Jch bin wieder in Seymourhouse, weil mir ohne die Familie meines Bruders die ganze Erde leer ist. Mit tausendfachen geistigen Banden hat mich die Lady Sey- mour gefesselt, und die Herbsttage meines Lebens wurden so glühend, daß unsere Reise mich beynahe mein Leben kostete. Jch sah sie in Summerhall; zu Vaels bey ihrer Emilia; in ihrem Gesindhause; in D * bey Hofe; in Sternheim bey ihren Unterthanen; bey dem Grabe ihrer Ael- tern! -- die anbetungswürdige Frau! Jn allen Gelegenheiten, in allen Stel- len, wohin der Lauf des Lebens sie führt, zeigt sie sich als das ächte Urbild des wah- ren weiblichen Genies, und der übenden Tugenden ihres Geschlechts. -- Auf unse- rer Rückreise wurde sie Mutter; -- und was für eine Mutter! O Doctor! ich hätte mehr, viel mehr als Mensch seyn müssen; wenn der Wunsch, sie zu meiner Gattinn, zu der Mutter meiner Kinder zu haben, nicht tausendmal in meinem Her-
zen
Mylord Rich an Doctor T.
Jch bin wieder in Seymourhouſe, weil mir ohne die Familie meines Bruders die ganze Erde leer iſt. Mit tauſendfachen geiſtigen Banden hat mich die Lady Sey- mour gefeſſelt, und die Herbſttage meines Lebens wurden ſo gluͤhend, daß unſere Reiſe mich beynahe mein Leben koſtete. Jch ſah ſie in Summerhall; zu Vaels bey ihrer Emilia; in ihrem Geſindhauſe; in D * bey Hofe; in Sternheim bey ihren Unterthanen; bey dem Grabe ihrer Ael- tern! — die anbetungswuͤrdige Frau! Jn allen Gelegenheiten, in allen Stel- len, wohin der Lauf des Lebens ſie fuͤhrt, zeigt ſie ſich als das aͤchte Urbild des wah- ren weiblichen Genies, und der uͤbenden Tugenden ihres Geſchlechts. — Auf unſe- rer Ruͤckreiſe wurde ſie Mutter; — und was fuͤr eine Mutter! O Doctor! ich haͤtte mehr, viel mehr als Menſch ſeyn muͤſſen; wenn der Wunſch, ſie zu meiner Gattinn, zu der Mutter meiner Kinder zu haben, nicht tauſendmal in meinem Her-
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Mylord Rich an Doctor T.
Jch bin wieder in Seymourhouſe, weil
mir ohne die Familie meines Bruders die
ganze Erde leer iſt. Mit tauſendfachen
geiſtigen Banden hat mich die Lady Sey-
mour gefeſſelt, und die Herbſttage meines
Lebens wurden ſo gluͤhend, daß unſere
Reiſe mich beynahe mein Leben koſtete.
Jch ſah ſie in Summerhall; zu Vaels bey
ihrer Emilia; in ihrem Geſindhauſe; in
D * bey Hofe; in Sternheim bey ihren
Unterthanen; bey dem Grabe ihrer Ael-
tern! — die anbetungswuͤrdige Frau!
Jn allen Gelegenheiten, in allen Stel-
len, wohin der Lauf des Lebens ſie fuͤhrt,
zeigt ſie ſich als das aͤchte Urbild des wah-
ren weiblichen Genies, und der uͤbenden
Tugenden ihres Geſchlechts. — Auf unſe-
rer Ruͤckreiſe wurde ſie Mutter; — und
was fuͤr eine Mutter! O Doctor! ich
haͤtte mehr, viel mehr als Menſch ſeyn
muͤſſen; wenn der Wunſch, ſie zu meiner
Gattinn, zu der Mutter meiner Kinder
zu haben, nicht tauſendmal in meinem Her-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/302>, abgerufen am 22.11.2024.
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