zum Obersten, welchen er traurig und ernsthaft fand. -- Mancherley Unterre- dungen, die er anfieng, wurden kurz beant- wortet. Eine tödtliche Unruhe war in allen seinen Gebehrden. -- Habe ich Sie gestört, Herr Oberster? sagte der Baron mit der Stimme der zärtlichsten Freund- schaft eines jungen Mannes gegen seinen Führer, indem er den Obersten zugleich bey der Hand faßte.
"Ja, lieber Baron, Sie haben mich in der Entschließung gestört, auf einige Zeit weg zu reisen."
Weg zu reisen? und -- allein? --
"Lieber P., ich bin in einer Gemüths- verfassung, die meinen Umgang unange- nehm macht; ich will sehen, was die Zer- streuung thun kann."
Mein bester Freund! darf ich nicht mehr in ihr Herz sehen? kann ich nichts zu ihrer Ruhe beytragen?
"Sie haben genug für mich gethan! Sie sind die Freude meines Lebens. -- Was mir itzt mangelt, muß die Klugheit und die Zeit bessern."
Stern-
zum Oberſten, welchen er traurig und ernſthaft fand. — Mancherley Unterre- dungen, die er anfieng, wurden kurz beant- wortet. Eine toͤdtliche Unruhe war in allen ſeinen Gebehrden. — Habe ich Sie geſtoͤrt, Herr Oberſter? ſagte der Baron mit der Stimme der zaͤrtlichſten Freund- ſchaft eines jungen Mannes gegen ſeinen Fuͤhrer, indem er den Oberſten zugleich bey der Hand faßte.
„Ja, lieber Baron, Sie haben mich in der Entſchließung geſtoͤrt, auf einige Zeit weg zu reiſen.“
Weg zu reiſen? und — allein? —
„Lieber P., ich bin in einer Gemuͤths- verfaſſung, die meinen Umgang unange- nehm macht; ich will ſehen, was die Zer- ſtreuung thun kann.“
Mein beſter Freund! darf ich nicht mehr in ihr Herz ſehen? kann ich nichts zu ihrer Ruhe beytragen?
„Sie haben genug fuͤr mich gethan! Sie ſind die Freude meines Lebens. — Was mir itzt mangelt, muß die Klugheit und die Zeit beſſern.“
Stern-
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zum Oberſten, welchen er traurig und
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dungen, die er anfieng, wurden kurz beant-
wortet. Eine toͤdtliche Unruhe war in
allen ſeinen Gebehrden. — Habe ich Sie
geſtoͤrt, Herr Oberſter? ſagte der Baron
mit der Stimme der zaͤrtlichſten Freund-
ſchaft eines jungen Mannes gegen ſeinen
Fuͤhrer, indem er den Oberſten zugleich
bey der Hand faßte.
„Ja, lieber Baron, Sie haben mich in
der Entſchließung geſtoͤrt, auf einige Zeit
weg zu reiſen.“
Weg zu reiſen? und — allein? —
„Lieber P., ich bin in einer Gemuͤths-
verfaſſung, die meinen Umgang unange-
nehm macht; ich will ſehen, was die Zer-
ſtreuung thun kann.“
Mein beſter Freund! darf ich nicht
mehr in ihr Herz ſehen? kann ich nichts
zu ihrer Ruhe beytragen?
„Sie haben genug fuͤr mich gethan!
Sie ſind die Freude meines Lebens. —
Was mir itzt mangelt, muß die Klugheit
und die Zeit beſſern.“
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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