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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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Jmputation einer feigen Handlungsweise schuldete. Es ist
mir in dieser Hinsicht sogar durch das verurtheilende Urtheil
selbst, durch die Anerkennung, daß der Vortrag allerdings und
wesentlich ein rein wissenschaftlicher war, aber trotzdem strafbar
sein soll, hier also jedenfalls von keinem dolosen Schein die
Rede ist, bereits die erforderliche Genugthuung gegeben worden.

Aber selbst abgesehen von dieser besonders unpassenden
Weise, in welcher die Staatsanwaltschaft damals und zwar schon
im Anklageacte ihren Angriff zu motiviren versuchte, befand ich
mich damals in der That, und wohl mit vollem Recht, in einer
erregten Stimmung. Versetzen Sie sich einen Augenblick in
meine Lage, meine Herren, in die Lage eines Gelehrten. Die
Zeit, welche andere dem Genusse und der Sucht nach Bereiche-
rung widmen, wird von ihm mühsamen Studien geweiht. Jn
den langen, bei dem Scheine seiner Lampe verbrachten Nächten
hält seinen Körper das Eine wach: der Durst nach Wahrheit
und das Bewußtsein, seinen Mitmenschen einen Dienst zu er-
weisen. Dieser Dienst vergilt sich nicht; weder durch äußere
Vortheile, noch durch Anerkennung. Er rechnet auch nicht auf
solche und begehrt sie nicht. Er hat aus der Geschichte gelernt,
daß die Anerkennung eine Pflanze ist, welche nur auf Gräbern
wuchert! Aber während er eben in angestrengte Meditationen
verloren, wird er durch den Ruf geweckt und aus seinen Arbeiten
aufgeschreckt, daß er vor die Tribunale gerissen ist, daß er für
eben das, woran er uneigennützig seine beste Kraft gesetzt, und
wodurch er -- der einzige Lohn, der ihm wird -- in seinem
stillen Bewußtsein der Gesellschaft einen Dienst erwiesen zu
haben weiß, jetzt als Verbrecher bestraft werden soll!
Können Sie sich da wundern, meine Herren, daß der so Auf-
geschreckte entrüstet auffährt, die Wissenschaft zu einem blanken
Stahle schmiedet und erbittert um sich schlägt?

Das war also die naturgemäße und nothwendige Wirkung
jener Anklage. Durch das verurtheilende Urtheil sollte, scheint
es, diese Entrüstung sich nur noch gesteigert haben. Statt dessen
ist sie gerade dadurch umgeschlagen, umgeschlagen in eine andere
Stimmung, die hier näher darzulegen überflüssig ist, da sie, wenn
ich anders nicht ein zu großes Vertrauen auf die Macht der
Wahrheit setze, noch im Laufe dieses Plaidoyers Sie selbst ergrei-
fen soll, meine Herren!

Wie aus dem Vorhergesagten hervorgeht, werde ich also

Jmputation einer feigen Handlungsweiſe ſchuldete. Es iſt
mir in dieſer Hinſicht ſogar durch das verurtheilende Urtheil
ſelbſt, durch die Anerkennung, daß der Vortrag allerdings und
weſentlich ein rein wiſſenſchaftlicher war, aber trotzdem ſtrafbar
ſein ſoll, hier alſo jedenfalls von keinem doloſen Schein die
Rede iſt, bereits die erforderliche Genugthuung gegeben worden.

Aber ſelbſt abgeſehen von dieſer beſonders unpaſſenden
Weiſe, in welcher die Staatsanwaltſchaft damals und zwar ſchon
im Anklageacte ihren Angriff zu motiviren verſuchte, befand ich
mich damals in der That, und wohl mit vollem Recht, in einer
erregten Stimmung. Verſetzen Sie ſich einen Augenblick in
meine Lage, meine Herren, in die Lage eines Gelehrten. Die
Zeit, welche andere dem Genuſſe und der Sucht nach Bereiche-
rung widmen, wird von ihm mühſamen Studien geweiht. Jn
den langen, bei dem Scheine ſeiner Lampe verbrachten Nächten
hält ſeinen Körper das Eine wach: der Durſt nach Wahrheit
und das Bewußtſein, ſeinen Mitmenſchen einen Dienſt zu er-
weiſen. Dieſer Dienſt vergilt ſich nicht; weder durch äußere
Vortheile, noch durch Anerkennung. Er rechnet auch nicht auf
ſolche und begehrt ſie nicht. Er hat aus der Geſchichte gelernt,
daß die Anerkennung eine Pflanze iſt, welche nur auf Gräbern
wuchert! Aber während er eben in angeſtrengte Meditationen
verloren, wird er durch den Ruf geweckt und aus ſeinen Arbeiten
aufgeſchreckt, daß er vor die Tribunale geriſſen iſt, daß er für
eben das, woran er uneigennützig ſeine beſte Kraft geſetzt, und
wodurch er — der einzige Lohn, der ihm wird — in ſeinem
ſtillen Bewußtſein der Geſellſchaft einen Dienſt erwieſen zu
haben weiß, jetzt als Verbrecher beſtraft werden ſoll!
Können Sie ſich da wundern, meine Herren, daß der ſo Auf-
geſchreckte entrüſtet auffährt, die Wiſſenſchaft zu einem blanken
Stahle ſchmiedet und erbittert um ſich ſchlägt?

Das war alſo die naturgemäße und nothwendige Wirkung
jener Anklage. Durch das verurtheilende Urtheil ſollte, ſcheint
es, dieſe Entrüſtung ſich nur noch geſteigert haben. Statt deſſen
iſt ſie gerade dadurch umgeſchlagen, umgeſchlagen in eine andere
Stimmung, die hier näher darzulegen überflüſſig iſt, da ſie, wenn
ich anders nicht ein zu großes Vertrauen auf die Macht der
Wahrheit ſetze, noch im Laufe dieſes Plaidoyers Sie ſelbſt ergrei-
fen ſoll, meine Herren!

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[4/0010] Jmputation einer feigen Handlungsweiſe ſchuldete. Es iſt mir in dieſer Hinſicht ſogar durch das verurtheilende Urtheil ſelbſt, durch die Anerkennung, daß der Vortrag allerdings und weſentlich ein rein wiſſenſchaftlicher war, aber trotzdem ſtrafbar ſein ſoll, hier alſo jedenfalls von keinem doloſen Schein die Rede iſt, bereits die erforderliche Genugthuung gegeben worden. Aber ſelbſt abgeſehen von dieſer beſonders unpaſſenden Weiſe, in welcher die Staatsanwaltſchaft damals und zwar ſchon im Anklageacte ihren Angriff zu motiviren verſuchte, befand ich mich damals in der That, und wohl mit vollem Recht, in einer erregten Stimmung. Verſetzen Sie ſich einen Augenblick in meine Lage, meine Herren, in die Lage eines Gelehrten. Die Zeit, welche andere dem Genuſſe und der Sucht nach Bereiche- rung widmen, wird von ihm mühſamen Studien geweiht. Jn den langen, bei dem Scheine ſeiner Lampe verbrachten Nächten hält ſeinen Körper das Eine wach: der Durſt nach Wahrheit und das Bewußtſein, ſeinen Mitmenſchen einen Dienſt zu er- weiſen. Dieſer Dienſt vergilt ſich nicht; weder durch äußere Vortheile, noch durch Anerkennung. Er rechnet auch nicht auf ſolche und begehrt ſie nicht. Er hat aus der Geſchichte gelernt, daß die Anerkennung eine Pflanze iſt, welche nur auf Gräbern wuchert! Aber während er eben in angeſtrengte Meditationen verloren, wird er durch den Ruf geweckt und aus ſeinen Arbeiten aufgeſchreckt, daß er vor die Tribunale geriſſen iſt, daß er für eben das, woran er uneigennützig ſeine beſte Kraft geſetzt, und wodurch er — der einzige Lohn, der ihm wird — in ſeinem ſtillen Bewußtſein der Geſellſchaft einen Dienſt erwieſen zu haben weiß, jetzt als Verbrecher beſtraft werden ſoll! Können Sie ſich da wundern, meine Herren, daß der ſo Auf- geſchreckte entrüſtet auffährt, die Wiſſenſchaft zu einem blanken Stahle ſchmiedet und erbittert um ſich ſchlägt? Das war alſo die naturgemäße und nothwendige Wirkung jener Anklage. Durch das verurtheilende Urtheil ſollte, ſcheint es, dieſe Entrüſtung ſich nur noch geſteigert haben. Statt deſſen iſt ſie gerade dadurch umgeſchlagen, umgeſchlagen in eine andere Stimmung, die hier näher darzulegen überflüſſig iſt, da ſie, wenn ich anders nicht ein zu großes Vertrauen auf die Macht der Wahrheit ſetze, noch im Laufe dieſes Plaidoyers Sie ſelbſt ergrei- fen ſoll, meine Herren! Wie aus dem Vorhergeſagten hervorgeht, werde ich alſo

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/10>, abgerufen am 23.11.2024.