[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.gen kann, und mit Emma rede ich von dem, der in dem Zirkel meines englischen Aufenthalts sichtbar wird; aber ich kann mich nicht verhindern die Länge des We- ges abzumessen, den meine armen Briefe durchlaufen müssen, bis sie zu Jhnen kommen, und zu fühlen, daß diese Ent- fernung der liebsten Gewohnheit meines Herzens schmerzlich fällt. Vielleicht, meine Emilia, bin ich bestimmt die ganze Reyhe moralischer Empfindnisse durchzu- gehen, und werde dadurch geschickt, mit schneller Genauigkeit ihre mannichfaltige Grade und Nüancen im bittern und süßen zu bemerken. Jch will mich auch diesem Theile meines Geschickes gerne unterwer- fen, wenn ich nur zugleich den nehmli- chen Grad von Fühlbarkeit für alles Weh und Wohl meines Nächsten behalte, und, so viel ich kann, seine Leiden zu vermin- dern suche. Lady Summers hat zu gleicher Zeit für eine L 2
gen kann, und mit Emma rede ich von dem, der in dem Zirkel meines engliſchen Aufenthalts ſichtbar wird; aber ich kann mich nicht verhindern die Laͤnge des We- ges abzumeſſen, den meine armen Briefe durchlaufen muͤſſen, bis ſie zu Jhnen kommen, und zu fuͤhlen, daß dieſe Ent- fernung der liebſten Gewohnheit meines Herzens ſchmerzlich faͤllt. Vielleicht, meine Emilia, bin ich beſtimmt die ganze Reyhe moraliſcher Empfindniſſe durchzu- gehen, und werde dadurch geſchickt, mit ſchneller Genauigkeit ihre mannichfaltige Grade und Nuͤancen im bittern und ſuͤßen zu bemerken. Jch will mich auch dieſem Theile meines Geſchickes gerne unterwer- fen, wenn ich nur zugleich den nehmli- chen Grad von Fuͤhlbarkeit fuͤr alles Weh und Wohl meines Naͤchſten behalte, und, ſo viel ich kann, ſeine Leiden zu vermin- dern ſuche. Lady Summers hat zu gleicher Zeit fuͤr eine L 2
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Theile meiner Seele, den ich hier nicht gei-
gen kann, und mit Emma rede ich von
dem, der in dem Zirkel meines engliſchen
Aufenthalts ſichtbar wird; aber ich kann
mich nicht verhindern die Laͤnge des We-
ges abzumeſſen, den meine armen Briefe
durchlaufen muͤſſen, bis ſie zu Jhnen
kommen, und zu fuͤhlen, daß dieſe Ent-
fernung der liebſten Gewohnheit meines
Herzens ſchmerzlich faͤllt. Vielleicht,
meine Emilia, bin ich beſtimmt die ganze
Reyhe moraliſcher Empfindniſſe durchzu-
gehen, und werde dadurch geſchickt, mit
ſchneller Genauigkeit ihre mannichfaltige
Grade und Nuͤancen im bittern und ſuͤßen
zu bemerken. Jch will mich auch dieſem
Theile meines Geſchickes gerne unterwer-
fen, wenn ich nur zugleich den nehmli-
chen Grad von Fuͤhlbarkeit fuͤr alles Weh
und Wohl meines Naͤchſten behalte, und,
ſo viel ich kann, ſeine Leiden zu vermin-
dern ſuche.
Lady Summers hat zu gleicher Zeit fuͤr
ihre Ehre und fuͤr meinen vermutheten
Stolz zu ſorgen geglaubt, da ſie mich als
eine
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