"Eine konventionelle Zeit muß es doch geben. Die Leute müssen doch festsetzen, wann sie schlafen und wann sie zu Mittag essen sollen. Wir also haben z. B. unsere mitteleuropäische Einheitszeit auf unseren Taschenuhren mitgebracht, und danach hätten wir jetzt neun Uhr 55 Minuten Vormittags. Als der Ballon scheiterte, war es nach mitteleuropäischer Zeit gegen sechs Uhr abends. Nun weiß ich bloß nicht, ob seit- dem ein oder zwei Nächte vergangen sind, denn das hängt von der Länge unserer Ohnmacht und unseres Schlafes ab."
"Das weiß ich allerdings auch nicht. Jch weiß auch nicht, wann unser erstes Erwachen stattgefunden hat; das Jhrige vermutlich bald nach dem meinigen."
"Nun, das läßt sich nachher aus der Deklination der Sonne feststellen, welches Datum wir haben. Jch habe meine Uhr auch jetzt erst wieder entdeckt -- beide Uhren, und da sie übereinstimmen, sind sie auch nicht stehen geblieben --"
"Nein, ich habe dieselbe Zeit --"
"Ja, aber welche Zeit rechnen die Martier hier? Sehen Sie, das haben sie mir auch mitgeteilt, und daher weiß ich, daß es für sie jetzt Schlafenszeit ist, und daß sie erst in vielleicht zwei Stunden aufstehen werden. Deswegen sagte ich, es sei zwischen drei und vier bei unsern Wirten; wie sie die Stunden zählen und benennen, weiß ich allerdings auch nicht."
"Aber Doktor, woher wissen Sie denn, was bei den Martiern für eine Tageseinteilung Mode ist, und was die Glocke bei ihnen geschlagen hat?"
Neuntes Kapitel.
„Eine konventionelle Zeit muß es doch geben. Die Leute müſſen doch feſtſetzen, wann ſie ſchlafen und wann ſie zu Mittag eſſen ſollen. Wir alſo haben z. B. unſere mitteleuropäiſche Einheitszeit auf unſeren Taſchenuhren mitgebracht, und danach hätten wir jetzt neun Uhr 55 Minuten Vormittags. Als der Ballon ſcheiterte, war es nach mitteleuropäiſcher Zeit gegen ſechs Uhr abends. Nun weiß ich bloß nicht, ob ſeit- dem ein oder zwei Nächte vergangen ſind, denn das hängt von der Länge unſerer Ohnmacht und unſeres Schlafes ab.‟
„Das weiß ich allerdings auch nicht. Jch weiß auch nicht, wann unſer erſtes Erwachen ſtattgefunden hat; das Jhrige vermutlich bald nach dem meinigen.‟
„Nun, das läßt ſich nachher aus der Deklination der Sonne feſtſtellen, welches Datum wir haben. Jch habe meine Uhr auch jetzt erſt wieder entdeckt — beide Uhren, und da ſie übereinſtimmen, ſind ſie auch nicht ſtehen geblieben —‟
„Nein, ich habe dieſelbe Zeit —‟
„Ja, aber welche Zeit rechnen die Martier hier? Sehen Sie, das haben ſie mir auch mitgeteilt, und daher weiß ich, daß es für ſie jetzt Schlafenszeit iſt, und daß ſie erſt in vielleicht zwei Stunden aufſtehen werden. Deswegen ſagte ich, es ſei zwiſchen drei und vier bei unſern Wirten; wie ſie die Stunden zählen und benennen, weiß ich allerdings auch nicht.‟
„Aber Doktor, woher wiſſen Sie denn, was bei den Martiern für eine Tageseinteilung Mode iſt, und was die Glocke bei ihnen geſchlagen hat?‟
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Neuntes Kapitel.
„Eine konventionelle Zeit muß es doch geben.
Die Leute müſſen doch feſtſetzen, wann ſie ſchlafen
und wann ſie zu Mittag eſſen ſollen. Wir alſo haben
z. B. unſere mitteleuropäiſche Einheitszeit auf unſeren
Taſchenuhren mitgebracht, und danach hätten wir jetzt
neun Uhr 55 Minuten Vormittags. Als der Ballon
ſcheiterte, war es nach mitteleuropäiſcher Zeit gegen
ſechs Uhr abends. Nun weiß ich bloß nicht, ob ſeit-
dem ein oder zwei Nächte vergangen ſind, denn das
hängt von der Länge unſerer Ohnmacht und unſeres
Schlafes ab.‟
„Das weiß ich allerdings auch nicht. Jch weiß
auch nicht, wann unſer erſtes Erwachen ſtattgefunden
hat; das Jhrige vermutlich bald nach dem meinigen.‟
„Nun, das läßt ſich nachher aus der Deklination
der Sonne feſtſtellen, welches Datum wir haben. Jch
habe meine Uhr auch jetzt erſt wieder entdeckt — beide
Uhren, und da ſie übereinſtimmen, ſind ſie auch nicht
ſtehen geblieben —‟
„Nein, ich habe dieſelbe Zeit —‟
„Ja, aber welche Zeit rechnen die Martier hier?
Sehen Sie, das haben ſie mir auch mitgeteilt, und
daher weiß ich, daß es für ſie jetzt Schlafenszeit iſt,
und daß ſie erſt in vielleicht zwei Stunden aufſtehen
werden. Deswegen ſagte ich, es ſei zwiſchen drei und
vier bei unſern Wirten; wie ſie die Stunden zählen
und benennen, weiß ich allerdings auch nicht.‟
„Aber Doktor, woher wiſſen Sie denn, was bei
den Martiern für eine Tageseinteilung Mode iſt, und
was die Glocke bei ihnen geſchlagen hat?‟
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/134>, abgerufen am 23.11.2024.
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