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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Die zwei mittleren Proportionalen.
tionalen als notwendig erklärt, weil er nämlich stillschweigend
die Elemente wie ähnliche Körper betrachtet und ebenso still-
schweigend zwischen den Elementen und ihren Eigenschaften
eine Beziehung voraussetzt, wie zwischen ähnlichen Polyedern
und ihren Kanten (oder Kubikzahlen und ihren Basen). Denn
ohne dergleichen stillschweigende Annahmen würde die ganze
Aufgabe der Einschaltung vollständig unbestimmt bleiben.
Übrigens dürfte es sich bei dem Versuche, zwischen den Ele-
menten eine Proportion aufzustellen, bei Platon wohl nur um
einen gelegentlichen Einfall handeln, an dem er ohne weitere
Ausführung vorübergeht. Die beiden mittleren Proportionalen,
welche zwischen den Kanten zweier ähnlicher Körper von gege-
benem Volumen einzuschalten sind, um aus der gegebenen
Kante des einen die gesuchte des andern konstruieren zu
können, sind bei der von Platon gelösten Konstruktionsaufgabe
durch die mathematischen Größenbeziehungen zwischen Kör-
pern und Kanten bestimmt. Bei zwei Elementen weiß aber
niemand, worauf sich überhaupt die Proportionalität beziehen
und welche quantitative Relation derselben zu ihren Eigen-
schaften bestehen soll. Daher kann es sich nur um eine
unklare, mehr spielende als mathematische Analogie handeln.
Gleichwohl hat der hingeworfene Gedanke Platons in späterer
Zeit mehrfach zu dem Versuche Veranlassung gegeben, von
ihm aus zu einer Art von quantitativer Bestimmung der Eigen-
schaften der Elemente in ihrem gegenseitigen Verhältnisse zu
gelangen, so z. B. bei Agrippa von Nettesheim und Digby.

Eine klarere Ableitung der Elemente, welche für die Ge-
schichte der Korpuskulartheorie von nicht geringerem Einfluß
gewesen ist, gibt Platon im Anschluß an die Elementenlehre
des Pythagoreers Philolaus. Dieser hatte den kleinsten Be-
standteilen der Erde den Würfel, denen des Feuers das Tetraeder,
der Luft das Oktaeder und dem Wasser das Ikosaeder als
Form zugeschrieben, während er für das alle umfassende Ele-
ment, den Äther, das Dodekaeder in Anspruch nahm.1 Platon
verschaffte den Elementarteilen der Körper eine geometrische
Grundlage, indem er die regelmäßigen Polyeder aus zwei
Arten von ursprünglichen Dreiecken zusammengesetzt dachte,

1 Zeller, Phil. d. Gr. I. S. 376.

Die zwei mittleren Proportionalen.
tionalen als notwendig erklärt, weil er nämlich stillschweigend
die Elemente wie ähnliche Körper betrachtet und ebenso still-
schweigend zwischen den Elementen und ihren Eigenschaften
eine Beziehung voraussetzt, wie zwischen ähnlichen Polyedern
und ihren Kanten (oder Kubikzahlen und ihren Basen). Denn
ohne dergleichen stillschweigende Annahmen würde die ganze
Aufgabe der Einschaltung vollständig unbestimmt bleiben.
Übrigens dürfte es sich bei dem Versuche, zwischen den Ele-
menten eine Proportion aufzustellen, bei Platon wohl nur um
einen gelegentlichen Einfall handeln, an dem er ohne weitere
Ausführung vorübergeht. Die beiden mittleren Proportionalen,
welche zwischen den Kanten zweier ähnlicher Körper von gege-
benem Volumen einzuschalten sind, um aus der gegebenen
Kante des einen die gesuchte des andern konstruieren zu
können, sind bei der von Platon gelösten Konstruktionsaufgabe
durch die mathematischen Größenbeziehungen zwischen Kör-
pern und Kanten bestimmt. Bei zwei Elementen weiß aber
niemand, worauf sich überhaupt die Proportionalität beziehen
und welche quantitative Relation derselben zu ihren Eigen-
schaften bestehen soll. Daher kann es sich nur um eine
unklare, mehr spielende als mathematische Analogie handeln.
Gleichwohl hat der hingeworfene Gedanke Platons in späterer
Zeit mehrfach zu dem Versuche Veranlassung gegeben, von
ihm aus zu einer Art von quantitativer Bestimmung der Eigen-
schaften der Elemente in ihrem gegenseitigen Verhältnisse zu
gelangen, so z. B. bei Agrippa von Nettesheim und Digby.

Eine klarere Ableitung der Elemente, welche für die Ge-
schichte der Korpuskulartheorie von nicht geringerem Einfluß
gewesen ist, gibt Platon im Anschluß an die Elementenlehre
des Pythagoreers Philolaus. Dieser hatte den kleinsten Be-
standteilen der Erde den Würfel, denen des Feuers das Tetraeder,
der Luft das Oktaeder und dem Wasser das Ikosaeder als
Form zugeschrieben, während er für das alle umfassende Ele-
ment, den Äther, das Dodekaeder in Anspruch nahm.1 Platon
verschaffte den Elementarteilen der Körper eine geometrische
Grundlage, indem er die regelmäßigen Polyeder aus zwei
Arten von ursprünglichen Dreiecken zusammengesetzt dachte,

1 Zeller, Phil. d. Gr. I. S. 376.
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[63/0081] Die zwei mittleren Proportionalen. tionalen als notwendig erklärt, weil er nämlich stillschweigend die Elemente wie ähnliche Körper betrachtet und ebenso still- schweigend zwischen den Elementen und ihren Eigenschaften eine Beziehung voraussetzt, wie zwischen ähnlichen Polyedern und ihren Kanten (oder Kubikzahlen und ihren Basen). Denn ohne dergleichen stillschweigende Annahmen würde die ganze Aufgabe der Einschaltung vollständig unbestimmt bleiben. Übrigens dürfte es sich bei dem Versuche, zwischen den Ele- menten eine Proportion aufzustellen, bei Platon wohl nur um einen gelegentlichen Einfall handeln, an dem er ohne weitere Ausführung vorübergeht. Die beiden mittleren Proportionalen, welche zwischen den Kanten zweier ähnlicher Körper von gege- benem Volumen einzuschalten sind, um aus der gegebenen Kante des einen die gesuchte des andern konstruieren zu können, sind bei der von Platon gelösten Konstruktionsaufgabe durch die mathematischen Größenbeziehungen zwischen Kör- pern und Kanten bestimmt. Bei zwei Elementen weiß aber niemand, worauf sich überhaupt die Proportionalität beziehen und welche quantitative Relation derselben zu ihren Eigen- schaften bestehen soll. Daher kann es sich nur um eine unklare, mehr spielende als mathematische Analogie handeln. Gleichwohl hat der hingeworfene Gedanke Platons in späterer Zeit mehrfach zu dem Versuche Veranlassung gegeben, von ihm aus zu einer Art von quantitativer Bestimmung der Eigen- schaften der Elemente in ihrem gegenseitigen Verhältnisse zu gelangen, so z. B. bei Agrippa von Nettesheim und Digby. Eine klarere Ableitung der Elemente, welche für die Ge- schichte der Korpuskulartheorie von nicht geringerem Einfluß gewesen ist, gibt Platon im Anschluß an die Elementenlehre des Pythagoreers Philolaus. Dieser hatte den kleinsten Be- standteilen der Erde den Würfel, denen des Feuers das Tetraeder, der Luft das Oktaeder und dem Wasser das Ikosaeder als Form zugeschrieben, während er für das alle umfassende Ele- ment, den Äther, das Dodekaeder in Anspruch nahm. 1 Platon verschaffte den Elementarteilen der Körper eine geometrische Grundlage, indem er die regelmäßigen Polyeder aus zwei Arten von ursprünglichen Dreiecken zusammengesetzt dachte, 1 Zeller, Phil. d. Gr. I. S. 376.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/81>, abgerufen am 21.11.2024.