ er ſie, gieng zu ſeiner Gemahlin und theilte ihr das Vergnuͤgen dieſer Entdeckung mit. Sodann eilte er
zum
B 4
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Jch dachte, eine heimliche Liebe, und
ich fuͤrchtete mich vor dem Gegenſtand,
weil du ſo verborgen wareſt.
„Mein Bruder glaubte alſo nicht,
daß die Briefe ſeines Freundes, die er
uns vorlas, und alles uͤbrige, was er
von dem theuren Mann erzaͤhlte, einen
Eindruck auf mein Herz machen koͤnnte?“
Liebe Sophie, es war alſo das Ver-
dienſt meines Freundes, was dich ſo be-
unruhigte? — Gluͤcklicher Mann, den
ein edles Maͤdchen wegen ſeiner Tugend
liebt! — Gott ſegue meine Schweſter
fuͤr ihre Aufrichtigkeit! nun kann ich das
Herz meines Freundes von ſeinem nagen-
den Kummer heilen.
„Thu’ alles mein Bruder, was ihn be-
friedigen kann; nur ſchone meiner dabey!
du weiſt, daß ein Maͤdchen nicht unge-
beten lieben darf.“
Sey ruhig, mein Kind; deine Ehre
iſt die meinige.
Hier verließ er ſie, gieng zu ſeiner
Gemahlin und theilte ihr das Vergnuͤgen
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/49>, abgerufen am 23.11.2024.
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