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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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steigen und wieder das Quantum der unentbehrlichen Lebens-
mittel darstellen.

Die Wissenschaft kennt diese Vermittelung; sie hat nach
langen und heftigen Debatten Act von ihr genommen und sie in
gewissen Archiven der Literaturhistorie niedergelegt. Wenn die
Auguren der Wissenschaft von einem durch den gesteigerten Ge-
treidepreis und ohne daß das National-Kapital und also die
Nachfrage nach Arbeitern vermehrt ist, gesteigerten Arbeitslohn
reden, so wissen sie ganz genau, welche Vermittlungen hierbei
gemeint sind und durch welche Factoren sich das in der Wirk-
lichkeit vollbringt. Nur daß sie sich hierüber eben nicht gern zu
verbreiten lieben und lieber die den Eingeweihten doch sattsam
bekannte Ellipse an die Stelle der breiteren Ausführung treten
lassen. Jch aber war Jhnen die Aufklärung über die interessan-
ten Factoren, durch welche sich in jenem Falle die Steigerung
des Arbeitslohns vollbringt, schuldig, meine Herren!

Noch aber sind wir nicht verirländert, meine Herren!
Noch steht der deutsche Arbeiterstand im Allgemeinen nicht da,
wo der Jrländer oder der indische Ryot oder der schlesische
Weber. Noch hat er etwas zu verlieren! Zwar beträgt der
Arbeitslohn immer nur den nothwendigen Lebensunterhalt, aber
den Unterhalt, wie er gewohnheitsmäßig zur Lebensnoth-
durft bei uns erforderlich ist. Noch fallen in diese gewohnheits-
mäßige Lebensnothdurft
bei uns, wie Jhnen dies Adam
Smith von England sagte, wenn auch nicht in demselben Maße
wie in England, Kaffee (oder Thee), Zucker, Bier, Tabak, Fleisch,
Oel, Seife, Licht etc. Noch ist der deutsche Arbeiterstand im All-
gemeinen nicht auf die Lebensstufe des Jrländers herunterge-
drückt, sich fast nur von Kartoffeln zu nähren und mit dem Schweine
zu schlafen!

Noch ist also die gewohnheitsmäßige Lebens-
nothdurft
unseres Arbeiterstandes eine solche, daß an ihr
auch noch abgezwackt werden kann. Und so lange dies der
Fall ist, fällt auch beim Getreide die Wirkung des durch die in-
directen Steuern gesteigerten Getreidepreises auf den Arbeiter-
stand.
Sie sind ein Gewicht, welches den standard of life
der arbeitenden Klasse, von dem Jhnen alle Oekonomen sagen
werden, daß von seiner möglichst großen Höhe alle Cultur und
alle Fortschritte eines Landes abhängen, nach unten drückt!
Dies war es, was Jhnen Rau und Roscher sagten in den

ſteigen und wieder das Quantum der unentbehrlichen Lebens-
mittel darſtellen.

Die Wiſſenſchaft kennt dieſe Vermittelung; ſie hat nach
langen und heftigen Debatten Act von ihr genommen und ſie in
gewiſſen Archiven der Literaturhiſtorie niedergelegt. Wenn die
Auguren der Wiſſenſchaft von einem durch den geſteigerten Ge-
treidepreis und ohne daß das National-Kapital und alſo die
Nachfrage nach Arbeitern vermehrt iſt, geſteigerten Arbeitslohn
reden, ſo wiſſen ſie ganz genau, welche Vermittlungen hierbei
gemeint ſind und durch welche Factoren ſich das in der Wirk-
lichkeit vollbringt. Nur daß ſie ſich hierüber eben nicht gern zu
verbreiten lieben und lieber die den Eingeweihten doch ſattſam
bekannte Ellipſe an die Stelle der breiteren Ausführung treten
laſſen. Jch aber war Jhnen die Aufklärung über die intereſſan-
ten Factoren, durch welche ſich in jenem Falle die Steigerung
des Arbeitslohns vollbringt, ſchuldig, meine Herren!

Noch aber ſind wir nicht verirländert, meine Herren!
Noch ſteht der deutſche Arbeiterſtand im Allgemeinen nicht da,
wo der Jrländer oder der indiſche Ryot oder der ſchleſiſche
Weber. Noch hat er etwas zu verlieren! Zwar beträgt der
Arbeitslohn immer nur den nothwendigen Lebensunterhalt, aber
den Unterhalt, wie er gewohnheitsmäßig zur Lebensnoth-
durft bei uns erforderlich iſt. Noch fallen in dieſe gewohnheits-
mäßige Lebensnothdurft
bei uns, wie Jhnen dies Adam
Smith von England ſagte, wenn auch nicht in demſelben Maße
wie in England, Kaffee (oder Thee), Zucker, Bier, Tabak, Fleiſch,
Oel, Seife, Licht ꝛc. Noch iſt der deutſche Arbeiterſtand im All-
gemeinen nicht auf die Lebensſtufe des Jrländers herunterge-
drückt, ſich faſt nur von Kartoffeln zu nähren und mit dem Schweine
zu ſchlafen!

Noch iſt alſo die gewohnheitsmäßige Lebens-
nothdurft
unſeres Arbeiterſtandes eine ſolche, daß an ihr
auch noch abgezwackt werden kann. Und ſo lange dies der
Fall iſt, fällt auch beim Getreide die Wirkung des durch die in-
directen Steuern geſteigerten Getreidepreiſes auf den Arbeiter-
ſtand.
Sie ſind ein Gewicht, welches den standard of life
der arbeitenden Klaſſe, von dem Jhnen alle Oekonomen ſagen
werden, daß von ſeiner möglichſt großen Höhe alle Cultur und
alle Fortſchritte eines Landes abhängen, nach unten drückt!
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[42/0048] ſteigen und wieder das Quantum der unentbehrlichen Lebens- mittel darſtellen. Die Wiſſenſchaft kennt dieſe Vermittelung; ſie hat nach langen und heftigen Debatten Act von ihr genommen und ſie in gewiſſen Archiven der Literaturhiſtorie niedergelegt. Wenn die Auguren der Wiſſenſchaft von einem durch den geſteigerten Ge- treidepreis und ohne daß das National-Kapital und alſo die Nachfrage nach Arbeitern vermehrt iſt, geſteigerten Arbeitslohn reden, ſo wiſſen ſie ganz genau, welche Vermittlungen hierbei gemeint ſind und durch welche Factoren ſich das in der Wirk- lichkeit vollbringt. Nur daß ſie ſich hierüber eben nicht gern zu verbreiten lieben und lieber die den Eingeweihten doch ſattſam bekannte Ellipſe an die Stelle der breiteren Ausführung treten laſſen. Jch aber war Jhnen die Aufklärung über die intereſſan- ten Factoren, durch welche ſich in jenem Falle die Steigerung des Arbeitslohns vollbringt, ſchuldig, meine Herren! Noch aber ſind wir nicht verirländert, meine Herren! Noch ſteht der deutſche Arbeiterſtand im Allgemeinen nicht da, wo der Jrländer oder der indiſche Ryot oder der ſchleſiſche Weber. Noch hat er etwas zu verlieren! Zwar beträgt der Arbeitslohn immer nur den nothwendigen Lebensunterhalt, aber den Unterhalt, wie er gewohnheitsmäßig zur Lebensnoth- durft bei uns erforderlich iſt. Noch fallen in dieſe gewohnheits- mäßige Lebensnothdurft bei uns, wie Jhnen dies Adam Smith von England ſagte, wenn auch nicht in demſelben Maße wie in England, Kaffee (oder Thee), Zucker, Bier, Tabak, Fleiſch, Oel, Seife, Licht ꝛc. Noch iſt der deutſche Arbeiterſtand im All- gemeinen nicht auf die Lebensſtufe des Jrländers herunterge- drückt, ſich faſt nur von Kartoffeln zu nähren und mit dem Schweine zu ſchlafen! Noch iſt alſo die gewohnheitsmäßige Lebens- nothdurft unſeres Arbeiterſtandes eine ſolche, daß an ihr auch noch abgezwackt werden kann. Und ſo lange dies der Fall iſt, fällt auch beim Getreide die Wirkung des durch die in- directen Steuern geſteigerten Getreidepreiſes auf den Arbeiter- ſtand. Sie ſind ein Gewicht, welches den standard of life der arbeitenden Klaſſe, von dem Jhnen alle Oekonomen ſagen werden, daß von ſeiner möglichſt großen Höhe alle Cultur und alle Fortſchritte eines Landes abhängen, nach unten drückt! Dies war es, was Jhnen Rau und Roſcher ſagten in den

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/48>, abgerufen am 28.04.2024.