Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Das heimliche Frühstück.

"Die Tastkunst."

"Was ist das?"

"Jch muß gestehen, ich weiß es selbst nicht recht."

"Lassen Sie uns sehen."

Ell öffnete die Thür. Sie führte in einen kleinen,
mit zwei gepolsterten Bänken ausgestatteten Raum.
Ell sah jetzt erst, daß sich in demselben ein Anschlag
befand: "Abgang alle zehn Minuten"; eine Uhr zeigte,
daß nur noch eine Minute zur Abgangszeit fehlte. Es
war also nicht ein Zimmer, sondern eine Art Omnibus,
worin man sich befand. Alle die Thüren aus der
Galerie führten in solche Coupes, die zu bestimmten
Zeiten die Jnsassen nach den betreffenden Abteilungen
des Museums beförderten. Denn die Anlagen waren
zu ausgedehnt um sie zu Fuß zu erreichen und sich
bis dahin zurechtzufinden. Die Thür öffnete sich jetzt
noch einmal, und zwei Damen flogen förmlich in den
Raum. Gleich darauf setzte sich der Wagen in Be-
wegung.

Die ältere der beiden Damen schnappte nach Luft;
sie war eine sehr korpulente Erscheinung und nahm
wenigstens zwei Plätze des Sofas ein.

"Das war gerade die höchste Zeit!" rief sie er-
hitzt und atemlos, indem sie ein feines Tuch hervorzog
und fortwährend zwischen ihren kurzen, dicken Fingern
rieb. "Diese Wagen gehen ja nur alle zehn Minuten.
Der Besuch ist so schwach! Ja, es ist nur eine Kunst
für Auserwählte. Sie schwärmen auch dafür?" wandte
sie sich zu Jsma. "Sie sind Spitzistin? Nicht wahr?"
sagte sie, indem sie einen Blick auf Jsmas schlanke

Das heimliche Frühſtück.

„Die Taſtkunſt.‟

„Was iſt das?‟

„Jch muß geſtehen, ich weiß es ſelbſt nicht recht.‟

„Laſſen Sie uns ſehen.‟

Ell öffnete die Thür. Sie führte in einen kleinen,
mit zwei gepolſterten Bänken ausgeſtatteten Raum.
Ell ſah jetzt erſt, daß ſich in demſelben ein Anſchlag
befand: „Abgang alle zehn Minuten‟; eine Uhr zeigte,
daß nur noch eine Minute zur Abgangszeit fehlte. Es
war alſo nicht ein Zimmer, ſondern eine Art Omnibus,
worin man ſich befand. Alle die Thüren aus der
Galerie führten in ſolche Coupés, die zu beſtimmten
Zeiten die Jnſaſſen nach den betreffenden Abteilungen
des Muſeums beförderten. Denn die Anlagen waren
zu ausgedehnt um ſie zu Fuß zu erreichen und ſich
bis dahin zurechtzufinden. Die Thür öffnete ſich jetzt
noch einmal, und zwei Damen flogen förmlich in den
Raum. Gleich darauf ſetzte ſich der Wagen in Be-
wegung.

Die ältere der beiden Damen ſchnappte nach Luft;
ſie war eine ſehr korpulente Erſcheinung und nahm
wenigſtens zwei Plätze des Sofas ein.

„Das war gerade die höchſte Zeit!‟ rief ſie er-
hitzt und atemlos, indem ſie ein feines Tuch hervorzog
und fortwährend zwiſchen ihren kurzen, dicken Fingern
rieb. „Dieſe Wagen gehen ja nur alle zehn Minuten.
Der Beſuch iſt ſo ſchwach! Ja, es iſt nur eine Kunſt
für Auserwählte. Sie ſchwärmen auch dafür?‟ wandte
ſie ſich zu Jsma. „Sie ſind Spitziſtin? Nicht wahr?‟
ſagte ſie, indem ſie einen Blick auf Jsmas ſchlanke

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0047" n="39"/>
          <fw place="top" type="header">Das heimliche Früh&#x017F;tück.</fw><lb/>
          <p>&#x201E;Die Ta&#x017F;tkun&#x017F;t.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Was i&#x017F;t das?&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jch muß ge&#x017F;tehen, ich weiß es &#x017F;elb&#x017F;t nicht recht.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;La&#x017F;&#x017F;en Sie uns &#x017F;ehen.&#x201F;</p><lb/>
          <p>Ell öffnete die Thür. Sie führte in einen kleinen,<lb/>
mit zwei gepol&#x017F;terten Bänken ausge&#x017F;tatteten Raum.<lb/>
Ell &#x017F;ah jetzt er&#x017F;t, daß &#x017F;ich in dem&#x017F;elben ein An&#x017F;chlag<lb/>
befand: &#x201E;Abgang alle zehn Minuten&#x201F;; eine Uhr zeigte,<lb/>
daß nur noch eine Minute zur Abgangszeit fehlte. Es<lb/>
war al&#x017F;o nicht ein Zimmer, &#x017F;ondern eine Art Omnibus,<lb/>
worin man &#x017F;ich befand. Alle die Thüren aus der<lb/>
Galerie führten in &#x017F;olche Coup<hi rendition="#aq">é</hi>s, die zu be&#x017F;timmten<lb/>
Zeiten die Jn&#x017F;a&#x017F;&#x017F;en nach den betreffenden Abteilungen<lb/>
des Mu&#x017F;eums beförderten. Denn die Anlagen waren<lb/>
zu ausgedehnt um &#x017F;ie zu Fuß zu erreichen und &#x017F;ich<lb/>
bis dahin zurechtzufinden. Die Thür öffnete &#x017F;ich jetzt<lb/>
noch einmal, und zwei Damen flogen förmlich in den<lb/>
Raum. Gleich darauf &#x017F;etzte &#x017F;ich der Wagen in Be-<lb/>
wegung.</p><lb/>
          <p>Die ältere der beiden Damen &#x017F;chnappte nach Luft;<lb/>
&#x017F;ie war eine &#x017F;ehr korpulente Er&#x017F;cheinung und nahm<lb/>
wenig&#x017F;tens zwei Plätze des Sofas ein.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das war gerade die höch&#x017F;te Zeit!&#x201F; rief &#x017F;ie er-<lb/>
hitzt und atemlos, indem &#x017F;ie ein feines Tuch hervorzog<lb/>
und fortwährend zwi&#x017F;chen ihren kurzen, dicken Fingern<lb/>
rieb. &#x201E;Die&#x017F;e Wagen gehen ja nur alle zehn Minuten.<lb/>
Der Be&#x017F;uch i&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;chwach! Ja, es i&#x017F;t nur eine Kun&#x017F;t<lb/>
für Auserwählte. Sie &#x017F;chwärmen auch dafür?&#x201F; wandte<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich zu Jsma. &#x201E;Sie &#x017F;ind Spitzi&#x017F;tin? Nicht wahr?&#x201F;<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie, indem &#x017F;ie einen Blick auf Jsmas &#x017F;chlanke<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0047] Das heimliche Frühſtück. „Die Taſtkunſt.‟ „Was iſt das?‟ „Jch muß geſtehen, ich weiß es ſelbſt nicht recht.‟ „Laſſen Sie uns ſehen.‟ Ell öffnete die Thür. Sie führte in einen kleinen, mit zwei gepolſterten Bänken ausgeſtatteten Raum. Ell ſah jetzt erſt, daß ſich in demſelben ein Anſchlag befand: „Abgang alle zehn Minuten‟; eine Uhr zeigte, daß nur noch eine Minute zur Abgangszeit fehlte. Es war alſo nicht ein Zimmer, ſondern eine Art Omnibus, worin man ſich befand. Alle die Thüren aus der Galerie führten in ſolche Coupés, die zu beſtimmten Zeiten die Jnſaſſen nach den betreffenden Abteilungen des Muſeums beförderten. Denn die Anlagen waren zu ausgedehnt um ſie zu Fuß zu erreichen und ſich bis dahin zurechtzufinden. Die Thür öffnete ſich jetzt noch einmal, und zwei Damen flogen förmlich in den Raum. Gleich darauf ſetzte ſich der Wagen in Be- wegung. Die ältere der beiden Damen ſchnappte nach Luft; ſie war eine ſehr korpulente Erſcheinung und nahm wenigſtens zwei Plätze des Sofas ein. „Das war gerade die höchſte Zeit!‟ rief ſie er- hitzt und atemlos, indem ſie ein feines Tuch hervorzog und fortwährend zwiſchen ihren kurzen, dicken Fingern rieb. „Dieſe Wagen gehen ja nur alle zehn Minuten. Der Beſuch iſt ſo ſchwach! Ja, es iſt nur eine Kunſt für Auserwählte. Sie ſchwärmen auch dafür?‟ wandte ſie ſich zu Jsma. „Sie ſind Spitziſtin? Nicht wahr?‟ ſagte ſie, indem ſie einen Blick auf Jsmas ſchlanke

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/47
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/47>, abgerufen am 23.11.2024.