Blättern, Frauchen? Und geweint haben Sie auch? Aergern Sie sich nur nicht. Was giebt es denn?"
Jsma versuchte zu lächeln. "Hätte ich nur das Telegramm eher gefunden", sagte sie, "so hätten mich die dummen Menschen weniger gekränkt."
"Aber Sie haben ja den Korb auf der falschen Seite geöffnet -- es hat doch wahrscheinlich obenauf gelegen. Und nun kommen Sie gleich einmal mit mir! Saltner ist da, er hat auch Nachrichten, von seiner Mutter und von Grunthe. Und Ell hat die Depesche hergeschickt, die er von Jhrem Manne bekommen hat. Es ist doch nett von Ell, daß er alle Euere Briefe an ihre Adresse hat telegraphieren lassen und sofortige telegraphische Antwort bestellt hat."
Jsma erhob sich. "Jch komme sogleich", sagte sie.
Also Ell hatte sie es zu verdanken, daß sie schon eine Antwort bekommen hatte! Während sie ihre Augen kühlte und ihr Haar ordnete, bedrückte sie der Gedanke, daß ihr Brief zwanzig Seiten, eng beschrie- ben -- das waren gewiß an die viertausend Worte -- enthalten hatte. Wenn Ell das alles telegraphieren ließ, das war ja eine Depesche für zwanzigtausend Mark! Früher hätte sie bei Ell überhaupt nicht daran gedacht, daß zwischen ihnen ein Abwägen des Gebens oder Nehmens bestehen könne, aber jetzt war es ihr peinlich sich so verpflichtet zu fühlen.
Bei ihrem Eintritt in das Empfangszimmer hielt ihr Saltner zuerst freudestrahlend ein Telegramm ent- gegen, das sie gar nicht zu entziffern vermochte. Es war von seiner Mutter. Aus den abgebrochenen,
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Jsmas Leiden.
Blättern, Frauchen? Und geweint haben Sie auch? Aergern Sie ſich nur nicht. Was giebt es denn?‟
Jsma verſuchte zu lächeln. „Hätte ich nur das Telegramm eher gefunden‟, ſagte ſie, „ſo hätten mich die dummen Menſchen weniger gekränkt.‟
„Aber Sie haben ja den Korb auf der falſchen Seite geöffnet — es hat doch wahrſcheinlich obenauf gelegen. Und nun kommen Sie gleich einmal mit mir! Saltner iſt da, er hat auch Nachrichten, von ſeiner Mutter und von Grunthe. Und Ell hat die Depeſche hergeſchickt, die er von Jhrem Manne bekommen hat. Es iſt doch nett von Ell, daß er alle Euere Briefe an ihre Adreſſe hat telegraphieren laſſen und ſofortige telegraphiſche Antwort beſtellt hat.‟
Jsma erhob ſich. „Jch komme ſogleich‟, ſagte ſie.
Alſo Ell hatte ſie es zu verdanken, daß ſie ſchon eine Antwort bekommen hatte! Während ſie ihre Augen kühlte und ihr Haar ordnete, bedrückte ſie der Gedanke, daß ihr Brief zwanzig Seiten, eng beſchrie- ben — das waren gewiß an die viertauſend Worte — enthalten hatte. Wenn Ell das alles telegraphieren ließ, das war ja eine Depeſche für zwanzigtauſend Mark! Früher hätte ſie bei Ell überhaupt nicht daran gedacht, daß zwiſchen ihnen ein Abwägen des Gebens oder Nehmens beſtehen könne, aber jetzt war es ihr peinlich ſich ſo verpflichtet zu fühlen.
Bei ihrem Eintritt in das Empfangszimmer hielt ihr Saltner zuerſt freudeſtrahlend ein Telegramm ent- gegen, das ſie gar nicht zu entziffern vermochte. Es war von ſeiner Mutter. Aus den abgebrochenen,
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Jsmas Leiden.
Blättern, Frauchen? Und geweint haben Sie auch?
Aergern Sie ſich nur nicht. Was giebt es denn?‟
Jsma verſuchte zu lächeln. „Hätte ich nur das
Telegramm eher gefunden‟, ſagte ſie, „ſo hätten mich
die dummen Menſchen weniger gekränkt.‟
„Aber Sie haben ja den Korb auf der falſchen
Seite geöffnet — es hat doch wahrſcheinlich obenauf
gelegen. Und nun kommen Sie gleich einmal mit mir!
Saltner iſt da, er hat auch Nachrichten, von ſeiner
Mutter und von Grunthe. Und Ell hat die Depeſche
hergeſchickt, die er von Jhrem Manne bekommen hat.
Es iſt doch nett von Ell, daß er alle Euere Briefe
an ihre Adreſſe hat telegraphieren laſſen und ſofortige
telegraphiſche Antwort beſtellt hat.‟
Jsma erhob ſich. „Jch komme ſogleich‟, ſagte ſie.
Alſo Ell hatte ſie es zu verdanken, daß ſie ſchon
eine Antwort bekommen hatte! Während ſie ihre
Augen kühlte und ihr Haar ordnete, bedrückte ſie der
Gedanke, daß ihr Brief zwanzig Seiten, eng beſchrie-
ben — das waren gewiß an die viertauſend Worte —
enthalten hatte. Wenn Ell das alles telegraphieren
ließ, das war ja eine Depeſche für zwanzigtauſend
Mark! Früher hätte ſie bei Ell überhaupt nicht
daran gedacht, daß zwiſchen ihnen ein Abwägen
des Gebens oder Nehmens beſtehen könne, aber jetzt
war es ihr peinlich ſich ſo verpflichtet zu fühlen.
Bei ihrem Eintritt in das Empfangszimmer hielt
ihr Saltner zuerſt freudeſtrahlend ein Telegramm ent-
gegen, das ſie gar nicht zu entziffern vermochte. Es
war von ſeiner Mutter. Aus den abgebrochenen,
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/219>, abgerufen am 25.11.2024.
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