Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.Pläne und Sorgen. Glücklichen haben gelernt, wie Götter ins eigne Herzzu schauen, wir armen Menschen aber wenden uns in solchen Fällen an unser Gefühl. Wir nennen es zwar Gewissen, sittliches Gefühl, weil es das umfaßt, was uns allen als Menschen gemeinsam sein soll. Aber als Gefühl bleibt es doch immer so eng verwachsen mit dem Einzelgefühl, daß wir nur zu leicht für Pflicht halten, was im Grunde Neigung ist; und wenn nicht unsre Neigung, vielleicht die Neigung, die Gewohnheit unsres Stammes, unsrer Zeitgenossen. Und wir thun aus bester Absicht das Unrechte. Auch der Jndianer folgt seinem Gewissen, wenn er den Feind skalpiert. Wir irren, weil wir blind sind." "Sie mischen schon wieder einen anderen Jrrtum "Das meinte ich ja; eben auch darin können wir Pläne und Sorgen. Glücklichen haben gelernt, wie Götter ins eigne Herzzu ſchauen, wir armen Menſchen aber wenden uns in ſolchen Fällen an unſer Gefühl. Wir nennen es zwar Gewiſſen, ſittliches Gefühl, weil es das umfaßt, was uns allen als Menſchen gemeinſam ſein ſoll. Aber als Gefühl bleibt es doch immer ſo eng verwachſen mit dem Einzelgefühl, daß wir nur zu leicht für Pflicht halten, was im Grunde Neigung iſt; und wenn nicht unſre Neigung, vielleicht die Neigung, die Gewohnheit unſres Stammes, unſrer Zeitgenoſſen. Und wir thun aus beſter Abſicht das Unrechte. Auch der Jndianer folgt ſeinem Gewiſſen, wenn er den Feind ſkalpiert. Wir irren, weil wir blind ſind.‟ „Sie miſchen ſchon wieder einen anderen Jrrtum „Das meinte ich ja; eben auch darin können wir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0277" n="269"/><fw place="top" type="header">Pläne und Sorgen.</fw><lb/> Glücklichen haben gelernt, wie Götter ins eigne Herz<lb/> zu ſchauen, wir armen Menſchen aber wenden uns in<lb/> ſolchen Fällen an unſer Gefühl. Wir nennen es zwar<lb/> Gewiſſen, ſittliches Gefühl, weil es das umfaßt, was<lb/> uns allen als Menſchen gemeinſam ſein ſoll. Aber<lb/> als Gefühl bleibt es doch immer ſo eng verwachſen<lb/> mit dem Einzelgefühl, daß wir nur zu leicht für Pflicht<lb/> halten, was im Grunde Neigung iſt; und wenn nicht<lb/> unſre Neigung, vielleicht die Neigung, die Gewohnheit<lb/> unſres Stammes, unſrer Zeitgenoſſen. Und wir thun<lb/> aus beſter Abſicht das Unrechte. Auch der Jndianer<lb/> folgt ſeinem Gewiſſen, wenn er den Feind ſkalpiert.<lb/> Wir irren, weil wir blind ſind.‟</p><lb/> <p>„Sie miſchen ſchon wieder einen anderen Jrrtum<lb/> dazwiſchen, Sal. Nicht darauf kommt es an, ob wir<lb/> das Richtige treffen, ſondern darauf, ob wir aus den<lb/> richtigen Motiven wollen. Wer das kann, beſitzt<lb/> Numenheit. Wenn der Jndianer den Feind ſkalpiert,<lb/> ſo wird er von der höheren Geſittung eines Beſſeren<lb/> belehrt, oder vernichtet. Aber dies trifft nur ſeinen<lb/> Jrrtum, nämlich die Folgen, die daraus in der Welt<lb/> entſtehen. Doch die Heiligkeit ſeines Willens bleibt<lb/> unberührt, wenn er lieber zu Grunde geht, als das auf-<lb/> gibt, was er für ſittliche Pflicht hält. Sie brauchen<lb/> alſo nicht darum zu ſorgen, ob Sie bei Jhrer Ent-<lb/> ſcheidung das Richtige treffen in dem, was Sie thun,<lb/> ſondern nur, ob Jhr Motiv rein iſt in dem, was Sie<lb/> wollen.‟</p><lb/> <p>„Das meinte ich ja; eben auch darin können wir<lb/> uns täuſchen. Se, ich muß Jhnen gegenüber ganz<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [269/0277]
Pläne und Sorgen.
Glücklichen haben gelernt, wie Götter ins eigne Herz
zu ſchauen, wir armen Menſchen aber wenden uns in
ſolchen Fällen an unſer Gefühl. Wir nennen es zwar
Gewiſſen, ſittliches Gefühl, weil es das umfaßt, was
uns allen als Menſchen gemeinſam ſein ſoll. Aber
als Gefühl bleibt es doch immer ſo eng verwachſen
mit dem Einzelgefühl, daß wir nur zu leicht für Pflicht
halten, was im Grunde Neigung iſt; und wenn nicht
unſre Neigung, vielleicht die Neigung, die Gewohnheit
unſres Stammes, unſrer Zeitgenoſſen. Und wir thun
aus beſter Abſicht das Unrechte. Auch der Jndianer
folgt ſeinem Gewiſſen, wenn er den Feind ſkalpiert.
Wir irren, weil wir blind ſind.‟
„Sie miſchen ſchon wieder einen anderen Jrrtum
dazwiſchen, Sal. Nicht darauf kommt es an, ob wir
das Richtige treffen, ſondern darauf, ob wir aus den
richtigen Motiven wollen. Wer das kann, beſitzt
Numenheit. Wenn der Jndianer den Feind ſkalpiert,
ſo wird er von der höheren Geſittung eines Beſſeren
belehrt, oder vernichtet. Aber dies trifft nur ſeinen
Jrrtum, nämlich die Folgen, die daraus in der Welt
entſtehen. Doch die Heiligkeit ſeines Willens bleibt
unberührt, wenn er lieber zu Grunde geht, als das auf-
gibt, was er für ſittliche Pflicht hält. Sie brauchen
alſo nicht darum zu ſorgen, ob Sie bei Jhrer Ent-
ſcheidung das Richtige treffen in dem, was Sie thun,
ſondern nur, ob Jhr Motiv rein iſt in dem, was Sie
wollen.‟
„Das meinte ich ja; eben auch darin können wir
uns täuſchen. Se, ich muß Jhnen gegenüber ganz
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