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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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werde es noch später näher belegen, daß unsere Grundsteuer
eine Getreidesteuer ist, d. h. daß sie auf den Getreidepreis
und resp. bei Häusern auf die Miethe übergewälzt, also von
den Consumenten bezahlt wird und folglich eine indirecte
Steuer ist.

Was tragen nun wohl die Nichtbesitzenden und was die
Besitzenden zu jener Getreidesteuer von 10,084,182 Thlrn. bei?

Die mildesten der Nationalökonomen, Professor Rau
u. A., haben Jhnen oben gesagt, daß eine Getreidesteuer wie
eine Kopfsteuer wirkt. Jn der That aber trifft sie die ärmere
Klasse in einem noch viel stärkeren Grade. Denn je reicher einer
ist, desto weniger sättigt er sich von Getreide allein. Jch habe
einen starken Jahresverbrauch. Aber an Getreide consumire ich
persönlich täglich nicht 9 Pfennige, eben weil ich eine Masse
anderer Speisen esse.

Jndeß, bleiben wir immerhin bei der, obwohl durchaus
nicht richtigen Annahme, daß sich die Getreidesteuer als Kopfsteuer
vertheile.

Wir haben oben bei der Betrachtung der officiellen Ein-
kommensteuerlisten gesehen, daß im Ganzen in Preußen 44,407
Steuerpflichtige existiren, die über 1000 Thlr. Einkommen
haben. Rechnen wir nun, daß jeder derselben eine Familie
und zwar eine Familie von 5 Personen repräsentirt, eine An-
nahme, die, ich wiederhole es, hier, wo es sich von den höheren
Ständen handelt, sehr übertrieben ist, so giebt das 222,035
Seelen in Preußen, die den wohlhabenden Ständen angehören.

Wenn also die Getreidesteuer als Kopfsteuer sich vertheilt,
so kommen von den 10,080,000 Thlr. der Grundsteuer auf die
Seelen der besitzenden Klassen ein Beitrag von 126,450 Thlr.
und auf die nichtbesitzende Klasse 9 Millionen 953,550 Thaler!

Oder fassen wir alle die über 650 Thlr. Einnahme
haben, als zu der besitzenden Klasse gehörig auf. Wir haben
oben ihre Zahl gefunden. Sie beträgt, inclusive derjenigen,
welche über 1000 Thlr. Einkommen haben und inclusive der Be-
völkerung der mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Ortschaften, wie
ich nachgewiesen habe, 98,269 Personen und wenn wir wieder
jede derselben als eine Familie von 5 Personen vertretend auf-
fassen, so ergiebt sich eine Zahl von 491,345 Seelen, also das
Verhältniß 17,700,000 : 10,080,000 = 491,345 : x oder
279,200 Thlr., als Beitrag aller nicht gänzlich unbemit-

werde es noch ſpäter näher belegen, daß unſere Grundſteuer
eine Getreideſteuer iſt, d. h. daß ſie auf den Getreidepreis
und reſp. bei Häuſern auf die Miethe übergewälzt, alſo von
den Conſumenten bezahlt wird und folglich eine indirecte
Steuer iſt.

Was tragen nun wohl die Nichtbeſitzenden und was die
Beſitzenden zu jener Getreideſteuer von 10,084,182 Thlrn. bei?

Die mildeſten der Nationalökonomen, Profeſſor Rau
u. A., haben Jhnen oben geſagt, daß eine Getreideſteuer wie
eine Kopfſteuer wirkt. Jn der That aber trifft ſie die ärmere
Klaſſe in einem noch viel ſtärkeren Grade. Denn je reicher einer
iſt, deſto weniger ſättigt er ſich von Getreide allein. Jch habe
einen ſtarken Jahresverbrauch. Aber an Getreide conſumire ich
perſönlich täglich nicht 9 Pfennige, eben weil ich eine Maſſe
anderer Speiſen eſſe.

Jndeß, bleiben wir immerhin bei der, obwohl durchaus
nicht richtigen Annahme, daß ſich die Getreideſteuer als Kopfſteuer
vertheile.

Wir haben oben bei der Betrachtung der officiellen Ein-
kommenſteuerliſten geſehen, daß im Ganzen in Preußen 44,407
Steuerpflichtige exiſtiren, die über 1000 Thlr. Einkommen
haben. Rechnen wir nun, daß jeder derſelben eine Familie
und zwar eine Familie von 5 Perſonen repräſentirt, eine An-
nahme, die, ich wiederhole es, hier, wo es ſich von den höheren
Ständen handelt, ſehr übertrieben iſt, ſo giebt das 222,035
Seelen in Preußen, die den wohlhabenden Ständen angehören.

Wenn alſo die Getreideſteuer als Kopfſteuer ſich vertheilt,
ſo kommen von den 10,080,000 Thlr. der Grundſteuer auf die
Seelen der beſitzenden Klaſſen ein Beitrag von 126,450 Thlr.
und auf die nichtbeſitzende Klaſſe 9 Millionen 953,550 Thaler!

Oder faſſen wir alle die über 650 Thlr. Einnahme
haben, als zu der beſitzenden Klaſſe gehörig auf. Wir haben
oben ihre Zahl gefunden. Sie beträgt, incluſive derjenigen,
welche über 1000 Thlr. Einkommen haben und incluſive der Be-
völkerung der mahl- und ſchlachtſteuerpflichtigen Ortſchaften, wie
ich nachgewieſen habe, 98,269 Perſonen und wenn wir wieder
jede derſelben als eine Familie von 5 Perſonen vertretend auf-
faſſen, ſo ergiebt ſich eine Zahl von 491,345 Seelen, alſo das
Verhältniß 17,700,000 : 10,080,000 = 491,345 : x oder
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[72/0078] werde es noch ſpäter näher belegen, daß unſere Grundſteuer eine Getreideſteuer iſt, d. h. daß ſie auf den Getreidepreis und reſp. bei Häuſern auf die Miethe übergewälzt, alſo von den Conſumenten bezahlt wird und folglich eine indirecte Steuer iſt. Was tragen nun wohl die Nichtbeſitzenden und was die Beſitzenden zu jener Getreideſteuer von 10,084,182 Thlrn. bei? Die mildeſten der Nationalökonomen, Profeſſor Rau u. A., haben Jhnen oben geſagt, daß eine Getreideſteuer wie eine Kopfſteuer wirkt. Jn der That aber trifft ſie die ärmere Klaſſe in einem noch viel ſtärkeren Grade. Denn je reicher einer iſt, deſto weniger ſättigt er ſich von Getreide allein. Jch habe einen ſtarken Jahresverbrauch. Aber an Getreide conſumire ich perſönlich täglich nicht 9 Pfennige, eben weil ich eine Maſſe anderer Speiſen eſſe. Jndeß, bleiben wir immerhin bei der, obwohl durchaus nicht richtigen Annahme, daß ſich die Getreideſteuer als Kopfſteuer vertheile. Wir haben oben bei der Betrachtung der officiellen Ein- kommenſteuerliſten geſehen, daß im Ganzen in Preußen 44,407 Steuerpflichtige exiſtiren, die über 1000 Thlr. Einkommen haben. Rechnen wir nun, daß jeder derſelben eine Familie und zwar eine Familie von 5 Perſonen repräſentirt, eine An- nahme, die, ich wiederhole es, hier, wo es ſich von den höheren Ständen handelt, ſehr übertrieben iſt, ſo giebt das 222,035 Seelen in Preußen, die den wohlhabenden Ständen angehören. Wenn alſo die Getreideſteuer als Kopfſteuer ſich vertheilt, ſo kommen von den 10,080,000 Thlr. der Grundſteuer auf die Seelen der beſitzenden Klaſſen ein Beitrag von 126,450 Thlr. und auf die nichtbeſitzende Klaſſe 9 Millionen 953,550 Thaler! Oder faſſen wir alle die über 650 Thlr. Einnahme haben, als zu der beſitzenden Klaſſe gehörig auf. Wir haben oben ihre Zahl gefunden. Sie beträgt, incluſive derjenigen, welche über 1000 Thlr. Einkommen haben und incluſive der Be- völkerung der mahl- und ſchlachtſteuerpflichtigen Ortſchaften, wie ich nachgewieſen habe, 98,269 Perſonen und wenn wir wieder jede derſelben als eine Familie von 5 Perſonen vertretend auf- faſſen, ſo ergiebt ſich eine Zahl von 491,345 Seelen, alſo das Verhältniß 17,700,000 : 10,080,000 = 491,345 : x oder 279,200 Thlr., als Beitrag aller nicht gänzlich unbemit-

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/78>, abgerufen am 12.05.2024.