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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Cusanus: Vorschläge zu Experimenten.
Daher füllt Cusanus sein Buch mit einer Reihe von Vor-
schlägen zu Experimenten, die mit Hilfe der Wage angestellt
werden sollen. Am bemerkenswertesten scheinen die Hinweise,
welche zu einer exakteren Erforschung organischer Vorgänge
durch Wägungen gemacht werden. So solle man die spezifischen
Gewichte des Blutes u. dergl. von alten und jungen, kranken
und gesunden Personen vergleichen, um dadurch Unterschei-
dungsmittel zu gewinnen; man solle Pflanzensamen und Erd-
reich wägen und später die ausgewachsene Pflanze und das
Erdreich, um zu erkennen, wieviel die Pflanze von demselben
als Nahrung aufgenommen habe (-- ein Experiment, das van
Helmont
zweihundert Jahre später ausführte --); Cusanus ver-
mutet richtig, daß der Gewichtsverlust der Erde ein geringer
sein werde, weil die Pflanzen ihre Nahrung hauptsächlich vom
Wasser erhalten. Auch Vorschläge zur Bestimmung des Ge-
wichtes der Luft werden gemacht. Ferner wird für viele Fälle,
in denen es sich um Zeitmessungen handelt, empfohlen, die
Zeit zu bestimmen durch genaue Wägung des während der-
selben aus einer Wasseruhr ausgeflossenen Wassers, so auch
für die Fallzeit eines Steines von einem Turme u. dgl. Alle
die zahlreichen Vorschläge des Buches leiden an dem gemein-
samen Übelstande, daß sie in dem guten Glauben gemacht
sind, sie könnten mit Genauigkeit ausgeführt werden, weil dem
Cusaner die große Menge der Fehlerquellen unbekannt war,
welche seine projektierten Versuche einschlossen und die das
praktische Resultat illusorisch machen mußten. Auch wenn
die Versuche nicht bloß wohlgemeinte Vorschläge geblieben,
sondern ausgeführt worden wären, so hätten die instrumentalen
Mittel jener Zeit doch niemals ausgereicht, eine nur einiger-
maßen genügende Präzision zu geben. Dagegen sind sie immer-
hin bemerkenswert als die ersten Anfänge, eine selbständige,
auf Beobachtung beruhende Naturforschung durch methodische
Vorschläge für ihre Untersuchungen in Anregung zu bringen,
und vor allem darum, weil sich in ihnen allen der Grundcha-
rakter der Cusanischen Philosophie ausspricht, nämlich das
Bestreben, ein exaktes Maß für die Vorgänge in der Natur zu
gewinnen. Wie abenteuerlich auch Cusanus in seinen Pro-
jekten mitunter verfährt, so zeigt er doch einen scharfen Blick
dafür, wie man die quantitativen Verhältnisse in den Dingen

Cusanus: Vorschläge zu Experimenten.
Daher füllt Cusanus sein Buch mit einer Reihe von Vor-
schlägen zu Experimenten, die mit Hilfe der Wage angestellt
werden sollen. Am bemerkenswertesten scheinen die Hinweise,
welche zu einer exakteren Erforschung organischer Vorgänge
durch Wägungen gemacht werden. So solle man die spezifischen
Gewichte des Blutes u. dergl. von alten und jungen, kranken
und gesunden Personen vergleichen, um dadurch Unterschei-
dungsmittel zu gewinnen; man solle Pflanzensamen und Erd-
reich wägen und später die ausgewachsene Pflanze und das
Erdreich, um zu erkennen, wieviel die Pflanze von demselben
als Nahrung aufgenommen habe (— ein Experiment, das van
Helmont
zweihundert Jahre später ausführte —); Cusanus ver-
mutet richtig, daß der Gewichtsverlust der Erde ein geringer
sein werde, weil die Pflanzen ihre Nahrung hauptsächlich vom
Wasser erhalten. Auch Vorschläge zur Bestimmung des Ge-
wichtes der Luft werden gemacht. Ferner wird für viele Fälle,
in denen es sich um Zeitmessungen handelt, empfohlen, die
Zeit zu bestimmen durch genaue Wägung des während der-
selben aus einer Wasseruhr ausgeflossenen Wassers, so auch
für die Fallzeit eines Steines von einem Turme u. dgl. Alle
die zahlreichen Vorschläge des Buches leiden an dem gemein-
samen Übelstande, daß sie in dem guten Glauben gemacht
sind, sie könnten mit Genauigkeit ausgeführt werden, weil dem
Cusaner die große Menge der Fehlerquellen unbekannt war,
welche seine projektierten Versuche einschlossen und die das
praktische Resultat illusorisch machen mußten. Auch wenn
die Versuche nicht bloß wohlgemeinte Vorschläge geblieben,
sondern ausgeführt worden wären, so hätten die instrumentalen
Mittel jener Zeit doch niemals ausgereicht, eine nur einiger-
maßen genügende Präzision zu geben. Dagegen sind sie immer-
hin bemerkenswert als die ersten Anfänge, eine selbständige,
auf Beobachtung beruhende Naturforschung durch methodische
Vorschläge für ihre Untersuchungen in Anregung zu bringen,
und vor allem darum, weil sich in ihnen allen der Grundcha-
rakter der Cusanischen Philosophie ausspricht, nämlich das
Bestreben, ein exaktes Maß für die Vorgänge in der Natur zu
gewinnen. Wie abenteuerlich auch Cusanus in seinen Pro-
jekten mitunter verfährt, so zeigt er doch einen scharfen Blick
dafür, wie man die quantitativen Verhältnisse in den Dingen

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[279/0297] Cusanus: Vorschläge zu Experimenten. Daher füllt Cusanus sein Buch mit einer Reihe von Vor- schlägen zu Experimenten, die mit Hilfe der Wage angestellt werden sollen. Am bemerkenswertesten scheinen die Hinweise, welche zu einer exakteren Erforschung organischer Vorgänge durch Wägungen gemacht werden. So solle man die spezifischen Gewichte des Blutes u. dergl. von alten und jungen, kranken und gesunden Personen vergleichen, um dadurch Unterschei- dungsmittel zu gewinnen; man solle Pflanzensamen und Erd- reich wägen und später die ausgewachsene Pflanze und das Erdreich, um zu erkennen, wieviel die Pflanze von demselben als Nahrung aufgenommen habe (— ein Experiment, das van Helmont zweihundert Jahre später ausführte —); Cusanus ver- mutet richtig, daß der Gewichtsverlust der Erde ein geringer sein werde, weil die Pflanzen ihre Nahrung hauptsächlich vom Wasser erhalten. Auch Vorschläge zur Bestimmung des Ge- wichtes der Luft werden gemacht. Ferner wird für viele Fälle, in denen es sich um Zeitmessungen handelt, empfohlen, die Zeit zu bestimmen durch genaue Wägung des während der- selben aus einer Wasseruhr ausgeflossenen Wassers, so auch für die Fallzeit eines Steines von einem Turme u. dgl. Alle die zahlreichen Vorschläge des Buches leiden an dem gemein- samen Übelstande, daß sie in dem guten Glauben gemacht sind, sie könnten mit Genauigkeit ausgeführt werden, weil dem Cusaner die große Menge der Fehlerquellen unbekannt war, welche seine projektierten Versuche einschlossen und die das praktische Resultat illusorisch machen mußten. Auch wenn die Versuche nicht bloß wohlgemeinte Vorschläge geblieben, sondern ausgeführt worden wären, so hätten die instrumentalen Mittel jener Zeit doch niemals ausgereicht, eine nur einiger- maßen genügende Präzision zu geben. Dagegen sind sie immer- hin bemerkenswert als die ersten Anfänge, eine selbständige, auf Beobachtung beruhende Naturforschung durch methodische Vorschläge für ihre Untersuchungen in Anregung zu bringen, und vor allem darum, weil sich in ihnen allen der Grundcha- rakter der Cusanischen Philosophie ausspricht, nämlich das Bestreben, ein exaktes Maß für die Vorgänge in der Natur zu gewinnen. Wie abenteuerlich auch Cusanus in seinen Pro- jekten mitunter verfährt, so zeigt er doch einen scharfen Blick dafür, wie man die quantitativen Verhältnisse in den Dingen

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/297>, abgerufen am 22.11.2024.