keine Untersuchung an. Ob bei der Mischung nur die Eigen- schaften allein, wie Aristoteles annahm, oder auch die körper- lichen Substanzen sich gegenseitig durchdringen, das braucht der Arzt nicht zu wissen, und Hippokrates hat nichts darüber gesagt.1 Zwar verweist Galen über die Natur der Mischung auf seine Bücher De temperamentis, De medicamentis und De curandi methodo, aber in Bezug auf das Verhältnis der chemischen Verbindung zu den Bestandteilen in dem Sinne, wie die Frage sogleich an uns herantreten wird, findet sich dort nichts Näheres.
Dies sind die theoretischen Grundlagen der Medizin, welche Galen, dem Hippokrat folgend, wieder zur Geltung brachte und welche die Araber aufnahmen. Wie die Chemiker ihre besonderen Elemente, Quecksilber und Schwefel besaßen, so hatten nun auch die Mediziner besondere organische Elemente, Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle; alle diese aber waren nur eigenartige Vermischungen der ursprünglichen Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde, welche durch ihr Vorherrschen die Eigenschaften der zusammengesetzten Grundstoffe bedingten.
Wie das Beharren der ersten Elemente in ihren chemischen Verbindungen zu denken sei, darüber finden wir eine neue und für die Geschichte des Körperproblems wichtige Ansicht zuerst bei Ibn Sina ausgesprochen, welcher damit die theoretische Chemie erweiterte. Diese Frage erfordert um so mehr eine besondere Behandlung, als sie der eigentliche Kernpunkt ist, an welchem sich die Leistungsfähigkeit der Theorie der sub- stanziellen Formen in Bezug auf die Lösung des Körper- problems während des Mittelalters erprobt.
1De elem. I, p. 489.
Galen: Mischung.
keine Untersuchung an. Ob bei der Mischung nur die Eigen- schaften allein, wie Aristoteles annahm, oder auch die körper- lichen Substanzen sich gegenseitig durchdringen, das braucht der Arzt nicht zu wissen, und Hippokrates hat nichts darüber gesagt.1 Zwar verweist Galen über die Natur der Mischung auf seine Bücher De temperamentis, De medicamentis und De curandi methodo, aber in Bezug auf das Verhältnis der chemischen Verbindung zu den Bestandteilen in dem Sinne, wie die Frage sogleich an uns herantreten wird, findet sich dort nichts Näheres.
Dies sind die theoretischen Grundlagen der Medizin, welche Galen, dem Hippokrat folgend, wieder zur Geltung brachte und welche die Araber aufnahmen. Wie die Chemiker ihre besonderen Elemente, Quecksilber und Schwefel besaßen, so hatten nun auch die Mediziner besondere organische Elemente, Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle; alle diese aber waren nur eigenartige Vermischungen der ursprünglichen Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde, welche durch ihr Vorherrschen die Eigenschaften der zusammengesetzten Grundstoffe bedingten.
Wie das Beharren der ersten Elemente in ihren chemischen Verbindungen zu denken sei, darüber finden wir eine neue und für die Geschichte des Körperproblems wichtige Ansicht zuerst bei Ibn Sina ausgesprochen, welcher damit die theoretische Chemie erweiterte. Diese Frage erfordert um so mehr eine besondere Behandlung, als sie der eigentliche Kernpunkt ist, an welchem sich die Leistungsfähigkeit der Theorie der sub- stanziellen Formen in Bezug auf die Lösung des Körper- problems während des Mittelalters erprobt.
1De elem. I, p. 489.
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Galen: Mischung.
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lichen Substanzen sich gegenseitig durchdringen, das braucht
der Arzt nicht zu wissen, und Hippokrates hat nichts darüber
gesagt. 1 Zwar verweist Galen über die Natur der Mischung
auf seine Bücher De temperamentis, De medicamentis und De
curandi methodo, aber in Bezug auf das Verhältnis der chemischen
Verbindung zu den Bestandteilen in dem Sinne, wie die Frage
sogleich an uns herantreten wird, findet sich dort nichts
Näheres.
Dies sind die theoretischen Grundlagen der Medizin, welche
Galen, dem Hippokrat folgend, wieder zur Geltung brachte
und welche die Araber aufnahmen. Wie die Chemiker ihre
besonderen Elemente, Quecksilber und Schwefel besaßen, so
hatten nun auch die Mediziner besondere organische Elemente,
Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle; alle diese aber waren
nur eigenartige Vermischungen der ursprünglichen Elemente
Feuer, Wasser, Luft und Erde, welche durch ihr Vorherrschen
die Eigenschaften der zusammengesetzten Grundstoffe bedingten.
Wie das Beharren der ersten Elemente in ihren chemischen
Verbindungen zu denken sei, darüber finden wir eine neue und
für die Geschichte des Körperproblems wichtige Ansicht zuerst
bei Ibn Sina ausgesprochen, welcher damit die theoretische
Chemie erweiterte. Diese Frage erfordert um so mehr eine
besondere Behandlung, als sie der eigentliche Kernpunkt ist,
an welchem sich die Leistungsfähigkeit der Theorie der sub-
stanziellen Formen in Bezug auf die Lösung des Körper-
problems während des Mittelalters erprobt.
1 De elem. I, p. 489.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/252>, abgerufen am 24.11.2024.
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