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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Die Materie im Timäus.
nung sah, sondern der hypothetische Konstruktionsversuch
des Kosmos aus der Materie des Timäus war es, welcher der
voraristotelischen Scholastik den Anhaltspunkt gab, sich an
Versuche über die elementare Zusammensetzung der Körperwelt
zu wagen. Wir bewegen uns daher unter dem Banne der
Physik des Timäus nur im Kreise von Vermutungen, welche
auf nicht mehr als eine erleichternde Veranschaulichkeit der
Vorgänge in der Körperwelt abzielen.

Hier nimmt Platon einen ungestalteten Grundstoff, die
Materie (#) an, welchen der Weltschöpfer
nach mathematischem Gesetze zu bestimmten körperlichen
Elementen formt.1 Da die Welt sichtbar und greifbar sein
sollte, so mußte sie Feuer und Erde enthalten; beide aber
bedürfen einer Vermittelung, und die beste Vermittelung ist
die durch die (stetige) Proportion; und da es sich hier nicht
um Flächen, sondern um Körper handelt, so sind zur Vermitt-
lung zwei mittlere Proportionalen erforderlich.2 Diese werden
gebildet durch Luft und Wasser, so daß sich verhält Feuer zu
Luft, wie Luft zu Wasser, und Luft zu Wasser, wie Wasser
zur Erde.

Der Grund dieser Aufstellung Platons dürfte nicht auf
arithmetischem,3 sondern auf geometrischem Gebiete zu suchen
sein und auf der Beschäftigung Platons mit der die Geometer
seiner Zeit anstrengenden Aufgabe über die Verdoppelung des
Würfels beruhen, von welcher Platon nach dem Berichte des
Eutokius von Askalon eine erste Auflösung gegeben haben
soll.4 Hippokrates von Chios hatte (nach dem Bericht des
Eratosthenes) die Aufgabe durch Vergleich mit der Frage
nach der Verdoppelung des Quadrats auf die Konstruktion
zweier mittleren Proportionalen zurückgeführt, und diese Hippo-
kratische Form der Aufgabe hat hier vermutlich Platon vorge-
schwebt, wenn er von dem Erfordernis zweier mittleren Pro-
portionalen bei der Verknüpfung von Körpern spricht. Es
erklärt sich dann, warum Platon gerade zwei mittlere Propor-

1 Zum Folg. vgl. Zeller a. a. O. p. 671 ff.
2 Tim. c. 7.
3 S. Boeckh, De Platonica corporis mundani fabrica etc. Ges. kleine
Schriften
, Leipz. 1866. III p. 229 f. Zeller a. a. O. S. 671 A. 3.
4 Cantor, Gesch. d. Math., I. S. 194 ff.

Die Materie im Timäus.
nung sah, sondern der hypothetische Konstruktionsversuch
des Kosmos aus der Materie des Timäus war es, welcher der
voraristotelischen Scholastik den Anhaltspunkt gab, sich an
Versuche über die elementare Zusammensetzung der Körperwelt
zu wagen. Wir bewegen uns daher unter dem Banne der
Physik des Timäus nur im Kreise von Vermutungen, welche
auf nicht mehr als eine erleichternde Veranschaulichkeit der
Vorgänge in der Körperwelt abzielen.

Hier nimmt Platon einen ungestalteten Grundstoff, die
Materie (#) an, welchen der Weltschöpfer
nach mathematischem Gesetze zu bestimmten körperlichen
Elementen formt.1 Da die Welt sichtbar und greifbar sein
sollte, so mußte sie Feuer und Erde enthalten; beide aber
bedürfen einer Vermittelung, und die beste Vermittelung ist
die durch die (stetige) Proportion; und da es sich hier nicht
um Flächen, sondern um Körper handelt, so sind zur Vermitt-
lung zwei mittlere Proportionalen erforderlich.2 Diese werden
gebildet durch Luft und Wasser, so daß sich verhält Feuer zu
Luft, wie Luft zu Wasser, und Luft zu Wasser, wie Wasser
zur Erde.

Der Grund dieser Aufstellung Platons dürfte nicht auf
arithmetischem,3 sondern auf geometrischem Gebiete zu suchen
sein und auf der Beschäftigung Platons mit der die Geometer
seiner Zeit anstrengenden Aufgabe über die Verdoppelung des
Würfels beruhen, von welcher Platon nach dem Berichte des
Eutokius von Askalon eine erste Auflösung gegeben haben
soll.4 Hippokrates von Chios hatte (nach dem Bericht des
Eratosthenes) die Aufgabe durch Vergleich mit der Frage
nach der Verdoppelung des Quadrats auf die Konstruktion
zweier mittleren Proportionalen zurückgeführt, und diese Hippo-
kratische Form der Aufgabe hat hier vermutlich Platon vorge-
schwebt, wenn er von dem Erfordernis zweier mittleren Pro-
portionalen bei der Verknüpfung von Körpern spricht. Es
erklärt sich dann, warum Platon gerade zwei mittlere Propor-

1 Zum Folg. vgl. Zeller a. a. O. p. 671 ff.
2 Tim. c. 7.
3 S. Boeckh, De Platonica corporis mundani fabrica etc. Ges. kleine
Schriften
, Leipz. 1866. III p. 229 f. Zeller a. a. O. S. 671 A. 3.
4 Cantor, Gesch. d. Math., I. S. 194 ff.
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[62/0080] Die Materie im Timäus. nung sah, sondern der hypothetische Konstruktionsversuch des Kosmos aus der Materie des Timäus war es, welcher der voraristotelischen Scholastik den Anhaltspunkt gab, sich an Versuche über die elementare Zusammensetzung der Körperwelt zu wagen. Wir bewegen uns daher unter dem Banne der Physik des Timäus nur im Kreise von Vermutungen, welche auf nicht mehr als eine erleichternde Veranschaulichkeit der Vorgänge in der Körperwelt abzielen. Hier nimmt Platon einen ungestalteten Grundstoff, die Materie (#) an, welchen der Weltschöpfer nach mathematischem Gesetze zu bestimmten körperlichen Elementen formt. 1 Da die Welt sichtbar und greifbar sein sollte, so mußte sie Feuer und Erde enthalten; beide aber bedürfen einer Vermittelung, und die beste Vermittelung ist die durch die (stetige) Proportion; und da es sich hier nicht um Flächen, sondern um Körper handelt, so sind zur Vermitt- lung zwei mittlere Proportionalen erforderlich. 2 Diese werden gebildet durch Luft und Wasser, so daß sich verhält Feuer zu Luft, wie Luft zu Wasser, und Luft zu Wasser, wie Wasser zur Erde. Der Grund dieser Aufstellung Platons dürfte nicht auf arithmetischem, 3 sondern auf geometrischem Gebiete zu suchen sein und auf der Beschäftigung Platons mit der die Geometer seiner Zeit anstrengenden Aufgabe über die Verdoppelung des Würfels beruhen, von welcher Platon nach dem Berichte des Eutokius von Askalon eine erste Auflösung gegeben haben soll. 4 Hippokrates von Chios hatte (nach dem Bericht des Eratosthenes) die Aufgabe durch Vergleich mit der Frage nach der Verdoppelung des Quadrats auf die Konstruktion zweier mittleren Proportionalen zurückgeführt, und diese Hippo- kratische Form der Aufgabe hat hier vermutlich Platon vorge- schwebt, wenn er von dem Erfordernis zweier mittleren Pro- portionalen bei der Verknüpfung von Körpern spricht. Es erklärt sich dann, warum Platon gerade zwei mittlere Propor- 1 Zum Folg. vgl. Zeller a. a. O. p. 671 ff. 2 Tim. c. 7. 3 S. Boeckh, De Platonica corporis mundani fabrica etc. Ges. kleine Schriften, Leipz. 1866. III p. 229 f. Zeller a. a. O. S. 671 A. 3. 4 Cantor, Gesch. d. Math., I. S. 194 ff.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/80>, abgerufen am 21.11.2024.