Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Freund Rich! -- Eine Thräne zitterte
in ihren Augen, indem sie sagte: "Lord
Derby ist grausam, sehr grausam mit mir
nmgegangen. Gott vergebe es ihm; ich
will es von Herzen gerne thun -- aber --
sehen kann ich ihn niemals wieder, sein
Anblick würde mir tödtlich seyn. -- Jhr
Kopf sank mit ihrer sinkenden Stimme bey
den letzten Worten auf ihre Brust. Mein
Seymour fühlte die rührende Verlegen-
heit dieser reinen Seele, und gieng mit
sich kämpfend ins Fenster -- Lady
Sternheim stund auf und verließ uns;
Seymour und ich sahen ihr bewundernd
nach. Nur in schottische Leinwand ge-
kleidet, war sie reizend schön durch
ihren nach dem vollkommensten Eben-
maaß gebildeten Wuchs, und den schön-
sten Anstand in Gang und Bewegung;
und ob sie schon hager und blaß gewor-
den, so war dennoch ihre ganze Seele
mit aller ihrer Schönheit und Würde in
ihren Zügen ausgedrückt. Seymour und
ich sagten der Gräfinn Douglaß alles, was
die Lady Sternheim angieng, und sie er-
zählte uns hingegen was sie von ihr wußte,

seitdem
S 4

Freund Rich! — Eine Thraͤne zitterte
in ihren Augen, indem ſie ſagte: „Lord
Derby iſt grauſam, ſehr grauſam mit mir
nmgegangen. Gott vergebe es ihm; ich
will es von Herzen gerne thun — aber —
ſehen kann ich ihn niemals wieder, ſein
Anblick wuͤrde mir toͤdtlich ſeyn. — Jhr
Kopf ſank mit ihrer ſinkenden Stimme bey
den letzten Worten auf ihre Bruſt. Mein
Seymour fuͤhlte die ruͤhrende Verlegen-
heit dieſer reinen Seele, und gieng mit
ſich kaͤmpfend ins Fenſter — Lady
Sternheim ſtund auf und verließ uns;
Seymour und ich ſahen ihr bewundernd
nach. Nur in ſchottiſche Leinwand ge-
kleidet, war ſie reizend ſchoͤn durch
ihren nach dem vollkommenſten Eben-
maaß gebildeten Wuchs, und den ſchoͤn-
ſten Anſtand in Gang und Bewegung;
und ob ſie ſchon hager und blaß gewor-
den, ſo war dennoch ihre ganze Seele
mit aller ihrer Schoͤnheit und Wuͤrde in
ihren Zuͤgen ausgedruͤckt. Seymour und
ich ſagten der Graͤfinn Douglaß alles, was
die Lady Sternheim angieng, und ſie er-
zaͤhlte uns hingegen was ſie von ihr wußte,

ſeitdem
S 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0285" n="279"/>
Freund Rich! &#x2014; Eine Thra&#x0364;ne zitterte<lb/>
in ihren Augen, indem &#x017F;ie &#x017F;agte: &#x201E;Lord<lb/>
Derby i&#x017F;t grau&#x017F;am, &#x017F;ehr grau&#x017F;am mit mir<lb/>
nmgegangen. Gott vergebe es ihm; ich<lb/>
will es von Herzen gerne thun &#x2014; aber &#x2014;<lb/>
&#x017F;ehen kann ich ihn niemals wieder, &#x017F;ein<lb/>
Anblick wu&#x0364;rde mir to&#x0364;dtlich &#x017F;eyn. &#x2014; Jhr<lb/>
Kopf &#x017F;ank mit ihrer &#x017F;inkenden Stimme bey<lb/>
den letzten Worten auf ihre Bru&#x017F;t. Mein<lb/>
Seymour fu&#x0364;hlte die ru&#x0364;hrende Verlegen-<lb/>
heit die&#x017F;er reinen Seele, und gieng mit<lb/>
&#x017F;ich ka&#x0364;mpfend ins Fen&#x017F;ter &#x2014; Lady<lb/>
Sternheim &#x017F;tund auf und verließ uns;<lb/>
Seymour und ich &#x017F;ahen ihr bewundernd<lb/>
nach. Nur in &#x017F;chotti&#x017F;che Leinwand ge-<lb/>
kleidet, war &#x017F;ie reizend &#x017F;cho&#x0364;n durch<lb/>
ihren nach dem vollkommen&#x017F;ten Eben-<lb/>
maaß gebildeten Wuchs, und den &#x017F;cho&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;ten An&#x017F;tand in Gang und Bewegung;<lb/>
und ob &#x017F;ie &#x017F;chon hager und blaß gewor-<lb/>
den, &#x017F;o war dennoch ihre ganze Seele<lb/>
mit aller ihrer Scho&#x0364;nheit und Wu&#x0364;rde in<lb/>
ihren Zu&#x0364;gen ausgedru&#x0364;ckt. Seymour und<lb/>
ich &#x017F;agten der Gra&#x0364;finn Douglaß alles, was<lb/>
die Lady Sternheim angieng, und &#x017F;ie er-<lb/>
za&#x0364;hlte uns hingegen was &#x017F;ie von ihr wußte,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S 4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;eitdem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0285] Freund Rich! — Eine Thraͤne zitterte in ihren Augen, indem ſie ſagte: „Lord Derby iſt grauſam, ſehr grauſam mit mir nmgegangen. Gott vergebe es ihm; ich will es von Herzen gerne thun — aber — ſehen kann ich ihn niemals wieder, ſein Anblick wuͤrde mir toͤdtlich ſeyn. — Jhr Kopf ſank mit ihrer ſinkenden Stimme bey den letzten Worten auf ihre Bruſt. Mein Seymour fuͤhlte die ruͤhrende Verlegen- heit dieſer reinen Seele, und gieng mit ſich kaͤmpfend ins Fenſter — Lady Sternheim ſtund auf und verließ uns; Seymour und ich ſahen ihr bewundernd nach. Nur in ſchottiſche Leinwand ge- kleidet, war ſie reizend ſchoͤn durch ihren nach dem vollkommenſten Eben- maaß gebildeten Wuchs, und den ſchoͤn- ſten Anſtand in Gang und Bewegung; und ob ſie ſchon hager und blaß gewor- den, ſo war dennoch ihre ganze Seele mit aller ihrer Schoͤnheit und Wuͤrde in ihren Zuͤgen ausgedruͤckt. Seymour und ich ſagten der Graͤfinn Douglaß alles, was die Lady Sternheim angieng, und ſie er- zaͤhlte uns hingegen was ſie von ihr wußte, ſeitdem S 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/285
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/285>, abgerufen am 22.11.2024.