Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite
pae; sic enim fiet, ut correcto immodico luxu, major oneris
pars incumbat in ditiores et magis potentes et subleventur
agricolae et opifices, quae communitatis pars vel maxime fo-
venda et conservanda est in Republica."

Oder wollen Sie noch um ein Jahrhundert zurück? Nun,
so schrieb 1584 Jean Bodinus in seinem berühmten Werke de re-
publica
(p. 661 u. 663):

"Quod si quis est qui scire de me velit,
quodnam genus vectigalium immortali Deo gratissimum, civi-
tatibus pulcherrimum, principibus honestissimum, plebi utilissi-
mum videatur, illud est quod iis rebus imponitur quae ad cor-
rumpendos civium mores, quae ad delicias, quae ad luxum,
quae ad libidinem spectant -- -- -- rerum vero civibus
utilium aut nulla aut levissima
pretia esse debuerunt;
ut vectigal facilius dissolveretur et peregrini mercatores ad eas
res majore copia advehendas allicerentur. Etenim Romanis
legibus vectigalia nulla indicta sunt earum rerum, quae ad
vitam commodius honestiusque degendam asportantur."

Seit drei Jahrhunderten also -- und ich könnte diese histo-
rische Rückschau noch weiter fortsetzen, aber ich denke, das Bis-
herige wird Jhnen genügen -- seit drei Jahrhunderten also
rollen sich diese Sätze in der Wissenschaft von Buch zu Buch!
Kein Compendium erscheint, das sie nicht enthielte -- und das
ist es gerade, meine Herren, was in meinem Fall besonders
hart ist!

Jeder Stand bedarf eines ihm eigenthümlichen Muthes.
Der Gelehrte muß aus der Geschichte wissen, daß er neue große
Entdeckungen sehr häufig auf seine eigene Gefahr macht, daß er
deshalb verfolgt, verlästert, bestraft wird. Es ist traurig, daß
es so ist, aber es ist so, und man weiß, daß es so ist, und tröstet
sich in einem solchen Falle mit seiner Erfinderehre.

Aber gerade für einen Punkt bestraft werden, der sich be-
reits seit 300 Jahren in der Wissenschaft von Buch zu Buch bis
in jedes Compendium geschleppt hat, blos deshalb
bestraft werden, weil ein Staatsanwalt und ein Gerichtshof nie-
mals ein Compendium der Staatswirthschaft zur Hand ge-
nommen haben -- das ist hart, das ist erbitternd! Oder
aber -- es muß gerade aus demselben Grunde alle Erbitterung
beseitigen und den Betroffenen mit einer unbeschreiblichen, ver-
zeihenden Milde erfüllen!

Aber der Staatsanwalt hat mir ja auch einen Grund oder

3 *
pae; sic enim fiet, ut correcto immodico luxu, major oneris
pars incumbat in ditiores et magis potentes et subleventur
agricolae et opifices, quae communitatis pars vel maxime fo-
venda et conservanda est in Republica.“

Oder wollen Sie noch um ein Jahrhundert zurück? Nun,
ſo ſchrieb 1584 Jean Bodinus in ſeinem berühmten Werke de re-
publica
(p. 661 u. 663):

„Quod si quis est qui scire de me velit,
quodnam genus vectigalium immortali Deo gratissimum, civi-
tatibus pulcherrimum, principibus honestissimum, plebi utilissi-
mum videatur, illud est quod iis rebus imponitur quae ad cor-
rumpendos civium mores, quae ad delicias, quae ad luxum,
quae ad libidinem spectant — — — rerum vero civibus
utilium aut nulla aut levissima
pretia esse debuerunt;
ut vectigal facilius dissolveretur et peregrini mercatores ad eas
res majore copia advehendas allicerentur. Etenim Romanis
legibus vectigalia nulla indicta sunt earum rerum, quae ad
vitam commodius honestiusque degendam asportantur.“

Seit drei Jahrhunderten alſo — und ich könnte dieſe hiſto-
riſche Rückſchau noch weiter fortſetzen, aber ich denke, das Bis-
herige wird Jhnen genügen — ſeit drei Jahrhunderten alſo
rollen ſich dieſe Sätze in der Wiſſenſchaft von Buch zu Buch!
Kein Compendium erſcheint, das ſie nicht enthielte — und das
iſt es gerade, meine Herren, was in meinem Fall beſonders
hart iſt!

Jeder Stand bedarf eines ihm eigenthümlichen Muthes.
Der Gelehrte muß aus der Geſchichte wiſſen, daß er neue große
Entdeckungen ſehr häufig auf ſeine eigene Gefahr macht, daß er
deshalb verfolgt, verläſtert, beſtraft wird. Es iſt traurig, daß
es ſo iſt, aber es iſt ſo, und man weiß, daß es ſo iſt, und tröſtet
ſich in einem ſolchen Falle mit ſeiner Erfinderehre.

Aber gerade für einen Punkt beſtraft werden, der ſich be-
reits ſeit 300 Jahren in der Wiſſenſchaft von Buch zu Buch bis
in jedes Compendium geſchleppt hat, blos deshalb
beſtraft werden, weil ein Staatsanwalt und ein Gerichtshof nie-
mals ein Compendium der Staatswirthſchaft zur Hand ge-
nommen haben — das iſt hart, das iſt erbitternd! Oder
aber — es muß gerade aus demſelben Grunde alle Erbitterung
beſeitigen und den Betroffenen mit einer unbeſchreiblichen, ver-
zeihenden Milde erfüllen!

Aber der Staatsanwalt hat mir ja auch einen Grund oder

3 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#aq"><pb facs="#f0041" n="35"/>
pae; sic enim fiet, ut correcto immodico luxu, major oneris<lb/>
pars incumbat in ditiores et magis potentes et subleventur<lb/>
agricolae et opifices, quae communitatis pars vel maxime fo-<lb/>
venda et conservanda est in Republica.&#x201C;</hi> </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Oder wollen Sie noch um ein Jahrhundert zurück? Nun,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chrieb 1584 Jean Bodinus in &#x017F;einem berühmten Werke <hi rendition="#aq">de re-<lb/>
publica</hi> (<hi rendition="#aq">p.</hi> 661 u. 663):</p>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#aq">&#x201E;Quod si quis est qui scire de me velit,<lb/>
quodnam genus vectigalium immortali Deo gratissimum, civi-<lb/>
tatibus pulcherrimum, principibus honestissimum, plebi utilissi-<lb/>
mum videatur, illud est quod iis rebus imponitur quae ad cor-<lb/>
rumpendos civium mores, quae ad delicias, quae ad luxum,<lb/>
quae ad libidinem spectant &#x2014; &#x2014; &#x2014; <hi rendition="#g">rerum vero civibus<lb/>
utilium aut nulla aut levissima</hi> pretia esse debuerunt;<lb/>
ut vectigal facilius dissolveretur et peregrini mercatores ad eas<lb/>
res majore copia advehendas allicerentur. Etenim Romanis<lb/>
legibus vectigalia nulla indicta sunt earum rerum, quae ad<lb/>
vitam commodius honestiusque degendam asportantur.&#x201C;</hi> </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Seit drei Jahrhunderten al&#x017F;o &#x2014; und ich könnte die&#x017F;e hi&#x017F;to-<lb/>
ri&#x017F;che Rück&#x017F;chau noch weiter fort&#x017F;etzen, aber ich denke, das Bis-<lb/>
herige wird Jhnen genügen &#x2014; &#x017F;eit drei Jahrhunderten al&#x017F;o<lb/>
rollen &#x017F;ich die&#x017F;e Sätze in der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft von Buch zu Buch!<lb/>
Kein Compendium er&#x017F;cheint, das &#x017F;ie nicht enthielte &#x2014; und das<lb/>
i&#x017F;t es gerade, meine Herren, was in meinem Fall be&#x017F;onders<lb/>
hart i&#x017F;t!</p><lb/>
        <p>Jeder Stand bedarf eines ihm eigenthümlichen Muthes.<lb/>
Der Gelehrte muß aus der Ge&#x017F;chichte wi&#x017F;&#x017F;en, daß er neue große<lb/>
Entdeckungen &#x017F;ehr häufig auf &#x017F;eine eigene Gefahr macht, daß er<lb/>
deshalb verfolgt, verlä&#x017F;tert, be&#x017F;traft wird. Es i&#x017F;t traurig, daß<lb/>
es &#x017F;o i&#x017F;t, aber es <hi rendition="#g">i&#x017F;</hi>t &#x017F;o, und man <hi rendition="#g">weiß,</hi> daß es &#x017F;o i&#x017F;t, und trö&#x017F;tet<lb/>
&#x017F;ich in einem &#x017F;olchen Falle mit &#x017F;einer Erfinderehre.</p><lb/>
        <p>Aber gerade für einen Punkt be&#x017F;traft werden, der &#x017F;ich be-<lb/>
reits &#x017F;eit 300 Jahren in der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft von Buch zu Buch bis<lb/><hi rendition="#g">in jedes Compendium ge&#x017F;chleppt hat,</hi> blos deshalb<lb/>
be&#x017F;traft werden, weil ein Staatsanwalt und ein Gerichtshof nie-<lb/>
mals ein Compendium der Staatswirth&#x017F;chaft zur Hand ge-<lb/>
nommen haben &#x2014; das i&#x017F;t <hi rendition="#g">hart,</hi> das i&#x017F;t <hi rendition="#g">erbitternd!</hi> Oder<lb/>
aber &#x2014; es muß gerade aus dem&#x017F;elben Grunde <hi rendition="#g">alle</hi> Erbitterung<lb/>
be&#x017F;eitigen und den Betroffenen mit einer unbe&#x017F;chreiblichen, ver-<lb/>
zeihenden Milde erfüllen!</p><lb/>
        <p>Aber der Staatsanwalt hat mir ja auch einen Grund oder<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3 *</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0041] pae; sic enim fiet, ut correcto immodico luxu, major oneris pars incumbat in ditiores et magis potentes et subleventur agricolae et opifices, quae communitatis pars vel maxime fo- venda et conservanda est in Republica.“ Oder wollen Sie noch um ein Jahrhundert zurück? Nun, ſo ſchrieb 1584 Jean Bodinus in ſeinem berühmten Werke de re- publica (p. 661 u. 663): „Quod si quis est qui scire de me velit, quodnam genus vectigalium immortali Deo gratissimum, civi- tatibus pulcherrimum, principibus honestissimum, plebi utilissi- mum videatur, illud est quod iis rebus imponitur quae ad cor- rumpendos civium mores, quae ad delicias, quae ad luxum, quae ad libidinem spectant — — — rerum vero civibus utilium aut nulla aut levissima pretia esse debuerunt; ut vectigal facilius dissolveretur et peregrini mercatores ad eas res majore copia advehendas allicerentur. Etenim Romanis legibus vectigalia nulla indicta sunt earum rerum, quae ad vitam commodius honestiusque degendam asportantur.“ Seit drei Jahrhunderten alſo — und ich könnte dieſe hiſto- riſche Rückſchau noch weiter fortſetzen, aber ich denke, das Bis- herige wird Jhnen genügen — ſeit drei Jahrhunderten alſo rollen ſich dieſe Sätze in der Wiſſenſchaft von Buch zu Buch! Kein Compendium erſcheint, das ſie nicht enthielte — und das iſt es gerade, meine Herren, was in meinem Fall beſonders hart iſt! Jeder Stand bedarf eines ihm eigenthümlichen Muthes. Der Gelehrte muß aus der Geſchichte wiſſen, daß er neue große Entdeckungen ſehr häufig auf ſeine eigene Gefahr macht, daß er deshalb verfolgt, verläſtert, beſtraft wird. Es iſt traurig, daß es ſo iſt, aber es iſt ſo, und man weiß, daß es ſo iſt, und tröſtet ſich in einem ſolchen Falle mit ſeiner Erfinderehre. Aber gerade für einen Punkt beſtraft werden, der ſich be- reits ſeit 300 Jahren in der Wiſſenſchaft von Buch zu Buch bis in jedes Compendium geſchleppt hat, blos deshalb beſtraft werden, weil ein Staatsanwalt und ein Gerichtshof nie- mals ein Compendium der Staatswirthſchaft zur Hand ge- nommen haben — das iſt hart, das iſt erbitternd! Oder aber — es muß gerade aus demſelben Grunde alle Erbitterung beſeitigen und den Betroffenen mit einer unbeſchreiblichen, ver- zeihenden Milde erfüllen! Aber der Staatsanwalt hat mir ja auch einen Grund oder 3 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/41
Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/41>, abgerufen am 28.04.2024.