Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

system ein Aufschwung der Betriebsamkeit der ärmeren und
niederen Volksklassen und ihres Wohlstandes beinahe ganz
unmöglich wird.
"

Welche aufreizende Stärke der Ausdrücke, meine Herren!
Wie milde, verschleiernd, beschönigend erscheint daneben Alles,
was ich sagte! Derselbe Beamte und National-Oekonom fährt
fort (ib. p. 186): "Mit einem Worte, die Consumtionssteuer
wälzt die Abgabe gerade auf diejenige Volksklasse, welche zu
ihrer Entrichtung am wenigsten Kraft und Fähigkeit hat, und
erschüttert dadurch nicht blos die Gleichmäßigkeit der Verthei-
lung der öffentlichen Abgaben, sondern selbst auch die Elemente
des allgemeinen Wohlstandes bis auf seine äußerste
Grundlage hinaus.
"

Und gleich darauf: "Wohl mag der Wohlhabende und
Reiche ein solches Abgabesystem etwa ohne auffallende Nach-
theile für ihn ertragen können. Aber für die niedere und
ärmere Volksklasse kann es nie ohne offenbaren Verderb bleiben.
Schon ist es drückend genug an sich. Aber zu diesem Druck an
sich gesellt sich noch der zweite Druck, der aus dem Ueberge-
wichte entspringt, das es dem Reicheren über den Aermeren
giebt. Der Hauptgrund dieses zweiten Drucks und seiner Ver-
derblichkeit für den Aermeren liegt in dem bei weitem stärkern
Gewicht, den das Bedürfniß auf den Aermern hat, als auf den
Reichern; vorzüglich darin, daß dieses Gewicht für den
Aermern zugleich den Preis seiner Arbeit und seiner dem
Reichen zu machenden Leistungen eben so sehr herabsetzt, als
es dem Reichen Gelegenheit giebt, für seine Reichnisse (Darrei-
chungen) für den Bedarf des Armen von diesem die höchsten
Preise zu erzwingen. Denn je drückender die Lage des ärmeren
Volkes ist und um so empfindlicher sie durch die Abgabe für den
Aermeren verschlimmert wird, um so dringender muß dieser stets
fremde Arbeit suchen und um so drückender wird für ihn stets
das Uebergewicht des Reichern. Nur dazu, um dieses schon in
der Natur der Sache begründete Uebergewicht widernatürlich zu
verstärken und dadurch das nöthige Gleichmaaß des öffentlichen
Abgabewesens durchaus und bis auf das Jnnerste zu zer-
rütten -- dazu nur können die Consumtionsabgaben dienen,
und werden sie besonders da dienen, wo sie auf dem indirecten
Wege erhoben werden."

Und p. 188: "Und so kann es denn sehr leicht kommen,

ſyſtem ein Aufſchwung der Betriebſamkeit der ärmeren und
niederen Volksklaſſen und ihres Wohlſtandes beinahe ganz
unmöglich wird.

Welche aufreizende Stärke der Ausdrücke, meine Herren!
Wie milde, verſchleiernd, beſchönigend erſcheint daneben Alles,
was ich ſagte! Derſelbe Beamte und National-Oekonom fährt
fort (ib. p. 186): „Mit einem Worte, die Conſumtionsſteuer
wälzt die Abgabe gerade auf diejenige Volksklaſſe, welche zu
ihrer Entrichtung am wenigſten Kraft und Fähigkeit hat, und
erſchüttert dadurch nicht blos die Gleichmäßigkeit der Verthei-
lung der öffentlichen Abgaben, ſondern ſelbſt auch die Elemente
des allgemeinen Wohlſtandes bis auf ſeine äußerſte
Grundlage hinaus.

Und gleich darauf: „Wohl mag der Wohlhabende und
Reiche ein ſolches Abgabeſyſtem etwa ohne auffallende Nach-
theile für ihn ertragen können. Aber für die niedere und
ärmere Volksklaſſe kann es nie ohne offenbaren Verderb bleiben.
Schon iſt es drückend genug an ſich. Aber zu dieſem Druck an
ſich geſellt ſich noch der zweite Druck, der aus dem Ueberge-
wichte entſpringt, das es dem Reicheren über den Aermeren
giebt. Der Hauptgrund dieſes zweiten Drucks und ſeiner Ver-
derblichkeit für den Aermeren liegt in dem bei weitem ſtärkern
Gewicht, den das Bedürfniß auf den Aermern hat, als auf den
Reichern; vorzüglich darin, daß dieſes Gewicht für den
Aermern zugleich den Preis ſeiner Arbeit und ſeiner dem
Reichen zu machenden Leiſtungen eben ſo ſehr herabſetzt, als
es dem Reichen Gelegenheit giebt, für ſeine Reichniſſe (Darrei-
chungen) für den Bedarf des Armen von dieſem die höchſten
Preiſe zu erzwingen. Denn je drückender die Lage des ärmeren
Volkes iſt und um ſo empfindlicher ſie durch die Abgabe für den
Aermeren verſchlimmert wird, um ſo dringender muß dieſer ſtets
fremde Arbeit ſuchen und um ſo drückender wird für ihn ſtets
das Uebergewicht des Reichern. Nur dazu, um dieſes ſchon in
der Natur der Sache begründete Uebergewicht widernatürlich zu
verſtärken und dadurch das nöthige Gleichmaaß des öffentlichen
Abgabeweſens durchaus und bis auf das Jnnerſte zu zer-
rütten — dazu nur können die Conſumtionsabgaben dienen,
und werden ſie beſonders da dienen, wo ſie auf dem indirecten
Wege erhoben werden.“

Und p. 188: „Und ſo kann es denn ſehr leicht kommen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="26"/>
&#x017F;y&#x017F;tem ein Auf&#x017F;chwung der Betrieb&#x017F;amkeit der ärmeren und<lb/>
niederen Volkskla&#x017F;&#x017F;en und ihres Wohl&#x017F;tandes <hi rendition="#g">beinahe ganz<lb/>
unmöglich wird.</hi>&#x201C;</p><lb/>
        <p>Welche aufreizende Stärke der Ausdrücke, meine Herren!<lb/>
Wie milde, ver&#x017F;chleiernd, be&#x017F;chönigend er&#x017F;cheint daneben Alles,<lb/>
was ich &#x017F;agte! Der&#x017F;elbe Beamte und National-Oekonom fährt<lb/>
fort (<hi rendition="#aq">ib. p.</hi> 186): &#x201E;Mit einem Worte, die Con&#x017F;umtions&#x017F;teuer<lb/>
wälzt die Abgabe gerade auf diejenige Volkskla&#x017F;&#x017F;e, welche zu<lb/>
ihrer Entrichtung am wenig&#x017F;ten Kraft und Fähigkeit hat, und<lb/>
er&#x017F;chüttert dadurch nicht blos die Gleichmäßigkeit der Verthei-<lb/>
lung der öffentlichen Abgaben, &#x017F;ondern &#x017F;elb&#x017F;t auch die Elemente<lb/>
des allgemeinen Wohl&#x017F;tandes <hi rendition="#g">bis auf &#x017F;eine äußer&#x017F;te<lb/>
Grundlage hinaus.</hi>&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und gleich darauf: &#x201E;Wohl mag der Wohlhabende und<lb/>
Reiche ein &#x017F;olches Abgabe&#x017F;y&#x017F;tem etwa ohne auffallende Nach-<lb/>
theile für ihn ertragen können. Aber für die niedere und<lb/>
ärmere Volkskla&#x017F;&#x017F;e kann es nie ohne offenbaren Verderb bleiben.<lb/>
Schon i&#x017F;t es drückend genug an &#x017F;ich. Aber zu die&#x017F;em Druck an<lb/>
&#x017F;ich ge&#x017F;ellt &#x017F;ich noch der zweite Druck, der aus dem Ueberge-<lb/>
wichte ent&#x017F;pringt, das es dem Reicheren über den Aermeren<lb/>
giebt. Der Hauptgrund die&#x017F;es zweiten Drucks und &#x017F;einer Ver-<lb/>
derblichkeit für den Aermeren liegt in dem bei weitem &#x017F;tärkern<lb/>
Gewicht, den das Bedürfniß auf den Aermern hat, als auf den<lb/>
Reichern; vorzüglich darin, daß die&#x017F;es Gewicht für den<lb/>
Aermern zugleich den Preis &#x017F;einer Arbeit und &#x017F;einer dem<lb/>
Reichen zu machenden Lei&#x017F;tungen eben &#x017F;o &#x017F;ehr herab&#x017F;etzt, als<lb/>
es dem Reichen Gelegenheit giebt, für &#x017F;eine Reichni&#x017F;&#x017F;e (Darrei-<lb/>
chungen) für den Bedarf des Armen von die&#x017F;em die höch&#x017F;ten<lb/>
Prei&#x017F;e zu erzwingen. Denn je drückender die Lage des ärmeren<lb/>
Volkes i&#x017F;t und um &#x017F;o empfindlicher &#x017F;ie durch die Abgabe für den<lb/>
Aermeren ver&#x017F;chlimmert wird, um &#x017F;o dringender muß die&#x017F;er &#x017F;tets<lb/>
fremde Arbeit &#x017F;uchen und um &#x017F;o drückender wird für ihn &#x017F;tets<lb/>
das Uebergewicht des Reichern. Nur dazu, um die&#x017F;es &#x017F;chon in<lb/>
der Natur der Sache begründete Uebergewicht widernatürlich zu<lb/>
ver&#x017F;tärken und dadurch das nöthige Gleichmaaß des öffentlichen<lb/>
Abgabewe&#x017F;ens durchaus und <hi rendition="#g">bis auf das Jnner&#x017F;te</hi> zu zer-<lb/>
rütten &#x2014; dazu nur können die Con&#x017F;umtionsabgaben dienen,<lb/>
und werden &#x017F;ie be&#x017F;onders da dienen, wo &#x017F;ie auf dem indirecten<lb/>
Wege erhoben werden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und <hi rendition="#aq">p.</hi> 188: &#x201E;Und &#x017F;o kann es denn &#x017F;ehr leicht kommen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0032] ſyſtem ein Aufſchwung der Betriebſamkeit der ärmeren und niederen Volksklaſſen und ihres Wohlſtandes beinahe ganz unmöglich wird.“ Welche aufreizende Stärke der Ausdrücke, meine Herren! Wie milde, verſchleiernd, beſchönigend erſcheint daneben Alles, was ich ſagte! Derſelbe Beamte und National-Oekonom fährt fort (ib. p. 186): „Mit einem Worte, die Conſumtionsſteuer wälzt die Abgabe gerade auf diejenige Volksklaſſe, welche zu ihrer Entrichtung am wenigſten Kraft und Fähigkeit hat, und erſchüttert dadurch nicht blos die Gleichmäßigkeit der Verthei- lung der öffentlichen Abgaben, ſondern ſelbſt auch die Elemente des allgemeinen Wohlſtandes bis auf ſeine äußerſte Grundlage hinaus.“ Und gleich darauf: „Wohl mag der Wohlhabende und Reiche ein ſolches Abgabeſyſtem etwa ohne auffallende Nach- theile für ihn ertragen können. Aber für die niedere und ärmere Volksklaſſe kann es nie ohne offenbaren Verderb bleiben. Schon iſt es drückend genug an ſich. Aber zu dieſem Druck an ſich geſellt ſich noch der zweite Druck, der aus dem Ueberge- wichte entſpringt, das es dem Reicheren über den Aermeren giebt. Der Hauptgrund dieſes zweiten Drucks und ſeiner Ver- derblichkeit für den Aermeren liegt in dem bei weitem ſtärkern Gewicht, den das Bedürfniß auf den Aermern hat, als auf den Reichern; vorzüglich darin, daß dieſes Gewicht für den Aermern zugleich den Preis ſeiner Arbeit und ſeiner dem Reichen zu machenden Leiſtungen eben ſo ſehr herabſetzt, als es dem Reichen Gelegenheit giebt, für ſeine Reichniſſe (Darrei- chungen) für den Bedarf des Armen von dieſem die höchſten Preiſe zu erzwingen. Denn je drückender die Lage des ärmeren Volkes iſt und um ſo empfindlicher ſie durch die Abgabe für den Aermeren verſchlimmert wird, um ſo dringender muß dieſer ſtets fremde Arbeit ſuchen und um ſo drückender wird für ihn ſtets das Uebergewicht des Reichern. Nur dazu, um dieſes ſchon in der Natur der Sache begründete Uebergewicht widernatürlich zu verſtärken und dadurch das nöthige Gleichmaaß des öffentlichen Abgabeweſens durchaus und bis auf das Jnnerſte zu zer- rütten — dazu nur können die Conſumtionsabgaben dienen, und werden ſie beſonders da dienen, wo ſie auf dem indirecten Wege erhoben werden.“ Und p. 188: „Und ſo kann es denn ſehr leicht kommen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/32
Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/32>, abgerufen am 27.04.2024.