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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Atomus als Zeitmaß. Im Sprachgebrauch.
Einteilung des Momentums in 12 mal 47 Atome stammt, weiß
ich nicht zu sagen. Dieselbe Einteilung wie die Zeit eines
Tages erfährt auch der Sonnenkreis des Jahres, der Zodiacus,
und Beda sagt, daß namentlich die Astrologen (mathematici)
hier bis zum Atom zu kommen streben, um den Augenblick
der Geburt eines Menschen mit möglichster Genauigkeit zu
bestimmen. Auch den Gebrauch des Wortes bei den Gram-
matikern in der Einteilung des Rhythmus erwähnt er. Im übrigen
aber ist zu bemerken, daß, wenn auch die Rechenkundigen
notgedrungen so feine Unterschiede machen, doch die Mehr-
zahl der Schriftsteller unterschiedslos den kürzesten Zeitraum
bald Moment, bald Punkt, bald Atom nennen.1

Das Wort Atom geht mehr und mehr in den allgemeinen
Sprachgebrauch über, um irgend ein Kleinstes, nicht weiter
Teilbares zu bezeichnen. Wie der Musiker und der Astrologe
von Atomen sprach, wie der Grammatiker den einzelnen Laut
ein Atom nannte,2 so benutzte man diesen Ausdruck allgemein,
um einen Augenblick, ein Sandkorn, ein Stäubchen, irgend ein
möglichst Geringes anzuzeigen. An eine philosophische Theorie
wird dabei nicht mehr gedacht, das Wort hat seine metaphy-
sische Bedeutung verloren und ist von den modernen Sprachen
in eigenem Sinne aufgenommen.3 Der Name der Atome wird
um so populärer, je mehr die Erinnerung an den ursprünglichen
Terminus schwindet.

Auch Rabanus Maurus, der 856 als Erzbischof von Mainz
starb, gebraucht das Wort Atom unbedenklich, ohne dabei
eine Vertretung der atomistischen Theorien im Sinne zu haben,
indem er fast wörtlich über die Atome das wiederholt, was
Beda darüber gesagt hat.4 Der Vergleich mit Isidorus zeigt,

1 Beda, a. a. O. Op. II, p. 46.
2 Sergius, De littera etc. ed. Keil. IV, p. 475. Littera sola non habet,
quo solvatur. ideo a philosophis atomos dicitur.
3 Im Italienischen ward es zu attimo = Augenblick, atomo = Sonnen-
stäubchen.
4 Magnentii Hrabani Mauri Opera a Jac. Pamelio collecta. Colon. Agrip-
pinae 1626. Fol. Tom. I. p. 145. De universo lib. IX. c. 1. (De atomis.) Einen
Artikel gegen die Atome hat auch das berühmte Sammelwerk des Vincenz von
Beauvais
(+ 1264), s. Speculi majoris Vincentii Burgundi Praesulis Belvacensis.
Venet. 1591, T. I. f. 14b (l. II, c. 2).

Atomus als Zeitmaß. Im Sprachgebrauch.
Einteilung des Momentums in 12 mal 47 Atome stammt, weiß
ich nicht zu sagen. Dieselbe Einteilung wie die Zeit eines
Tages erfährt auch der Sonnenkreis des Jahres, der Zodiacus,
und Beda sagt, daß namentlich die Astrologen (mathematici)
hier bis zum Atom zu kommen streben, um den Augenblick
der Geburt eines Menschen mit möglichster Genauigkeit zu
bestimmen. Auch den Gebrauch des Wortes bei den Gram-
matikern in der Einteilung des Rhythmus erwähnt er. Im übrigen
aber ist zu bemerken, daß, wenn auch die Rechenkundigen
notgedrungen so feine Unterschiede machen, doch die Mehr-
zahl der Schriftsteller unterschiedslos den kürzesten Zeitraum
bald Moment, bald Punkt, bald Atom nennen.1

Das Wort Atom geht mehr und mehr in den allgemeinen
Sprachgebrauch über, um irgend ein Kleinstes, nicht weiter
Teilbares zu bezeichnen. Wie der Musiker und der Astrologe
von Atomen sprach, wie der Grammatiker den einzelnen Laut
ein Atom nannte,2 so benutzte man diesen Ausdruck allgemein,
um einen Augenblick, ein Sandkorn, ein Stäubchen, irgend ein
möglichst Geringes anzuzeigen. An eine philosophische Theorie
wird dabei nicht mehr gedacht, das Wort hat seine metaphy-
sische Bedeutung verloren und ist von den modernen Sprachen
in eigenem Sinne aufgenommen.3 Der Name der Atome wird
um so populärer, je mehr die Erinnerung an den ursprünglichen
Terminus schwindet.

Auch Rabanus Maurus, der 856 als Erzbischof von Mainz
starb, gebraucht das Wort Atom unbedenklich, ohne dabei
eine Vertretung der atomistischen Theorien im Sinne zu haben,
indem er fast wörtlich über die Atome das wiederholt, was
Beda darüber gesagt hat.4 Der Vergleich mit Isidorus zeigt,

1 Beda, a. a. O. Op. II, p. 46.
2 Sergius, De littera etc. ed. Keil. IV, p. 475. Littera sola non habet,
quo solvatur. ideo a philosophis atomos dicitur.
3 Im Italienischen ward es zu attimo = Augenblick, atomo = Sonnen-
stäubchen.
4 Magnentii Hrabani Mauri Opera a Jac. Pamelio collecta. Colon. Agrip-
pinae 1626. Fol. Tom. I. p. 145. De universo lib. IX. c. 1. (De atomis.) Einen
Artikel gegen die Atome hat auch das berühmte Sammelwerk des Vincenz von
Beauvais
(† 1264), s. Speculi majoris Vincentii Burgundi Praesulis Belvacensis.
Venet. 1591, T. I. f. 14b (l. II, c. 2).
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[36/0054] Atomus als Zeitmaß. Im Sprachgebrauch. Einteilung des Momentums in 12 mal 47 Atome stammt, weiß ich nicht zu sagen. Dieselbe Einteilung wie die Zeit eines Tages erfährt auch der Sonnenkreis des Jahres, der Zodiacus, und Beda sagt, daß namentlich die Astrologen (mathematici) hier bis zum Atom zu kommen streben, um den Augenblick der Geburt eines Menschen mit möglichster Genauigkeit zu bestimmen. Auch den Gebrauch des Wortes bei den Gram- matikern in der Einteilung des Rhythmus erwähnt er. Im übrigen aber ist zu bemerken, daß, wenn auch die Rechenkundigen notgedrungen so feine Unterschiede machen, doch die Mehr- zahl der Schriftsteller unterschiedslos den kürzesten Zeitraum bald Moment, bald Punkt, bald Atom nennen. 1 Das Wort Atom geht mehr und mehr in den allgemeinen Sprachgebrauch über, um irgend ein Kleinstes, nicht weiter Teilbares zu bezeichnen. Wie der Musiker und der Astrologe von Atomen sprach, wie der Grammatiker den einzelnen Laut ein Atom nannte, 2 so benutzte man diesen Ausdruck allgemein, um einen Augenblick, ein Sandkorn, ein Stäubchen, irgend ein möglichst Geringes anzuzeigen. An eine philosophische Theorie wird dabei nicht mehr gedacht, das Wort hat seine metaphy- sische Bedeutung verloren und ist von den modernen Sprachen in eigenem Sinne aufgenommen. 3 Der Name der Atome wird um so populärer, je mehr die Erinnerung an den ursprünglichen Terminus schwindet. Auch Rabanus Maurus, der 856 als Erzbischof von Mainz starb, gebraucht das Wort Atom unbedenklich, ohne dabei eine Vertretung der atomistischen Theorien im Sinne zu haben, indem er fast wörtlich über die Atome das wiederholt, was Beda darüber gesagt hat. 4 Der Vergleich mit Isidorus zeigt, 1 Beda, a. a. O. Op. II, p. 46. 2 Sergius, De littera etc. ed. Keil. IV, p. 475. Littera sola non habet, quo solvatur. ideo a philosophis atomos dicitur. 3 Im Italienischen ward es zu attimo = Augenblick, atomo = Sonnen- stäubchen. 4 Magnentii Hrabani Mauri Opera a Jac. Pamelio collecta. Colon. Agrip- pinae 1626. Fol. Tom. I. p. 145. De universo lib. IX. c. 1. (De atomis.) Einen Artikel gegen die Atome hat auch das berühmte Sammelwerk des Vincenz von Beauvais († 1264), s. Speculi majoris Vincentii Burgundi Praesulis Belvacensis. Venet. 1591, T. I. f. 14b (l. II, c. 2).

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/54>, abgerufen am 21.11.2024.