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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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offen erklären, daß sie steuerfrei sein will. Jhr ausgesprochenes
Princip ist vielmehr in der Regel, daß ein Jeder im Verhältniß
zu seinem Einkommen steuern solle. Aber sie erreicht wiederum,
mindestens so gut es geht, dasselbe Resultat in verkappter
Form durch die Unterscheidung von directen und indirecten
Steuern.

Directe Steuern, meine Herren, sind solche, welche, wie die
klassificirte Einkommensteuer oder die Klassensteuer, vom Ein-
kommen erhoben werden und sich daher nach der Größe des Ein-
kommens und Kapitalbesitzes bestimmen. Jndirecte Steuern
aber sind solche, die auf irgend welche Bedürfnisse, z. B. auf
Salz, Getreide, Bier, Fleisch, Heizungsmaterial, oder z. B. auf
Bedürfniß nach Rechtsschutz, Justizkosten, Stempelbogen etc.
gelegt werden, und die sehr häufig der Einzelne in dem Preise
der Dinge bezahlt, ohne zu wissen und zu merken, daß er jetzt
steuert, daß es die Steuer ist, welche ihm den Preis der Dinge
vertheuert.

Nun wird Jhnen bekannt sein, meine Herren, daß Jemand,
der 20-, 50-, 100mal so reich ist, als ein anderer, deshalb
durchaus nicht 20-, 50-, 100mal so viel Salz, Brod, Fleisch,
50- oder 100mal so viel Bier oder Wein trinkt, 50- oder 100mal
so viel Bedürfniß nach Ofenwärme und also nach Heizungs-
material hat, wie ein Arbeiter oder Kleinbürger.

Hierdurch kommt es, daß der Betrag aller indirecten
Steuern, statt die Jndividuen nach Verhältniß ihres Kapitals
und Einkommens zu treffen, seinem bei weitem größten Theile
nach von den Unbemittelten, von den ärmeren Klassen der
Nation gezahlt wird. Nun hat zwar die Bourgeoisie die in-
directen Steuern nicht eigentlich erfunden; sie existirten schon
früher. Aber die Bourgeoisie hat sie erst zu einem unerhörten
Systeme entwickelt und ihnen beinahe den gesammten Betrag
der Staatsbedürfnisse aufgebürdet.

Jch werfe, um Jhnen dies zu zeigen, z. B. einen Blick auf
den preußischen Staatshaushalt des Jahres 1855.

Die Gesammteinnahmen des Staats in diesem Jahre be-
trugen in runder Summe 108,930,000 Thaler. Davon gehen
ab, aus den Domänen und Forsten fließend, also ein Staats-
einkommen aus Besitzungen, das hier nicht in Betracht kommen
kann, 11,967,000 Thaler. Es bleiben also ca. 97 Millionen
anderweitiger Staatseinnahmen übrig. Von diesen Einnahmen

offen erklären, daß ſie ſteuerfrei ſein will. Jhr ausgeſprochenes
Princip iſt vielmehr in der Regel, daß ein Jeder im Verhältniß
zu ſeinem Einkommen ſteuern ſolle. Aber ſie erreicht wiederum,
mindeſtens ſo gut es geht, daſſelbe Reſultat in verkappter
Form durch die Unterſcheidung von directen und indirecten
Steuern.

Directe Steuern, meine Herren, ſind ſolche, welche, wie die
klaſſificirte Einkommenſteuer oder die Klaſſenſteuer, vom Ein-
kommen erhoben werden und ſich daher nach der Größe des Ein-
kommens und Kapitalbeſitzes beſtimmen. Jndirecte Steuern
aber ſind ſolche, die auf irgend welche Bedürfniſſe, z. B. auf
Salz, Getreide, Bier, Fleiſch, Heizungsmaterial, oder z. B. auf
Bedürfniß nach Rechtsſchutz, Juſtizkoſten, Stempelbogen ꝛc.
gelegt werden, und die ſehr häufig der Einzelne in dem Preiſe
der Dinge bezahlt, ohne zu wiſſen und zu merken, daß er jetzt
ſteuert, daß es die Steuer iſt, welche ihm den Preis der Dinge
vertheuert.

Nun wird Jhnen bekannt ſein, meine Herren, daß Jemand,
der 20-, 50-, 100mal ſo reich iſt, als ein anderer, deshalb
durchaus nicht 20-, 50-, 100mal ſo viel Salz, Brod, Fleiſch,
50- oder 100mal ſo viel Bier oder Wein trinkt, 50- oder 100mal
ſo viel Bedürfniß nach Ofenwärme und alſo nach Heizungs-
material hat, wie ein Arbeiter oder Kleinbürger.

Hierdurch kommt es, daß der Betrag aller indirecten
Steuern, ſtatt die Jndividuen nach Verhältniß ihres Kapitals
und Einkommens zu treffen, ſeinem bei weitem größten Theile
nach von den Unbemittelten, von den ärmeren Klaſſen der
Nation gezahlt wird. Nun hat zwar die Bourgeoiſie die in-
directen Steuern nicht eigentlich erfunden; ſie exiſtirten ſchon
früher. Aber die Bourgeoiſie hat ſie erſt zu einem unerhörten
Syſteme entwickelt und ihnen beinahe den geſammten Betrag
der Staatsbedürfniſſe aufgebürdet.

Jch werfe, um Jhnen dies zu zeigen, z. B. einen Blick auf
den preußiſchen Staatshaushalt des Jahres 1855.

Die Geſammteinnahmen des Staats in dieſem Jahre be-
trugen in runder Summe 108,930,000 Thaler. Davon gehen
ab, aus den Domänen und Forſten fließend, alſo ein Staats-
einkommen aus Beſitzungen, das hier nicht in Betracht kommen
kann, 11,967,000 Thaler. Es bleiben alſo ca. 97 Millionen
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[6/0012] offen erklären, daß ſie ſteuerfrei ſein will. Jhr ausgeſprochenes Princip iſt vielmehr in der Regel, daß ein Jeder im Verhältniß zu ſeinem Einkommen ſteuern ſolle. Aber ſie erreicht wiederum, mindeſtens ſo gut es geht, daſſelbe Reſultat in verkappter Form durch die Unterſcheidung von directen und indirecten Steuern. Directe Steuern, meine Herren, ſind ſolche, welche, wie die klaſſificirte Einkommenſteuer oder die Klaſſenſteuer, vom Ein- kommen erhoben werden und ſich daher nach der Größe des Ein- kommens und Kapitalbeſitzes beſtimmen. Jndirecte Steuern aber ſind ſolche, die auf irgend welche Bedürfniſſe, z. B. auf Salz, Getreide, Bier, Fleiſch, Heizungsmaterial, oder z. B. auf Bedürfniß nach Rechtsſchutz, Juſtizkoſten, Stempelbogen ꝛc. gelegt werden, und die ſehr häufig der Einzelne in dem Preiſe der Dinge bezahlt, ohne zu wiſſen und zu merken, daß er jetzt ſteuert, daß es die Steuer iſt, welche ihm den Preis der Dinge vertheuert. Nun wird Jhnen bekannt ſein, meine Herren, daß Jemand, der 20-, 50-, 100mal ſo reich iſt, als ein anderer, deshalb durchaus nicht 20-, 50-, 100mal ſo viel Salz, Brod, Fleiſch, 50- oder 100mal ſo viel Bier oder Wein trinkt, 50- oder 100mal ſo viel Bedürfniß nach Ofenwärme und alſo nach Heizungs- material hat, wie ein Arbeiter oder Kleinbürger. Hierdurch kommt es, daß der Betrag aller indirecten Steuern, ſtatt die Jndividuen nach Verhältniß ihres Kapitals und Einkommens zu treffen, ſeinem bei weitem größten Theile nach von den Unbemittelten, von den ärmeren Klaſſen der Nation gezahlt wird. Nun hat zwar die Bourgeoiſie die in- directen Steuern nicht eigentlich erfunden; ſie exiſtirten ſchon früher. Aber die Bourgeoiſie hat ſie erſt zu einem unerhörten Syſteme entwickelt und ihnen beinahe den geſammten Betrag der Staatsbedürfniſſe aufgebürdet. Jch werfe, um Jhnen dies zu zeigen, z. B. einen Blick auf den preußiſchen Staatshaushalt des Jahres 1855. Die Geſammteinnahmen des Staats in dieſem Jahre be- trugen in runder Summe 108,930,000 Thaler. Davon gehen ab, aus den Domänen und Forſten fließend, alſo ein Staats- einkommen aus Beſitzungen, das hier nicht in Betracht kommen kann, 11,967,000 Thaler. Es bleiben alſo ca. 97 Millionen anderweitiger Staatseinnahmen übrig. Von dieſen Einnahmen

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/12>, abgerufen am 27.04.2024.