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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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Reichen schreien weit mehr als die Armen, in Folge jener
unglücklichen Gewohnheit, die sich eingenistet hat, keine Gerech-
tigkeit bei der Vertheilung der öffentlichen Lasten zu haben; so daß,
da die Sachen hierdurch auf einen Fuß gekommen sind, daß jeder
sich dagegen wehrt, der kann, je mächtiger ein Mann ist, er um
so weniger bezahlt, weil er mehr im Stande ist, sich davon zu
befreien. Und da unter den Mitteln, deren man sich bedient,
um sich dies Privilegium zu verschaffen, das Geschrei und die
Klagen eines der beträchtlichsten sind, so machen sich diese weit
vernehmbarer im Munde der Reichen als in dem der Armen,
was wieder bewirkt, daß diese Letzteren immer erdrückt werden,
und dies, durch den Gegenschlag, wie ich nachgewiesen habe,
wieder auf die Reichen zurückfallend, ruinirt endlich die Einen
und die Andern." "Ainsi donc -- sagt er, hierauf zurückkehrend,
p. 223 --

voila la malheureuse situation d'un premier ministre,
c'est de voir toute la terre en mouvement et toute la faveur en
action, non seulement pour le tromper, mais pour l'obliger a
immoler et son prince et le peuple a des interets particuliers,
n'etant applaudi par tous ceux qui pretendent former seuls
le monde, qui a proportion, qu'il donne dans cette surprise
et il ne pourrait meme entreprendre de faire le moindre pas
en arriere sans s'attirer tous ceux qu'on vient de dire sur les
bras."

"Das also ist die unglückliche Situation eines Pre-
mierministers, das ganze Land in Bewegung und alle Gunst in
Thätigkeit zu sehen, nicht blos um ihn zu täuschen, sondern um
ihn zu nöthigen seinen König und sein Volk Sonderinteressen auf-
zuopfern, da er nur applaudirt wird durch alle die,
welche allein die Welt zu bilden behaupten, in dem
Maße, in welchem er in diese Falle geht, und da
er selbst nicht den geringsten Schritt rückwärts
thun könnte, ohne alle diese auf dem Halse zu
haben!
"

Welche frappante Aehnlichkeit mit den Erscheinungen von
heute! Sollte man nicht glauben, diese Worte, die natürlich
nicht nur auf Premierminister, sondern auf jeden passen, der zu
Gunsten der ärmeren Klassen das Wort ergreift, seien heute
geschrieben?

Und er resümirt sich, seine Rede an den König richtend,
mit den Worten:

Sire, comme vous ne voulez qu'etre paye et re-
cevoir le plus d'argent qu'il est possible, la maniere dont vous

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Reichen ſchreien weit mehr als die Armen, in Folge jener
unglücklichen Gewohnheit, die ſich eingeniſtet hat, keine Gerech-
tigkeit bei der Vertheilung der öffentlichen Laſten zu haben; ſo daß,
da die Sachen hierdurch auf einen Fuß gekommen ſind, daß jeder
ſich dagegen wehrt, der kann, je mächtiger ein Mann iſt, er um
ſo weniger bezahlt, weil er mehr im Stande iſt, ſich davon zu
befreien. Und da unter den Mitteln, deren man ſich bedient,
um ſich dies Privilegium zu verſchaffen, das Geſchrei und die
Klagen eines der beträchtlichſten ſind, ſo machen ſich dieſe weit
vernehmbarer im Munde der Reichen als in dem der Armen,
was wieder bewirkt, daß dieſe Letzteren immer erdrückt werden,
und dies, durch den Gegenſchlag, wie ich nachgewieſen habe,
wieder auf die Reichen zurückfallend, ruinirt endlich die Einen
und die Andern.“ „Ainsi donc — ſagt er, hierauf zurückkehrend,
p. 223 —

voilà la malheureuse situation d’un premier ministre,
c’est de voir toute la terre en mouvement et toute la faveur en
action, non seulement pour le tromper, mais pour l’obliger à
immoler et son prince et le peuple à des intérêts particuliers,
n’étant applaudi par tous ceux qui prétendent former seuls
le monde, qui à proportion, qu’il donne dans cette surprise
et il ne pourrait même entreprendre de faire le moindre pas
en arrière sans s’attirer tous ceux qu’on vient de dire sur les
bras.“

Das alſo iſt die unglückliche Situation eines Pre-
mierminiſters, das ganze Land in Bewegung und alle Gunſt in
Thätigkeit zu ſehen, nicht blos um ihn zu täuſchen, ſondern um
ihn zu nöthigen ſeinen König und ſein Volk Sonderintereſſen auf-
zuopfern, da er nur applaudirt wird durch alle die,
welche allein die Welt zu bilden behaupten, in dem
Maße, in welchem er in dieſe Falle geht, und da
er ſelbſt nicht den geringſten Schritt rückwärts
thun könnte, ohne alle dieſe auf dem Halſe zu
haben!

Welche frappante Aehnlichkeit mit den Erſcheinungen von
heute! Sollte man nicht glauben, dieſe Worte, die natürlich
nicht nur auf Premierminiſter, ſondern auf jeden paſſen, der zu
Gunſten der ärmeren Klaſſen das Wort ergreift, ſeien heute
geſchrieben?

Und er reſümirt ſich, ſeine Rede an den König richtend,
mit den Worten:

Sire, comme vous ne voulez qu’être payé et re-
cevoir le plus d’argent qu’il est possible, la manière dont vous

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[33/0039] Reichen ſchreien weit mehr als die Armen, in Folge jener unglücklichen Gewohnheit, die ſich eingeniſtet hat, keine Gerech- tigkeit bei der Vertheilung der öffentlichen Laſten zu haben; ſo daß, da die Sachen hierdurch auf einen Fuß gekommen ſind, daß jeder ſich dagegen wehrt, der kann, je mächtiger ein Mann iſt, er um ſo weniger bezahlt, weil er mehr im Stande iſt, ſich davon zu befreien. Und da unter den Mitteln, deren man ſich bedient, um ſich dies Privilegium zu verſchaffen, das Geſchrei und die Klagen eines der beträchtlichſten ſind, ſo machen ſich dieſe weit vernehmbarer im Munde der Reichen als in dem der Armen, was wieder bewirkt, daß dieſe Letzteren immer erdrückt werden, und dies, durch den Gegenſchlag, wie ich nachgewieſen habe, wieder auf die Reichen zurückfallend, ruinirt endlich die Einen und die Andern.“ „Ainsi donc — ſagt er, hierauf zurückkehrend, p. 223 — voilà la malheureuse situation d’un premier ministre, c’est de voir toute la terre en mouvement et toute la faveur en action, non seulement pour le tromper, mais pour l’obliger à immoler et son prince et le peuple à des intérêts particuliers, n’étant applaudi par tous ceux qui prétendent former seuls le monde, qui à proportion, qu’il donne dans cette surprise et il ne pourrait même entreprendre de faire le moindre pas en arrière sans s’attirer tous ceux qu’on vient de dire sur les bras.“ „Das alſo iſt die unglückliche Situation eines Pre- mierminiſters, das ganze Land in Bewegung und alle Gunſt in Thätigkeit zu ſehen, nicht blos um ihn zu täuſchen, ſondern um ihn zu nöthigen ſeinen König und ſein Volk Sonderintereſſen auf- zuopfern, da er nur applaudirt wird durch alle die, welche allein die Welt zu bilden behaupten, in dem Maße, in welchem er in dieſe Falle geht, und da er ſelbſt nicht den geringſten Schritt rückwärts thun könnte, ohne alle dieſe auf dem Halſe zu haben!“ Welche frappante Aehnlichkeit mit den Erſcheinungen von heute! Sollte man nicht glauben, dieſe Worte, die natürlich nicht nur auf Premierminiſter, ſondern auf jeden paſſen, der zu Gunſten der ärmeren Klaſſen das Wort ergreift, ſeien heute geſchrieben? Und er reſümirt ſich, ſeine Rede an den König richtend, mit den Worten: Sire, comme vous ne voulez qu’être payé et re- cevoir le plus d’argent qu’il est possible, la manière dont vous 3

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/39>, abgerufen am 28.04.2024.