offen sein. Wir wollen, daß unsere Mitmenschen von dem Besuche der Martier nicht überrascht werden; diese Überraschung zu verhüten, halten wir für unsre Pflicht. Wir irren vielleicht darin, daß wir den Menschen da- mit zu nützen glauben; aber unser Motiv ist rein. Meinen Sie es nicht auch so?"
"Ganz richtig."
"Aber damit ist es nicht entschieden, wie ich zu handeln habe. Und hier spielt unsere theoretische Un- wissenheit in die ethische Frage hinein. Wenn nun z. B. Einer von uns allein den Erfolg leichter erreichte, hätten wir nicht die Pflicht uns zu trennen? Und wenn nicht, ist es nicht Pflicht, daß wir zusammen- halten auf alle Fälle? Wie also soll ich hier ent- scheiden, was meine Pflicht erfordert?"
"Aber Sal! Jch hatte mich schon gefreut, daß Sie auch so vernünftig reden können, und nun urteilen Sie wieder wie ein Wilder!"
"Sie sind grausam, Se!"
"Was reden Sie denn da von Pflicht? Das ist doch einzig eine Frage der Klugheit. Was Jhre Klug- heit erfordert, das können Sie fragen. Die Pflicht- frage ist schon längst mit dem Willen entschieden, nur das Klügste hier zu thun. Die dürfen Sie gar nicht mehr in Betracht ziehen."
"Wenn ich mit Jhnen nach dem Mars ginge und mein Freund allein nach Europa, und er verunglückte unterwegs, würde ich mir nicht immer Vorwürfe machen, daß ich nicht mit ihm gegangen bin? Würde man mich nicht pflichtvergessen nennen?"
Siebzehntes Kapitel.
offen ſein. Wir wollen, daß unſere Mitmenſchen von dem Beſuche der Martier nicht überraſcht werden; dieſe Überraſchung zu verhüten, halten wir für unſre Pflicht. Wir irren vielleicht darin, daß wir den Menſchen da- mit zu nützen glauben; aber unſer Motiv iſt rein. Meinen Sie es nicht auch ſo?‟
„Ganz richtig.‟
„Aber damit iſt es nicht entſchieden, wie ich zu handeln habe. Und hier ſpielt unſere theoretiſche Un- wiſſenheit in die ethiſche Frage hinein. Wenn nun z. B. Einer von uns allein den Erfolg leichter erreichte, hätten wir nicht die Pflicht uns zu trennen? Und wenn nicht, iſt es nicht Pflicht, daß wir zuſammen- halten auf alle Fälle? Wie alſo ſoll ich hier ent- ſcheiden, was meine Pflicht erfordert?‟
„Aber Sal! Jch hatte mich ſchon gefreut, daß Sie auch ſo vernünftig reden können, und nun urteilen Sie wieder wie ein Wilder!‟
„Sie ſind grauſam, Se!‟
„Was reden Sie denn da von Pflicht? Das iſt doch einzig eine Frage der Klugheit. Was Jhre Klug- heit erfordert, das können Sie fragen. Die Pflicht- frage iſt ſchon längſt mit dem Willen entſchieden, nur das Klügſte hier zu thun. Die dürfen Sie gar nicht mehr in Betracht ziehen.‟
„Wenn ich mit Jhnen nach dem Mars ginge und mein Freund allein nach Europa, und er verunglückte unterwegs, würde ich mir nicht immer Vorwürfe machen, daß ich nicht mit ihm gegangen bin? Würde man mich nicht pflichtvergeſſen nennen?‟
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0278"n="270"/><fwplace="top"type="header">Siebzehntes Kapitel.</fw><lb/>
offen ſein. Wir wollen, daß unſere Mitmenſchen von<lb/>
dem Beſuche der Martier nicht überraſcht werden; dieſe<lb/>
Überraſchung zu verhüten, halten wir für unſre Pflicht.<lb/>
Wir irren vielleicht darin, daß wir den Menſchen da-<lb/>
mit zu nützen glauben; aber unſer Motiv iſt rein.<lb/>
Meinen Sie es nicht auch ſo?‟</p><lb/><p>„Ganz richtig.‟</p><lb/><p>„Aber damit iſt es nicht entſchieden, wie ich zu<lb/>
handeln habe. Und hier ſpielt unſere theoretiſche Un-<lb/>
wiſſenheit in die ethiſche Frage hinein. Wenn nun z. B.<lb/>
Einer von uns allein den Erfolg leichter erreichte,<lb/>
hätten wir nicht die Pflicht uns zu trennen? Und<lb/>
wenn nicht, iſt es nicht Pflicht, daß wir zuſammen-<lb/>
halten auf alle Fälle? Wie alſo ſoll ich hier ent-<lb/>ſcheiden, was meine Pflicht erfordert?‟</p><lb/><p>„Aber Sal! Jch hatte mich ſchon gefreut, daß<lb/>
Sie auch ſo vernünftig reden können, und nun urteilen<lb/>
Sie wieder wie ein Wilder!‟</p><lb/><p>„Sie ſind grauſam, Se!‟</p><lb/><p>„Was reden Sie denn da von Pflicht? Das iſt<lb/>
doch einzig eine Frage der Klugheit. Was Jhre Klug-<lb/>
heit erfordert, das können Sie fragen. Die Pflicht-<lb/>
frage iſt ſchon längſt mit dem Willen entſchieden, nur<lb/>
das Klügſte hier zu thun. Die dürfen Sie gar nicht<lb/>
mehr in Betracht ziehen.‟</p><lb/><p>„Wenn ich mit Jhnen nach dem Mars ginge und<lb/>
mein Freund allein nach Europa, und er verunglückte<lb/>
unterwegs, würde ich mir nicht immer Vorwürfe machen,<lb/>
daß ich nicht mit ihm gegangen bin? Würde man<lb/>
mich nicht pflichtvergeſſen nennen?‟</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[270/0278]
Siebzehntes Kapitel.
offen ſein. Wir wollen, daß unſere Mitmenſchen von
dem Beſuche der Martier nicht überraſcht werden; dieſe
Überraſchung zu verhüten, halten wir für unſre Pflicht.
Wir irren vielleicht darin, daß wir den Menſchen da-
mit zu nützen glauben; aber unſer Motiv iſt rein.
Meinen Sie es nicht auch ſo?‟
„Ganz richtig.‟
„Aber damit iſt es nicht entſchieden, wie ich zu
handeln habe. Und hier ſpielt unſere theoretiſche Un-
wiſſenheit in die ethiſche Frage hinein. Wenn nun z. B.
Einer von uns allein den Erfolg leichter erreichte,
hätten wir nicht die Pflicht uns zu trennen? Und
wenn nicht, iſt es nicht Pflicht, daß wir zuſammen-
halten auf alle Fälle? Wie alſo ſoll ich hier ent-
ſcheiden, was meine Pflicht erfordert?‟
„Aber Sal! Jch hatte mich ſchon gefreut, daß
Sie auch ſo vernünftig reden können, und nun urteilen
Sie wieder wie ein Wilder!‟
„Sie ſind grauſam, Se!‟
„Was reden Sie denn da von Pflicht? Das iſt
doch einzig eine Frage der Klugheit. Was Jhre Klug-
heit erfordert, das können Sie fragen. Die Pflicht-
frage iſt ſchon längſt mit dem Willen entſchieden, nur
das Klügſte hier zu thun. Die dürfen Sie gar nicht
mehr in Betracht ziehen.‟
„Wenn ich mit Jhnen nach dem Mars ginge und
mein Freund allein nach Europa, und er verunglückte
unterwegs, würde ich mir nicht immer Vorwürfe machen,
daß ich nicht mit ihm gegangen bin? Würde man
mich nicht pflichtvergeſſen nennen?‟
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/278>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.