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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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telten Seelen zu dem Ertrage der Getreidesteuer von 10,080,000
Thlr., so daß für die gänzlich Unbemittelten ein Beitrag von
ca. 9,800,000 Thlr. zu dem Ertrage der Getreidesteuer von
10,080,000 Thalern fällt.

Und jene Klasse bildet sich ein, daß sie es sei, welche die
Steuer aufbringe!

Und immer dieselbe Erscheinung, auf welchen Artikel Sie
auch die Augen richten!

Der Staatsanwalt hat vom Zucker gesprochen und die
Steuer hierauf als eine solche bezeichnet, welche die ärmeren
Klassen nicht träfe. Es ist dies aber ein gewaltiger Jrrthum,
meine Herren! Es ist wieder nur das gute Herz des Staatsan-
walts, welches ihn verleitet, den arbeitenden Klassen sogar den
Zucker entziehen zu wollen!

Jch habe Jhnen schon oben aus Adam Smith citirt, daß
Tabak, Zucker und Thee, an dessen Stelle bei uns Kaffee tritt,
zu den täglichen und gewohnheitsmäßig allgemein üblichen Be-
dürfnissen der untersten Volksklassen gehören. Es ist dies auch
gar nicht anders möglich, weil der Kaffee bei uns eins der un-
entbehrlichsten Bedürfnisse der unteren Volksklassen ist und zu
diesem sogar bei den Arbeitern in der Regel Zucker ge-
braucht wird.

Sollte Adam Smith zum Beleg nicht ausreichen, so hören
Sie den Geheimrath Dieterici. Er sagt in dem III. Bde. der
amtlichen statistischen Mittheilungen p. 110: "Ein wichtigeres
Bedenken aber noch gegen den Gedanken die indirecten Ab-
gaben noch zu vermehren, ist, daß sie nur erheblich einbringen,
wenn sie auf Gegenstände gelegt werden, die allgemein ver-
braucht werden", und er fährt zum Beleg dessen p. 111 wört-
lich fort: "Zucker, Kaffee, Tabak bringen mehr als die Hälfte
aller Eingangssteuern. Es sind Verzehrungsgegen-
stände auch der ärmeren Volksklassen. Wollte man
die schon besteuerten Gegenstände allgemeiner Verzehrung im
Abgabensatz erhöhen, so wäre zu besorgen, daß die Quanta der
Verzehrung sich vermindern würden, jedenfalls träfe man
die ärmere Klasse vorzugsweise.
Wollte man neue
Objecte auswählen, so müßten es wieder nur solche sein, die
allgemein verbraucht würden, man träfe vorzugsweise
wieder den armen Mann.
Es wird nicht möglich sein,
ohne die unteren Schichten der Gesellschaft besonders

telten Seelen zu dem Ertrage der Getreideſteuer von 10,080,000
Thlr., ſo daß für die gänzlich Unbemittelten ein Beitrag von
ca. 9,800,000 Thlr. zu dem Ertrage der Getreideſteuer von
10,080,000 Thalern fällt.

Und jene Klaſſe bildet ſich ein, daß ſie es ſei, welche die
Steuer aufbringe!

Und immer dieſelbe Erſcheinung, auf welchen Artikel Sie
auch die Augen richten!

Der Staatsanwalt hat vom Zucker geſprochen und die
Steuer hierauf als eine ſolche bezeichnet, welche die ärmeren
Klaſſen nicht träfe. Es iſt dies aber ein gewaltiger Jrrthum,
meine Herren! Es iſt wieder nur das gute Herz des Staatsan-
walts, welches ihn verleitet, den arbeitenden Klaſſen ſogar den
Zucker entziehen zu wollen!

Jch habe Jhnen ſchon oben aus Adam Smith citirt, daß
Tabak, Zucker und Thee, an deſſen Stelle bei uns Kaffee tritt,
zu den täglichen und gewohnheitsmäßig allgemein üblichen Be-
dürfniſſen der unterſten Volksklaſſen gehören. Es iſt dies auch
gar nicht anders möglich, weil der Kaffee bei uns eins der un-
entbehrlichſten Bedürfniſſe der unteren Volksklaſſen iſt und zu
dieſem ſogar bei den Arbeitern in der Regel Zucker ge-
braucht wird.

Sollte Adam Smith zum Beleg nicht ausreichen, ſo hören
Sie den Geheimrath Dieterici. Er ſagt in dem III. Bde. der
amtlichen ſtatiſtiſchen Mittheilungen p. 110: „Ein wichtigeres
Bedenken aber noch gegen den Gedanken die indirecten Ab-
gaben noch zu vermehren, iſt, daß ſie nur erheblich einbringen,
wenn ſie auf Gegenſtände gelegt werden, die allgemein ver-
braucht werden“, und er fährt zum Beleg deſſen p. 111 wört-
lich fort: „Zucker, Kaffee, Tabak bringen mehr als die Hälfte
aller Eingangsſteuern. Es ſind Verzehrungsgegen-
ſtände auch der ärmeren Volksklaſſen. Wollte man
die ſchon beſteuerten Gegenſtände allgemeiner Verzehrung im
Abgabenſatz erhöhen, ſo wäre zu beſorgen, daß die Quanta der
Verzehrung ſich vermindern würden, jedenfalls träfe man
die ärmere Klaſſe vorzugsweiſe.
Wollte man neue
Objecte auswählen, ſo müßten es wieder nur ſolche ſein, die
allgemein verbraucht würden, man träfe vorzugsweiſe
wieder den armen Mann.
Es wird nicht möglich ſein,
ohne die unteren Schichten der Geſellſchaft beſonders

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[73/0079] telten Seelen zu dem Ertrage der Getreideſteuer von 10,080,000 Thlr., ſo daß für die gänzlich Unbemittelten ein Beitrag von ca. 9,800,000 Thlr. zu dem Ertrage der Getreideſteuer von 10,080,000 Thalern fällt. Und jene Klaſſe bildet ſich ein, daß ſie es ſei, welche die Steuer aufbringe! Und immer dieſelbe Erſcheinung, auf welchen Artikel Sie auch die Augen richten! Der Staatsanwalt hat vom Zucker geſprochen und die Steuer hierauf als eine ſolche bezeichnet, welche die ärmeren Klaſſen nicht träfe. Es iſt dies aber ein gewaltiger Jrrthum, meine Herren! Es iſt wieder nur das gute Herz des Staatsan- walts, welches ihn verleitet, den arbeitenden Klaſſen ſogar den Zucker entziehen zu wollen! Jch habe Jhnen ſchon oben aus Adam Smith citirt, daß Tabak, Zucker und Thee, an deſſen Stelle bei uns Kaffee tritt, zu den täglichen und gewohnheitsmäßig allgemein üblichen Be- dürfniſſen der unterſten Volksklaſſen gehören. Es iſt dies auch gar nicht anders möglich, weil der Kaffee bei uns eins der un- entbehrlichſten Bedürfniſſe der unteren Volksklaſſen iſt und zu dieſem ſogar bei den Arbeitern in der Regel Zucker ge- braucht wird. Sollte Adam Smith zum Beleg nicht ausreichen, ſo hören Sie den Geheimrath Dieterici. Er ſagt in dem III. Bde. der amtlichen ſtatiſtiſchen Mittheilungen p. 110: „Ein wichtigeres Bedenken aber noch gegen den Gedanken die indirecten Ab- gaben noch zu vermehren, iſt, daß ſie nur erheblich einbringen, wenn ſie auf Gegenſtände gelegt werden, die allgemein ver- braucht werden“, und er fährt zum Beleg deſſen p. 111 wört- lich fort: „Zucker, Kaffee, Tabak bringen mehr als die Hälfte aller Eingangsſteuern. Es ſind Verzehrungsgegen- ſtände auch der ärmeren Volksklaſſen. Wollte man die ſchon beſteuerten Gegenſtände allgemeiner Verzehrung im Abgabenſatz erhöhen, ſo wäre zu beſorgen, daß die Quanta der Verzehrung ſich vermindern würden, jedenfalls träfe man die ärmere Klaſſe vorzugsweiſe. Wollte man neue Objecte auswählen, ſo müßten es wieder nur ſolche ſein, die allgemein verbraucht würden, man träfe vorzugsweiſe wieder den armen Mann. Es wird nicht möglich ſein, ohne die unteren Schichten der Geſellſchaft beſonders

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/79>, abgerufen am 13.05.2024.