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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Magnenus: Historisches. Prima materia.
Bemerkungen über den Zustand der zeitgenössischen Natur-
philosophie enthält. Sebastian Basso wird als Neuerer und
Gegner des Aristoteles erwähnt, Paracelsus, Campanella,
Fludd, Croll
und die Chemiker werden mit wenig Achtung
genannt, dagegen Tycho, Kepler, Galilei, Scheiner gepriesen
als die wenigen, welche unbefangen nach Wahrheit streben
und den Begründern der Wissenschaften zuzuzählen sind, weil
sie auf Grund der Erfahrung philosophieren und den Anteil
der Mathematik an der Philosophie klarlegen. Descartes oder
Gassendi finden sich nirgends erwähnt. Sich selbst rechnet
Magnenus zu den Erneuerern älterer Ansichten; wie Coppernikus
den Aristarch, Marsilius Ficinus den Platon, so wolle er den
Demokrit zu Ehren bringen. Doch geschehe dies zunächst
nur im historischen Interesse; vortragen vom Katheder aus
werde er stets nur den Aristoteles, welcher für den Unter-
richt der Jugend am besten sich eigne.

Das Buch selbst ist nach "mathematischer Methode" ge-
schrieben, mit Grundsätzen, Postulaten, Definitionen, Lehrsätzen
und Beweisen. Wir geben eine Übersicht der magnenischen
Lehren im Zusammenhange.

Die aristotelischen Begriffe von den substanziellen Formen
und der ursprünglichen Materie werden mit averroistischer
Färbung beibehalten; die Form hat die Materie, aus welcher
sie educiert wird, zur sie bedingenden Voraussetzung. Es gibt
aber keine allgemeine prima materia im aristotelischen Sinne,
sondern die prima materia ist nichts andres als die Elemente
selbst. Sie ist nicht ein eigenschaftsloses Substrat, sondern
enthält bereits folgende Eigenschaften als unabtrennliche. Sie
ist das erste Subjekt aller Körper, ist in allen Naturkörpern
ein und dieselbe, kann weder entstehen noch vergehen und
bildet die Grundbestandteile, in welche alle Körper durch die
letzte Auflösung zerlegt werden. Diese Bestimmungen sind aber
dieselben, welche den Elementen zukommen, und daher sind
die prima materia und die Elemente identisch.1 Die Elemente
lassen sich nicht ineinander verwandeln, sondern sind unver-

führlich darzulegen habe, gehe ich hier auf eine Kritik der Berufung auf diese
Stellen nicht weiter ein.
1 A. a. O. p. 56--58, 78.

Magnenus: Historisches. Prima materia.
Bemerkungen über den Zustand der zeitgenössischen Natur-
philosophie enthält. Sebastian Basso wird als Neuerer und
Gegner des Aristoteles erwähnt, Paracelsus, Campanella,
Fludd, Croll
und die Chemiker werden mit wenig Achtung
genannt, dagegen Tycho, Kepler, Galilei, Scheiner gepriesen
als die wenigen, welche unbefangen nach Wahrheit streben
und den Begründern der Wissenschaften zuzuzählen sind, weil
sie auf Grund der Erfahrung philosophieren und den Anteil
der Mathematik an der Philosophie klarlegen. Descartes oder
Gassendi finden sich nirgends erwähnt. Sich selbst rechnet
Magnenus zu den Erneuerern älterer Ansichten; wie Coppernikus
den Aristarch, Marsilius Ficinus den Platon, so wolle er den
Demokrit zu Ehren bringen. Doch geschehe dies zunächst
nur im historischen Interesse; vortragen vom Katheder aus
werde er stets nur den Aristoteles, welcher für den Unter-
richt der Jugend am besten sich eigne.

Das Buch selbst ist nach „mathematischer Methode‟ ge-
schrieben, mit Grundsätzen, Postulaten, Definitionen, Lehrsätzen
und Beweisen. Wir geben eine Übersicht der magnenischen
Lehren im Zusammenhange.

Die aristotelischen Begriffe von den substanziellen Formen
und der ursprünglichen Materie werden mit averroistischer
Färbung beibehalten; die Form hat die Materie, aus welcher
sie educiert wird, zur sie bedingenden Voraussetzung. Es gibt
aber keine allgemeine prima materia im aristotelischen Sinne,
sondern die prima materia ist nichts andres als die Elemente
selbst. Sie ist nicht ein eigenschaftsloses Substrat, sondern
enthält bereits folgende Eigenschaften als unabtrennliche. Sie
ist das erste Subjekt aller Körper, ist in allen Naturkörpern
ein und dieselbe, kann weder entstehen noch vergehen und
bildet die Grundbestandteile, in welche alle Körper durch die
letzte Auflösung zerlegt werden. Diese Bestimmungen sind aber
dieselben, welche den Elementen zukommen, und daher sind
die prima materia und die Elemente identisch.1 Die Elemente
lassen sich nicht ineinander verwandeln, sondern sind unver-

führlich darzulegen habe, gehe ich hier auf eine Kritik der Berufung auf diese
Stellen nicht weiter ein.
1 A. a. O. p. 56—58, 78.
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[500/0518] Magnenus: Historisches. Prima materia. Bemerkungen über den Zustand der zeitgenössischen Natur- philosophie enthält. Sebastian Basso wird als Neuerer und Gegner des Aristoteles erwähnt, Paracelsus, Campanella, Fludd, Croll und die Chemiker werden mit wenig Achtung genannt, dagegen Tycho, Kepler, Galilei, Scheiner gepriesen als die wenigen, welche unbefangen nach Wahrheit streben und den Begründern der Wissenschaften zuzuzählen sind, weil sie auf Grund der Erfahrung philosophieren und den Anteil der Mathematik an der Philosophie klarlegen. Descartes oder Gassendi finden sich nirgends erwähnt. Sich selbst rechnet Magnenus zu den Erneuerern älterer Ansichten; wie Coppernikus den Aristarch, Marsilius Ficinus den Platon, so wolle er den Demokrit zu Ehren bringen. Doch geschehe dies zunächst nur im historischen Interesse; vortragen vom Katheder aus werde er stets nur den Aristoteles, welcher für den Unter- richt der Jugend am besten sich eigne. Das Buch selbst ist nach „mathematischer Methode‟ ge- schrieben, mit Grundsätzen, Postulaten, Definitionen, Lehrsätzen und Beweisen. Wir geben eine Übersicht der magnenischen Lehren im Zusammenhange. Die aristotelischen Begriffe von den substanziellen Formen und der ursprünglichen Materie werden mit averroistischer Färbung beibehalten; die Form hat die Materie, aus welcher sie educiert wird, zur sie bedingenden Voraussetzung. Es gibt aber keine allgemeine prima materia im aristotelischen Sinne, sondern die prima materia ist nichts andres als die Elemente selbst. Sie ist nicht ein eigenschaftsloses Substrat, sondern enthält bereits folgende Eigenschaften als unabtrennliche. Sie ist das erste Subjekt aller Körper, ist in allen Naturkörpern ein und dieselbe, kann weder entstehen noch vergehen und bildet die Grundbestandteile, in welche alle Körper durch die letzte Auflösung zerlegt werden. Diese Bestimmungen sind aber dieselben, welche den Elementen zukommen, und daher sind die prima materia und die Elemente identisch. 1 Die Elemente lassen sich nicht ineinander verwandeln, sondern sind unver- 2 1 A. a. O. p. 56—58, 78. 2 führlich darzulegen habe, gehe ich hier auf eine Kritik der Berufung auf diese Stellen nicht weiter ein.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/518>, abgerufen am 28.11.2024.