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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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schaft begnügte ich mich. Jch hätte es für Unrecht, für meiner
nicht angemessen erachtet, mich meiner natürlichen Ueberlegen-
heit in einer Wissenschaft, in der ich seit langen Jahren zu
Hause bin, zu bedienen, um durch detaillirteres Eingehen
dem Staatsanwalt peinlich fühlbar zu machen, wie wenig
der von ihm zum Zweck einer Anklage etwa gemachte
dilettantische Ausflug auf ein ihm fremdes fachwissenschaftliches
Gebiet ausreicht, um Jemand in den Stand zu setzen, ein Urtheil
in demselben zu haben.

Besonders aber: fast hätte es mir geschienen, eine Art von
moralischer Beleidigung gegen das Richtercollegium in sich zu
schließen, wenn ich demselben erst eingehendere Beweise über
Dinge vortragen wollte, die seit mehr als 100 Jahren in allen
Compendien zu lesen sind.

Zwar hatte ich kein Recht bei dem Collegium eine fach-
wissenschaftliche Kenntniß der Nationalökonomie und Statistik
vorauszusetzen. Aber Dinge, die seit undenklichen Zeiten so all-
gemein anerkannt sind, wie das, was ich über die indirecten
Steuern sage, die schienen mir nothwendig, mindestens in ihrem
allgemeinen Resultat, durch äußerliches Vernehmen zur Kenntniß
des Richtercollegiums gekommen sein zu müssen und ich hielt es
daher für eben so überflüssig als absurd, für so triviale Dinge,
die längst Gemeingut aller Compendien geworden, erst einen
ernsthaften Beweis antreten zu sollen.

Jch hatte Unrecht, meine Herren, und es ist nichts natür-
licher, als daß ich Unrecht hatte. Wir, die wir unser Leben den
Studien geweiht haben, wissen Manches und Vieles. Aber in
Einem Punkte bleiben wir gerade dadurch ewig unwissend wie
Kinder: wir haben niemals eine Ahnung davon, wieviel die
Andern nicht wissen!

Jn der That trat das publicirte Urtheil durchaus
den Ausführungen des Staatsanwalts bei, indem es ausdrücklich
das, was ich über die indirecten Steuern sagte, für nicht wahr
erklärte; ausdrücklich erklärte, daß die Last der indirecten Steuern
nicht in der Weise die ärmere Klasse treffe, wie ich aufgestellt.

Dies ist zugleich auch der Grund, aus welchem das publi-
cirte Urtheil meinen Vortrag zwar für im Wesentlichen rein
wissenschaftlich, aber für nicht durchweg rein wissenschaftlich
erklärt, weil er nämlich in dem, was ich über die indirecten

ſchaft begnügte ich mich. Jch hätte es für Unrecht, für meiner
nicht angemeſſen erachtet, mich meiner natürlichen Ueberlegen-
heit in einer Wiſſenſchaft, in der ich ſeit langen Jahren zu
Hauſe bin, zu bedienen, um durch detaillirteres Eingehen
dem Staatsanwalt peinlich fühlbar zu machen, wie wenig
der von ihm zum Zweck einer Anklage etwa gemachte
dilettantiſche Ausflug auf ein ihm fremdes fachwiſſenſchaftliches
Gebiet ausreicht, um Jemand in den Stand zu ſetzen, ein Urtheil
in demſelben zu haben.

Beſonders aber: faſt hätte es mir geſchienen, eine Art von
moraliſcher Beleidigung gegen das Richtercollegium in ſich zu
ſchließen, wenn ich demſelben erſt eingehendere Beweiſe über
Dinge vortragen wollte, die ſeit mehr als 100 Jahren in allen
Compendien zu leſen ſind.

Zwar hatte ich kein Recht bei dem Collegium eine fach-
wiſſenſchaftliche Kenntniß der Nationalökonomie und Statiſtik
vorauszuſetzen. Aber Dinge, die ſeit undenklichen Zeiten ſo all-
gemein anerkannt ſind, wie das, was ich über die indirecten
Steuern ſage, die ſchienen mir nothwendig, mindeſtens in ihrem
allgemeinen Reſultat, durch äußerliches Vernehmen zur Kenntniß
des Richtercollegiums gekommen ſein zu müſſen und ich hielt es
daher für eben ſo überflüſſig als abſurd, für ſo triviale Dinge,
die längſt Gemeingut aller Compendien geworden, erſt einen
ernſthaften Beweis antreten zu ſollen.

Jch hatte Unrecht, meine Herren, und es iſt nichts natür-
licher, als daß ich Unrecht hatte. Wir, die wir unſer Leben den
Studien geweiht haben, wiſſen Manches und Vieles. Aber in
Einem Punkte bleiben wir gerade dadurch ewig unwiſſend wie
Kinder: wir haben niemals eine Ahnung davon, wieviel die
Andern nicht wiſſen!

Jn der That trat das publicirte Urtheil durchaus
den Ausführungen des Staatsanwalts bei, indem es ausdrücklich
das, was ich über die indirecten Steuern ſagte, für nicht wahr
erklärte; ausdrücklich erklärte, daß die Laſt der indirecten Steuern
nicht in der Weiſe die ärmere Klaſſe treffe, wie ich aufgeſtellt.

Dies iſt zugleich auch der Grund, aus welchem das publi-
cirte Urtheil meinen Vortrag zwar für im Weſentlichen rein
wiſſenſchaftlich, aber für nicht durchweg rein wiſſenſchaftlich
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[11/0017] ſchaft begnügte ich mich. Jch hätte es für Unrecht, für meiner nicht angemeſſen erachtet, mich meiner natürlichen Ueberlegen- heit in einer Wiſſenſchaft, in der ich ſeit langen Jahren zu Hauſe bin, zu bedienen, um durch detaillirteres Eingehen dem Staatsanwalt peinlich fühlbar zu machen, wie wenig der von ihm zum Zweck einer Anklage etwa gemachte dilettantiſche Ausflug auf ein ihm fremdes fachwiſſenſchaftliches Gebiet ausreicht, um Jemand in den Stand zu ſetzen, ein Urtheil in demſelben zu haben. Beſonders aber: faſt hätte es mir geſchienen, eine Art von moraliſcher Beleidigung gegen das Richtercollegium in ſich zu ſchließen, wenn ich demſelben erſt eingehendere Beweiſe über Dinge vortragen wollte, die ſeit mehr als 100 Jahren in allen Compendien zu leſen ſind. Zwar hatte ich kein Recht bei dem Collegium eine fach- wiſſenſchaftliche Kenntniß der Nationalökonomie und Statiſtik vorauszuſetzen. Aber Dinge, die ſeit undenklichen Zeiten ſo all- gemein anerkannt ſind, wie das, was ich über die indirecten Steuern ſage, die ſchienen mir nothwendig, mindeſtens in ihrem allgemeinen Reſultat, durch äußerliches Vernehmen zur Kenntniß des Richtercollegiums gekommen ſein zu müſſen und ich hielt es daher für eben ſo überflüſſig als abſurd, für ſo triviale Dinge, die längſt Gemeingut aller Compendien geworden, erſt einen ernſthaften Beweis antreten zu ſollen. Jch hatte Unrecht, meine Herren, und es iſt nichts natür- licher, als daß ich Unrecht hatte. Wir, die wir unſer Leben den Studien geweiht haben, wiſſen Manches und Vieles. Aber in Einem Punkte bleiben wir gerade dadurch ewig unwiſſend wie Kinder: wir haben niemals eine Ahnung davon, wieviel die Andern nicht wiſſen! Jn der That trat das publicirte Urtheil durchaus den Ausführungen des Staatsanwalts bei, indem es ausdrücklich das, was ich über die indirecten Steuern ſagte, für nicht wahr erklärte; ausdrücklich erklärte, daß die Laſt der indirecten Steuern nicht in der Weiſe die ärmere Klaſſe treffe, wie ich aufgeſtellt. Dies iſt zugleich auch der Grund, aus welchem das publi- cirte Urtheil meinen Vortrag zwar für im Weſentlichen rein wiſſenſchaftlich, aber für nicht durchweg rein wiſſenſchaftlich erklärt, weil er nämlich in dem, was ich über die indirecten

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/17>, abgerufen am 28.04.2024.