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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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sind hinsichtlich der Aermeren noch wohl gar
nachtheiliger als Kopfsteuern,
indem diese Klasse von
Menschen meistens schwer arbeiten muß, dadurch jene Bedürf-
nisse in größerer Menge gebraucht und sonach, zu der aus dieser
Abgabe erfolgenden Staatseinnahme mehr als nach der
Kopfzahl beitragen muß.
"

Er zeigt nun, daß Kaffee, Tabak, Branntwein etc., durch
die Gewohnheit gleichfalls zu den unentbehrlichen Lebensbe-
dürfnissen gehören und concludirt (p. 151): "die Kaffee-,
Tabaks- und Branntweinaccisen wirken also ebenfalls wie
Kopfsteuern etc."

Oder aber lesen Sie von Ulmenstein, über die Vorzüge
und Mängel der indirecten Besteuerung, Düsseldorf 1831.
Oder aber von Liechtenstern, Aphorismen und Notizen über
wichtige Zweige des Finanzwesens, Altenberg 1821. Oder
aber die 1822 in Leipzig erschienene "Lehre von der Wirth-
schaft des Staats" von Dr. Behr, welcher sich p. 151 in fol-
genden zum Theil übertriebenen Wuthausbruch ergießt: "Wohl
mag hierdurch gerechtfertigt sein, was ich bereits im Jahre 1810
öffentlich gesagt und seit dem immer mehr bestätigt ge-
funden habe, nämlich: "Jndirecte Steuern sind entweder
von grober Jgnoranz oder von bübischer Tücke erfunden,
durch Superklugheit und Sophisterei vertheidigt, von der Ge-
mächlichkeit gepflegt, durch Noth vervielfältigt und aus Furcht
vor der Mühe der Einführung des Rechten bis zur Stunde
noch nicht abgeschafft." Nein, meine Herren, erfunden sind
die indirecten Steuern nicht auf diese Weise, wie Dr. Behr
meint. Dr. Behr übersieht gänzlich die innere historische und
organische Nothwendigkeit, vermöge welcher die indirecten
Steuern entstehen und um sich greifen mußten, eine orga-
nische Nothwendigkeit, die ich in meinem Vortrag hinreichend im
Allgemeinen dargelegt habe. Aber das wirklich berechtigte
Fundament, welches diesem Wuthausbruch des Dr. Behr zu
Grunde liegt, wird Jhnen jetzt aus den früheren Ausführungen
jener übereinstimmenden Zeugnisse der ruhmvollsten Namen der
Wissenschaft bereits klar sein.

Jch habe Jhnen aber absichtlich diese Stelle des Dr. Behr
angeführt, um Jhnen zu zeigen, welche Preß- und öffentliche
Redefreiheit man früher unter dem Absolutismus in Deutsch-
land genoß.

ſind hinſichtlich der Aermeren noch wohl gar
nachtheiliger als Kopfſteuern,
indem dieſe Klaſſe von
Menſchen meiſtens ſchwer arbeiten muß, dadurch jene Bedürf-
niſſe in größerer Menge gebraucht und ſonach, zu der aus dieſer
Abgabe erfolgenden Staatseinnahme mehr als nach der
Kopfzahl beitragen muß.

Er zeigt nun, daß Kaffee, Tabak, Branntwein ꝛc., durch
die Gewohnheit gleichfalls zu den unentbehrlichen Lebensbe-
dürfniſſen gehören und concludirt (p. 151): „die Kaffee-,
Tabaks- und Branntweinacciſen wirken alſo ebenfalls wie
Kopfſteuern ꝛc.“

Oder aber leſen Sie von Ulmenſtein, über die Vorzüge
und Mängel der indirecten Beſteuerung, Düſſeldorf 1831.
Oder aber von Liechtenſtern, Aphorismen und Notizen über
wichtige Zweige des Finanzweſens, Altenberg 1821. Oder
aber die 1822 in Leipzig erſchienene „Lehre von der Wirth-
ſchaft des Staats“ von Dr. Behr, welcher ſich p. 151 in fol-
genden zum Theil übertriebenen Wuthausbruch ergießt: „Wohl
mag hierdurch gerechtfertigt ſein, was ich bereits im Jahre 1810
öffentlich geſagt und ſeit dem immer mehr beſtätigt ge-
funden habe, nämlich: „Jndirecte Steuern ſind entweder
von grober Jgnoranz oder von bübiſcher Tücke erfunden,
durch Superklugheit und Sophiſterei vertheidigt, von der Ge-
mächlichkeit gepflegt, durch Noth vervielfältigt und aus Furcht
vor der Mühe der Einführung des Rechten bis zur Stunde
noch nicht abgeſchafft.“ Nein, meine Herren, erfunden ſind
die indirecten Steuern nicht auf dieſe Weiſe, wie Dr. Behr
meint. Dr. Behr überſieht gänzlich die innere hiſtoriſche und
organiſche Nothwendigkeit, vermöge welcher die indirecten
Steuern entſtehen und um ſich greifen mußten, eine orga-
niſche Nothwendigkeit, die ich in meinem Vortrag hinreichend im
Allgemeinen dargelegt habe. Aber das wirklich berechtigte
Fundament, welches dieſem Wuthausbruch des Dr. Behr zu
Grunde liegt, wird Jhnen jetzt aus den früheren Ausführungen
jener übereinſtimmenden Zeugniſſe der ruhmvollſten Namen der
Wiſſenſchaft bereits klar ſein.

Jch habe Jhnen aber abſichtlich dieſe Stelle des Dr. Behr
angeführt, um Jhnen zu zeigen, welche Preß- und öffentliche
Redefreiheit man früher unter dem Abſolutismus in Deutſch-
land genoß.

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[28/0034] ſind hinſichtlich der Aermeren noch wohl gar nachtheiliger als Kopfſteuern, indem dieſe Klaſſe von Menſchen meiſtens ſchwer arbeiten muß, dadurch jene Bedürf- niſſe in größerer Menge gebraucht und ſonach, zu der aus dieſer Abgabe erfolgenden Staatseinnahme mehr als nach der Kopfzahl beitragen muß.“ Er zeigt nun, daß Kaffee, Tabak, Branntwein ꝛc., durch die Gewohnheit gleichfalls zu den unentbehrlichen Lebensbe- dürfniſſen gehören und concludirt (p. 151): „die Kaffee-, Tabaks- und Branntweinacciſen wirken alſo ebenfalls wie Kopfſteuern ꝛc.“ Oder aber leſen Sie von Ulmenſtein, über die Vorzüge und Mängel der indirecten Beſteuerung, Düſſeldorf 1831. Oder aber von Liechtenſtern, Aphorismen und Notizen über wichtige Zweige des Finanzweſens, Altenberg 1821. Oder aber die 1822 in Leipzig erſchienene „Lehre von der Wirth- ſchaft des Staats“ von Dr. Behr, welcher ſich p. 151 in fol- genden zum Theil übertriebenen Wuthausbruch ergießt: „Wohl mag hierdurch gerechtfertigt ſein, was ich bereits im Jahre 1810 öffentlich geſagt und ſeit dem immer mehr beſtätigt ge- funden habe, nämlich: „Jndirecte Steuern ſind entweder von grober Jgnoranz oder von bübiſcher Tücke erfunden, durch Superklugheit und Sophiſterei vertheidigt, von der Ge- mächlichkeit gepflegt, durch Noth vervielfältigt und aus Furcht vor der Mühe der Einführung des Rechten bis zur Stunde noch nicht abgeſchafft.“ Nein, meine Herren, erfunden ſind die indirecten Steuern nicht auf dieſe Weiſe, wie Dr. Behr meint. Dr. Behr überſieht gänzlich die innere hiſtoriſche und organiſche Nothwendigkeit, vermöge welcher die indirecten Steuern entſtehen und um ſich greifen mußten, eine orga- niſche Nothwendigkeit, die ich in meinem Vortrag hinreichend im Allgemeinen dargelegt habe. Aber das wirklich berechtigte Fundament, welches dieſem Wuthausbruch des Dr. Behr zu Grunde liegt, wird Jhnen jetzt aus den früheren Ausführungen jener übereinſtimmenden Zeugniſſe der ruhmvollſten Namen der Wiſſenſchaft bereits klar ſein. Jch habe Jhnen aber abſichtlich dieſe Stelle des Dr. Behr angeführt, um Jhnen zu zeigen, welche Preß- und öffentliche Redefreiheit man früher unter dem Abſolutismus in Deutſch- land genoß.

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/34>, abgerufen am 27.04.2024.