Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Jn höchster Not.
er bis an den Felsblock, der den Eingang zur Wald-
blöße deckte. Von oben konnte man ihn nicht mehr
sehen. Ein moosbedeckter Vorsprung am Felsen bildete
eine natürliche Bank. Hier ließ er sich einen Augen-
blick nieder, um noch einmal zu bedenken, was er thun
solle. Es war nichts zu thun. Hierbleiben konnte er
nicht. Vorüber konnte er auch nicht. Er mußte sich
gefangen geben. Auch das wäre ihm zuletzt gleich-
giltig gewesen. Aber die Mutter! Sie überlebte den
Schrecken nicht. Das war das Ende! Und nun war
alles verloren. Keine Rettung.

"Gnädiger Gott, hilf uns", sagte er leise. "Doch
Dein Wille geschehe."

Er erhob sich, er wollte um die Ecke des Felsens
nach dem Schiffe ausspähen. Da war es ihm, als
hörte er leises Rascheln der dürren Zweige, die den
Moosboden bedeckten. War es eine Eidechse? Kam
jemand? Er zögerte einen Augenblick. Die Spalte
neben dem Felsen, durch welche das Sonnenlicht in
den Wald blickte, verdunkelte sich. Eine Gestalt stand
vor ihm.

Er richtete sich hoch auf. Das Herz schlug ihm,
wie ein Nebel legte es sich vor seinen Blick. Wer
war das? Unter dem Schatten eines breiten Hutes
leuchteten ihm zwei Augen entgegen, glückstrahlend,
sonnenhaft. Schweigend standen sich beide gegenüber,
bis es leise, zögernd, als fürchte er aus einem Traume
zu erwachen, über Saltners Lippen kam, eine einzige
Silbe:

"La!"

Jn höchſter Not.
er bis an den Felsblock, der den Eingang zur Wald-
blöße deckte. Von oben konnte man ihn nicht mehr
ſehen. Ein moosbedeckter Vorſprung am Felſen bildete
eine natürliche Bank. Hier ließ er ſich einen Augen-
blick nieder, um noch einmal zu bedenken, was er thun
ſolle. Es war nichts zu thun. Hierbleiben konnte er
nicht. Vorüber konnte er auch nicht. Er mußte ſich
gefangen geben. Auch das wäre ihm zuletzt gleich-
giltig geweſen. Aber die Mutter! Sie überlebte den
Schrecken nicht. Das war das Ende! Und nun war
alles verloren. Keine Rettung.

„Gnädiger Gott, hilf uns‟, ſagte er leiſe. „Doch
Dein Wille geſchehe.‟

Er erhob ſich, er wollte um die Ecke des Felſens
nach dem Schiffe ausſpähen. Da war es ihm, als
hörte er leiſes Raſcheln der dürren Zweige, die den
Moosboden bedeckten. War es eine Eidechſe? Kam
jemand? Er zögerte einen Augenblick. Die Spalte
neben dem Felſen, durch welche das Sonnenlicht in
den Wald blickte, verdunkelte ſich. Eine Geſtalt ſtand
vor ihm.

Er richtete ſich hoch auf. Das Herz ſchlug ihm,
wie ein Nebel legte es ſich vor ſeinen Blick. Wer
war das? Unter dem Schatten eines breiten Hutes
leuchteten ihm zwei Augen entgegen, glückſtrahlend,
ſonnenhaft. Schweigend ſtanden ſich beide gegenüber,
bis es leiſe, zögernd, als fürchte er aus einem Traume
zu erwachen, über Saltners Lippen kam, eine einzige
Silbe:

„La!‟

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0455" n="447"/><fw place="top" type="header">Jn höch&#x017F;ter Not.</fw><lb/>
er bis an den Felsblock, der den Eingang zur Wald-<lb/>
blöße deckte. Von oben konnte man ihn nicht mehr<lb/>
&#x017F;ehen. Ein moosbedeckter Vor&#x017F;prung am Fel&#x017F;en bildete<lb/>
eine natürliche Bank. Hier ließ er &#x017F;ich einen Augen-<lb/>
blick nieder, um noch einmal zu bedenken, was er thun<lb/>
&#x017F;olle. Es war nichts zu thun. Hierbleiben konnte er<lb/>
nicht. Vorüber konnte er auch nicht. Er mußte &#x017F;ich<lb/>
gefangen geben. Auch das wäre ihm zuletzt gleich-<lb/>
giltig gewe&#x017F;en. Aber die Mutter! Sie überlebte den<lb/>
Schrecken nicht. Das war das Ende! Und nun war<lb/>
alles verloren. Keine Rettung.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Gnädiger Gott, hilf uns&#x201F;, &#x017F;agte er lei&#x017F;e. &#x201E;Doch<lb/>
Dein Wille ge&#x017F;chehe.&#x201F;</p><lb/>
          <p>Er erhob &#x017F;ich, er wollte um die Ecke des Fel&#x017F;ens<lb/>
nach dem Schiffe aus&#x017F;pähen. Da war es ihm, als<lb/>
hörte er lei&#x017F;es Ra&#x017F;cheln der dürren Zweige, die den<lb/>
Moosboden bedeckten. War es eine Eidech&#x017F;e? Kam<lb/>
jemand? Er zögerte einen Augenblick. Die Spalte<lb/>
neben dem Fel&#x017F;en, durch welche das Sonnenlicht in<lb/>
den Wald blickte, verdunkelte &#x017F;ich. Eine Ge&#x017F;talt &#x017F;tand<lb/>
vor ihm.</p><lb/>
          <p>Er richtete &#x017F;ich hoch auf. Das Herz &#x017F;chlug ihm,<lb/>
wie ein Nebel legte es &#x017F;ich vor &#x017F;einen Blick. Wer<lb/>
war das? Unter dem Schatten eines breiten Hutes<lb/>
leuchteten ihm zwei Augen entgegen, glück&#x017F;trahlend,<lb/>
&#x017F;onnenhaft. Schweigend &#x017F;tanden &#x017F;ich beide gegenüber,<lb/>
bis es lei&#x017F;e, zögernd, als fürchte er aus einem Traume<lb/>
zu erwachen, über Saltners Lippen kam, eine einzige<lb/>
Silbe:</p><lb/>
          <p>&#x201E;La!&#x201F;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0455] Jn höchſter Not. er bis an den Felsblock, der den Eingang zur Wald- blöße deckte. Von oben konnte man ihn nicht mehr ſehen. Ein moosbedeckter Vorſprung am Felſen bildete eine natürliche Bank. Hier ließ er ſich einen Augen- blick nieder, um noch einmal zu bedenken, was er thun ſolle. Es war nichts zu thun. Hierbleiben konnte er nicht. Vorüber konnte er auch nicht. Er mußte ſich gefangen geben. Auch das wäre ihm zuletzt gleich- giltig geweſen. Aber die Mutter! Sie überlebte den Schrecken nicht. Das war das Ende! Und nun war alles verloren. Keine Rettung. „Gnädiger Gott, hilf uns‟, ſagte er leiſe. „Doch Dein Wille geſchehe.‟ Er erhob ſich, er wollte um die Ecke des Felſens nach dem Schiffe ausſpähen. Da war es ihm, als hörte er leiſes Raſcheln der dürren Zweige, die den Moosboden bedeckten. War es eine Eidechſe? Kam jemand? Er zögerte einen Augenblick. Die Spalte neben dem Felſen, durch welche das Sonnenlicht in den Wald blickte, verdunkelte ſich. Eine Geſtalt ſtand vor ihm. Er richtete ſich hoch auf. Das Herz ſchlug ihm, wie ein Nebel legte es ſich vor ſeinen Blick. Wer war das? Unter dem Schatten eines breiten Hutes leuchteten ihm zwei Augen entgegen, glückſtrahlend, ſonnenhaft. Schweigend ſtanden ſich beide gegenüber, bis es leiſe, zögernd, als fürchte er aus einem Traume zu erwachen, über Saltners Lippen kam, eine einzige Silbe: „La!‟

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/455
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/455>, abgerufen am 26.06.2024.