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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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daß die eben bemerkte Abgabe, die für jeden auf 25 Procent
ihres reinen Einkommens veranschlagt ist, den Armen zu 40
und mehr Procent treffen kann, während vielleicht der Reiche
10 oder weniger oder gar nichts zahlt, oder vielleicht durch
den niedrigen Arbeitslohn, zu dem sich der Arme jetzt
verstehen muß,
gegen früher gar noch gewinnt."

Aber wozu, meine Herren, Jhnen einzelne Stellen der
National-Oekonomen anführen? Jch müßte Jhnen eigentlich
ganze Schriften, ganze Bibliotheken vorlesen. Lesen Sie z. B.
die 1813 erschienene Specialschrift des ordentlichen Professors
der Staatswirthschaft an der Universität zu Heidelberg Dr. Eschen-
maier "über die Consumtionssteuer", worin er unter den elf
Gründen, die er gegen sie geltend macht, als zweiten Grund
(p. 36) folgenden anführt: "weil sie das gerechte und gleiche
Verhältniß der Besteuerung zwischen dem Reichen und Armen
nie treffen kann" und als vierten Grund wörtlich folgenden:
"weil sie gerade die ärmere Klasse der National-Glieder als die
größeste im Staate am meisten und härtesten trifft, wenn sie
auch auf die absoluten Bedürfnisse gelegt ist." Oder hören
Sie den Großherzogl.-Hessischen Hofkammerrath Krönke, im
4. Theile seiner "Abhandlungen über staatswirthschaftliche
Gegenstände" p. 141 etc. Es heißt daselbst in seinem Aufsatz
über indirecte Steuern: "Jndirecte Steuern nenne ich nach
§. 10 solche Abgaben, deren Ertrag nicht gegeben ist und die
nicht nothwendig und nach Vorherbestimmungen, sondern nur
dann zu entrichten sind, wenn gewisse, meistens der Wahl der
Pflichtigen überlassene Bedingungen und Umstände eintreten,
woran die Bezahlung der Steuern geknüpft ist." "Die vor-
züglichsten sind die Zoll- und Mauth-Abgaben, Consumtions-
steuern, das Stempelpapier und die mancherlei Concessions-
Gelder." "Es ist klar -- sagt er daselbst p. 146 -- daß, man
mag das positive oder relative Vermögen verhältnißmäßig be-
steuern wollen, die Abgaben von absoluten Lebensbedürfnissen,
oder von Gegenständen, die durch die Gewohnheit auch bei der
großen Volksmasse zu Lebensbedürfnissen geworden sind, nicht
rechtlich sein können, indem diese Bedürfnisse im Allgemeinen
nach der Kopfzahl sich richten, und bei den Aermeren
wenigstens nicht geringer, oft aber größer als bei den Reichen
sind. Da nun diese Bedürfnisse nicht entbehrt werden können,
so wirken Abgaben dieser Art wie Kopfsteuern. Ja, sie

daß die eben bemerkte Abgabe, die für jeden auf 25 Procent
ihres reinen Einkommens veranſchlagt iſt, den Armen zu 40
und mehr Procent treffen kann, während vielleicht der Reiche
10 oder weniger oder gar nichts zahlt, oder vielleicht durch
den niedrigen Arbeitslohn, zu dem ſich der Arme jetzt
verſtehen muß,
gegen früher gar noch gewinnt.

Aber wozu, meine Herren, Jhnen einzelne Stellen der
National-Oekonomen anführen? Jch müßte Jhnen eigentlich
ganze Schriften, ganze Bibliotheken vorleſen. Leſen Sie z. B.
die 1813 erſchienene Specialſchrift des ordentlichen Profeſſors
der Staatswirthſchaft an der Univerſität zu Heidelberg Dr. Eſchen-
maier „über die Conſumtionsſteuer“, worin er unter den elf
Gründen, die er gegen ſie geltend macht, als zweiten Grund
(p. 36) folgenden anführt: „weil ſie das gerechte und gleiche
Verhältniß der Beſteuerung zwiſchen dem Reichen und Armen
nie treffen kann“ und als vierten Grund wörtlich folgenden:
„weil ſie gerade die ärmere Klaſſe der National-Glieder als die
größeſte im Staate am meiſten und härteſten trifft, wenn ſie
auch auf die abſoluten Bedürfniſſe gelegt iſt.“ Oder hören
Sie den Großherzogl.-Heſſiſchen Hofkammerrath Krönke, im
4. Theile ſeiner „Abhandlungen über ſtaatswirthſchaftliche
Gegenſtände“ p. 141 ꝛc. Es heißt daſelbſt in ſeinem Aufſatz
über indirecte Steuern: „Jndirecte Steuern nenne ich nach
§. 10 ſolche Abgaben, deren Ertrag nicht gegeben iſt und die
nicht nothwendig und nach Vorherbeſtimmungen, ſondern nur
dann zu entrichten ſind, wenn gewiſſe, meiſtens der Wahl der
Pflichtigen überlaſſene Bedingungen und Umſtände eintreten,
woran die Bezahlung der Steuern geknüpft iſt.“ „Die vor-
züglichſten ſind die Zoll- und Mauth-Abgaben, Conſumtions-
ſteuern, das Stempelpapier und die mancherlei Conceſſions-
Gelder.“ „Es iſt klar — ſagt er daſelbſt p. 146 — daß, man
mag das poſitive oder relative Vermögen verhältnißmäßig be-
ſteuern wollen, die Abgaben von abſoluten Lebensbedürfniſſen,
oder von Gegenſtänden, die durch die Gewohnheit auch bei der
großen Volksmaſſe zu Lebensbedürfniſſen geworden ſind, nicht
rechtlich ſein können, indem dieſe Bedürfniſſe im Allgemeinen
nach der Kopfzahl ſich richten, und bei den Aermeren
wenigſtens nicht geringer, oft aber größer als bei den Reichen
ſind. Da nun dieſe Bedürfniſſe nicht entbehrt werden können,
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[27/0033] daß die eben bemerkte Abgabe, die für jeden auf 25 Procent ihres reinen Einkommens veranſchlagt iſt, den Armen zu 40 und mehr Procent treffen kann, während vielleicht der Reiche 10 oder weniger oder gar nichts zahlt, oder vielleicht durch den niedrigen Arbeitslohn, zu dem ſich der Arme jetzt verſtehen muß, gegen früher gar noch gewinnt.“ Aber wozu, meine Herren, Jhnen einzelne Stellen der National-Oekonomen anführen? Jch müßte Jhnen eigentlich ganze Schriften, ganze Bibliotheken vorleſen. Leſen Sie z. B. die 1813 erſchienene Specialſchrift des ordentlichen Profeſſors der Staatswirthſchaft an der Univerſität zu Heidelberg Dr. Eſchen- maier „über die Conſumtionsſteuer“, worin er unter den elf Gründen, die er gegen ſie geltend macht, als zweiten Grund (p. 36) folgenden anführt: „weil ſie das gerechte und gleiche Verhältniß der Beſteuerung zwiſchen dem Reichen und Armen nie treffen kann“ und als vierten Grund wörtlich folgenden: „weil ſie gerade die ärmere Klaſſe der National-Glieder als die größeſte im Staate am meiſten und härteſten trifft, wenn ſie auch auf die abſoluten Bedürfniſſe gelegt iſt.“ Oder hören Sie den Großherzogl.-Heſſiſchen Hofkammerrath Krönke, im 4. Theile ſeiner „Abhandlungen über ſtaatswirthſchaftliche Gegenſtände“ p. 141 ꝛc. Es heißt daſelbſt in ſeinem Aufſatz über indirecte Steuern: „Jndirecte Steuern nenne ich nach §. 10 ſolche Abgaben, deren Ertrag nicht gegeben iſt und die nicht nothwendig und nach Vorherbeſtimmungen, ſondern nur dann zu entrichten ſind, wenn gewiſſe, meiſtens der Wahl der Pflichtigen überlaſſene Bedingungen und Umſtände eintreten, woran die Bezahlung der Steuern geknüpft iſt.“ „Die vor- züglichſten ſind die Zoll- und Mauth-Abgaben, Conſumtions- ſteuern, das Stempelpapier und die mancherlei Conceſſions- Gelder.“ „Es iſt klar — ſagt er daſelbſt p. 146 — daß, man mag das poſitive oder relative Vermögen verhältnißmäßig be- ſteuern wollen, die Abgaben von abſoluten Lebensbedürfniſſen, oder von Gegenſtänden, die durch die Gewohnheit auch bei der großen Volksmaſſe zu Lebensbedürfniſſen geworden ſind, nicht rechtlich ſein können, indem dieſe Bedürfniſſe im Allgemeinen nach der Kopfzahl ſich richten, und bei den Aermeren wenigſtens nicht geringer, oft aber größer als bei den Reichen ſind. Da nun dieſe Bedürfniſſe nicht entbehrt werden können, ſo wirken Abgaben dieſer Art wie Kopfſteuern. Ja, ſie

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/33>, abgerufen am 28.04.2024.