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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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die Reichen das Geheimniß bewahren, und welcher auf
die Länge dieser Provinz einen großen Schaden zufügen muß."
Dieser Krebsschaden, sagt er, bestünde darin, daß die Güter und
die Preise aller Waaren gesteigert worden seien, während sich
die Handwerker, die Pächter, die ländlichen Arbeiter sogar in
einer noch unvortheilhafteren Lage als anderwärts befänden.
"Quelle est la raison d'un fait si extraordinaire en apparence?"
"Welches ist der Grund eines scheinbar so befremdlichen Fac-
tums?" frägt er. Und er antwortet hierauf:

"C'est que le prix
des journees, des corvees, n'y a point hausse proportionnelle-
ment avec les denrees; il n'est en beaucoup d'endroits de cette
province que de six sols, comme il y a cent ans et plus; voila
la source veritable du desordre qu' un interet personnel tres-
mal entendu se dissimule."

"Der Grund ist, daß der Tagelohn,
der Preis der ländlichen Arbeiten durchaus nicht proportionell
mit dem der Waaren gestiegen ist; er steht in vielen Orten
dieser Provinz nur auf 6 Sous, wie er vor 100 Jahren und
länger stand; das ist die wahre Quelle einer Unordnung,
welche ein sehr schlecht verstandenes persönliches Jnteresse sich
verheimlicht." Jn wie vieler Hinsicht wären diese hochher-
zigen Worte Forbonnais' dem Gedächtnisse einzuprägen! Er erklärt
geradezu, sogar vom Kriegsfalle sprechend (T. I. p. 485):

"En
quelque situation que les choses se trouvent, il est toujours
possible, dans un pays opulent, d'etablir dans le cas d'une
guerre, un fonds d'imposition considerable, qui n'affectera point
lac lasse des citoyens les plus pauvres."

"Jn jeder Lage der
Dinge ist es in einem reichen Lande immer möglich im Falle
des Kriegs einen Steuerfonds zu finden, welcher die ärmste
Klasse der Bürger nicht trifft." Und mit einer edeln Bitterkeit
ruft er T. II. p. 83 aus: Manche Steuer, welche nicht mehr als
zehn Goldstücke dem Spiele oder den frivolsten Ausgaben der
wohlhabenden Familien entziehen würde, würde auf diese Weise
haben aufgebracht werden können, ohne daß der Arbeiter von
ihr anders als von Hörensagen wüßte. Aber, fügt er hinzu:

"Si l'Edit d'un tel impot paraissait, on n'entendrait que cla-
meurs, que murmures de la part de deux ou trois millions
d'hommes environ; ne leur demandez rien, epuisez les cam-
pagnes; ces memes hommes diront froidement: le Peuple
souffre, il est vrai; mais l'interet general l'emporte sur l'interet
particulier; il ne faut pas que cette espece d'hommes soit a son

die Reichen das Geheimniß bewahren, und welcher auf
die Länge dieſer Provinz einen großen Schaden zufügen muß.“
Dieſer Krebsſchaden, ſagt er, beſtünde darin, daß die Güter und
die Preiſe aller Waaren geſteigert worden ſeien, während ſich
die Handwerker, die Pächter, die ländlichen Arbeiter ſogar in
einer noch unvortheilhafteren Lage als anderwärts befänden.
„Quelle est la raison d’un fait si extraordinaire en apparence?“
„Welches iſt der Grund eines ſcheinbar ſo befremdlichen Fac-
tums?“ frägt er. Und er antwortet hierauf:

„C’est que le prix
des journées, des corvées, n’y a point haussé proportionnelle-
ment avec les denrées; il n’est en beaucoup d’endroits de cette
province que de six sols, comme il y a cent ans et plus; voilà
la source véritable du désordre qu’ un intérêt personnel très-
mal entendu se dissimule.“

„Der Grund iſt, daß der Tagelohn,
der Preis der ländlichen Arbeiten durchaus nicht proportionell
mit dem der Waaren geſtiegen iſt; er ſteht in vielen Orten
dieſer Provinz nur auf 6 Sous, wie er vor 100 Jahren und
länger ſtand; das iſt die wahre Quelle einer Unordnung,
welche ein ſehr ſchlecht verſtandenes perſönliches Jntereſſe ſich
verheimlicht.“ Jn wie vieler Hinſicht wären dieſe hochher-
zigen Worte Forbonnais’ dem Gedächtniſſe einzuprägen! Er erklärt
geradezu, ſogar vom Kriegsfalle ſprechend (T. I. p. 485):

„En
quelque situation que les choses se trouvent, il est toujours
possible, dans un pays opulent, d’établir dans le cas d’une
guerre, un fonds d’imposition considérable, qui n’affectera point
lac lasse des citoyens les plus pauvres.“

„Jn jeder Lage der
Dinge iſt es in einem reichen Lande immer möglich im Falle
des Kriegs einen Steuerfonds zu finden, welcher die ärmſte
Klaſſe der Bürger nicht trifft.“ Und mit einer edeln Bitterkeit
ruft er T. II. p. 83 aus: Manche Steuer, welche nicht mehr als
zehn Goldſtücke dem Spiele oder den frivolſten Ausgaben der
wohlhabenden Familien entziehen würde, würde auf dieſe Weiſe
haben aufgebracht werden können, ohne daß der Arbeiter von
ihr anders als von Hörenſagen wüßte. Aber, fügt er hinzu:

„Si l’Edit d’un tel impòt paraissait, on n’entendrait que cla-
meurs, que murmures de la part de deux ou trois millions
d’hommes environ; ne leur demandez rien, épuisez les cam-
pagnes; ces mêmes hommes diront froidement: le Peuple
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[30/0036] die Reichen das Geheimniß bewahren, und welcher auf die Länge dieſer Provinz einen großen Schaden zufügen muß.“ Dieſer Krebsſchaden, ſagt er, beſtünde darin, daß die Güter und die Preiſe aller Waaren geſteigert worden ſeien, während ſich die Handwerker, die Pächter, die ländlichen Arbeiter ſogar in einer noch unvortheilhafteren Lage als anderwärts befänden. „Quelle est la raison d’un fait si extraordinaire en apparence?“ „Welches iſt der Grund eines ſcheinbar ſo befremdlichen Fac- tums?“ frägt er. Und er antwortet hierauf: „C’est que le prix des journées, des corvées, n’y a point haussé proportionnelle- ment avec les denrées; il n’est en beaucoup d’endroits de cette province que de six sols, comme il y a cent ans et plus; voilà la source véritable du désordre qu’ un intérêt personnel très- mal entendu se dissimule.“ „Der Grund iſt, daß der Tagelohn, der Preis der ländlichen Arbeiten durchaus nicht proportionell mit dem der Waaren geſtiegen iſt; er ſteht in vielen Orten dieſer Provinz nur auf 6 Sous, wie er vor 100 Jahren und länger ſtand; das iſt die wahre Quelle einer Unordnung, welche ein ſehr ſchlecht verſtandenes perſönliches Jntereſſe ſich verheimlicht.“ Jn wie vieler Hinſicht wären dieſe hochher- zigen Worte Forbonnais’ dem Gedächtniſſe einzuprägen! Er erklärt geradezu, ſogar vom Kriegsfalle ſprechend (T. I. p. 485): „En quelque situation que les choses se trouvent, il est toujours possible, dans un pays opulent, d’établir dans le cas d’une guerre, un fonds d’imposition considérable, qui n’affectera point lac lasse des citoyens les plus pauvres.“ „Jn jeder Lage der Dinge iſt es in einem reichen Lande immer möglich im Falle des Kriegs einen Steuerfonds zu finden, welcher die ärmſte Klaſſe der Bürger nicht trifft.“ Und mit einer edeln Bitterkeit ruft er T. II. p. 83 aus: Manche Steuer, welche nicht mehr als zehn Goldſtücke dem Spiele oder den frivolſten Ausgaben der wohlhabenden Familien entziehen würde, würde auf dieſe Weiſe haben aufgebracht werden können, ohne daß der Arbeiter von ihr anders als von Hörenſagen wüßte. Aber, fügt er hinzu: „Si l’Edit d’un tel impòt paraissait, on n’entendrait que cla- meurs, que murmures de la part de deux ou trois millions d’hommes environ; ne leur demandez rien, épuisez les cam- pagnes; ces mêmes hommes diront froidement: le Peuple souffre, il est vrai; mais l’intérêt général l’emporte sur l’intérêt particulier; il ne faut pas que cette espèce d’hommes soit à son

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/36>, abgerufen am 27.04.2024.