erste Schaufel voll Sand durch einen meiner Leute vom Grab gehoben wurde, durchbohrte meine Seele; ich schloß mei- ne Arme um ihn, und erhob meine Au- gen zum Himmel, um Stärke für ihn und mich zu erflehen. Den nehmlichen Augenblick aber, fielen Mann, Frau, und Sohn vor uns auf die Knie, und baten um unsern Schutz. Jch gerieth in die äußerste Bestürzung, weil ich mich vor der Entdeckung eines an der Dame verübten Mords fürchtete. -- Leute! was wollt ihr, was soll euer Rufen um Schutz? "Wir haben unsern Lord betro- gen, riefen sie; die Frau ist nicht gestor- ben, sie ist fort." -- wohin, Leute, wo- hin, rief ich; betrügt ihr uns nicht? -- "Nein, guter Lord, sie ist bey des Gra- fen Hoptons Schwester; diese hat sie zu sich genommen, und gesagt, wir sollten dem Lord melden, sie wäre todt; wir hat- ten die Frau lieb, und ließen sie gehen; aber wenn es nun der Lord erfährt, so wird er Rache an uns nehmen. Sey- mour umarmte den Mann mit lautem
Freu-
R 3
erſte Schaufel voll Sand durch einen meiner Leute vom Grab gehoben wurde, durchbohrte meine Seele; ich ſchloß mei- ne Arme um ihn, und erhob meine Au- gen zum Himmel, um Staͤrke fuͤr ihn und mich zu erflehen. Den nehmlichen Augenblick aber, fielen Mann, Frau, und Sohn vor uns auf die Knie, und baten um unſern Schutz. Jch gerieth in die aͤußerſte Beſtuͤrzung, weil ich mich vor der Entdeckung eines an der Dame veruͤbten Mords fuͤrchtete. — Leute! was wollt ihr, was ſoll euer Rufen um Schutz? „Wir haben unſern Lord betro- gen, riefen ſie; die Frau iſt nicht geſtor- ben, ſie iſt fort.“ — wohin, Leute, wo- hin, rief ich; betruͤgt ihr uns nicht? — „Nein, guter Lord, ſie iſt bey des Gra- fen Hoptons Schweſter; dieſe hat ſie zu ſich genommen, und geſagt, wir ſollten dem Lord melden, ſie waͤre todt; wir hat- ten die Frau lieb, und ließen ſie gehen; aber wenn es nun der Lord erfaͤhrt, ſo wird er Rache an uns nehmen. Sey- mour umarmte den Mann mit lautem
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erſte Schaufel voll Sand durch einen
meiner Leute vom Grab gehoben wurde,
durchbohrte meine Seele; ich ſchloß mei-
ne Arme um ihn, und erhob meine Au-
gen zum Himmel, um Staͤrke fuͤr ihn
und mich zu erflehen. Den nehmlichen
Augenblick aber, fielen Mann, Frau,
und Sohn vor uns auf die Knie, und
baten um unſern Schutz. Jch gerieth in
die aͤußerſte Beſtuͤrzung, weil ich mich
vor der Entdeckung eines an der Dame
veruͤbten Mords fuͤrchtete. — Leute!
was wollt ihr, was ſoll euer Rufen um
Schutz? „Wir haben unſern Lord betro-
gen, riefen ſie; die Frau iſt nicht geſtor-
ben, ſie iſt fort.“ — wohin, Leute, wo-
hin, rief ich; betruͤgt ihr uns nicht? —
„Nein, guter Lord, ſie iſt bey des Gra-
fen Hoptons Schweſter; dieſe hat ſie zu
ſich genommen, und geſagt, wir ſollten
dem Lord melden, ſie waͤre todt; wir hat-
ten die Frau lieb, und ließen ſie gehen;
aber wenn es nun der Lord erfaͤhrt, ſo
wird er Rache an uns nehmen. Sey-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/267>, abgerufen am 22.11.2024.
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