Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtundfünfzigstes Kapitel.
Freund, wie aber empfängt mich der Kultor -- was
habe ich zu erwarten?"

"Jch verstehe Sie nur halb", erwiderte Ell be-
troffen. "Was veranlaßt Sie zu der Frage? Sprechen
Sie offen -- Kommen Sie aus Tibet über Kalkutta?"

Torm zuckte zusammen. "Ach, Sie wissen? Doch
nun hören Sie erst alles."

Er berichtete kurz über seine Flucht vom Pol und
aus dem Luftschiff und die Ereignisse, die sich dabei
zutrugen. Er verheimlichte nichts. Er erzählte, was
ihn veranlaßt hatte, weder seine Frau noch Ell auf-
zusuchen, sondern sich in Friedau verborgen zu halten,
wo Se ihn erkannt habe; daß ihn Jsma infolgedessen
aufgesucht hätte, und er jetzt hier sei, um den Rat
Ells zu vernehmen und die Folgen seiner Handlungen
zu tragen.

Ell hörte schweigend zu, den Kopf sinnend auf die
Hand gestützt. Er unterbrach ihn mit keinem Worte,
keine Miene verriet, was in ihm vorging.

Das hatte er nicht gewußt. Die That gegen den
Wächter des Schiffes war verderblich für Torm. Ell,
als oberster Beamter der Nume hierselbst, mußte sie
verfolgen. Der eben erhaltene Erlaß hatte ihm seine
Pflicht eingeschärft. Wenn er dieser Pflicht folgte,
wenn er die Mahnung des Zentralrats annahm, so
war Torm verloren. Torms Schicksal war in seine
Hand gelegt. Ein Druck auf diese Klingel, und er
kehrte nicht mehr aus diesem Zimmer zurück, nicht
mehr zu Jsma -- -- Und dann? Jsma war frei.
Aber wo war sie? Ohne ein Wort des Abschieds

Achtundfünfzigſtes Kapitel.
Freund, wie aber empfängt mich der Kultor — was
habe ich zu erwarten?‟

„Jch verſtehe Sie nur halb‟, erwiderte Ell be-
troffen. „Was veranlaßt Sie zu der Frage? Sprechen
Sie offen — Kommen Sie aus Tibet über Kalkutta?‟

Torm zuckte zuſammen. „Ach, Sie wiſſen? Doch
nun hören Sie erſt alles.‟

Er berichtete kurz über ſeine Flucht vom Pol und
aus dem Luftſchiff und die Ereigniſſe, die ſich dabei
zutrugen. Er verheimlichte nichts. Er erzählte, was
ihn veranlaßt hatte, weder ſeine Frau noch Ell auf-
zuſuchen, ſondern ſich in Friedau verborgen zu halten,
wo Se ihn erkannt habe; daß ihn Jsma infolgedeſſen
aufgeſucht hätte, und er jetzt hier ſei, um den Rat
Ells zu vernehmen und die Folgen ſeiner Handlungen
zu tragen.

Ell hörte ſchweigend zu, den Kopf ſinnend auf die
Hand geſtützt. Er unterbrach ihn mit keinem Worte,
keine Miene verriet, was in ihm vorging.

Das hatte er nicht gewußt. Die That gegen den
Wächter des Schiffes war verderblich für Torm. Ell,
als oberſter Beamter der Nume hierſelbſt, mußte ſie
verfolgen. Der eben erhaltene Erlaß hatte ihm ſeine
Pflicht eingeſchärft. Wenn er dieſer Pflicht folgte,
wenn er die Mahnung des Zentralrats annahm, ſo
war Torm verloren. Torms Schickſal war in ſeine
Hand gelegt. Ein Druck auf dieſe Klingel, und er
kehrte nicht mehr aus dieſem Zimmer zurück, nicht
mehr zu Jsma — — Und dann? Jsma war frei.
Aber wo war ſie? Ohne ein Wort des Abſchieds

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0502" n="494"/><fw place="top" type="header">Achtundfünfzig&#x017F;tes Kapitel.</fw><lb/>
Freund, wie aber empfängt mich der Kultor &#x2014; was<lb/>
habe ich zu erwarten?&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jch ver&#x017F;tehe Sie nur halb&#x201F;, erwiderte Ell be-<lb/>
troffen. &#x201E;Was veranlaßt Sie zu der Frage? Sprechen<lb/>
Sie offen &#x2014; Kommen Sie aus Tibet über Kalkutta?&#x201F;</p><lb/>
          <p>Torm zuckte zu&#x017F;ammen. &#x201E;Ach, Sie wi&#x017F;&#x017F;en? Doch<lb/>
nun hören Sie er&#x017F;t alles.&#x201F;</p><lb/>
          <p>Er berichtete kurz über &#x017F;eine Flucht vom Pol und<lb/>
aus dem Luft&#x017F;chiff und die Ereigni&#x017F;&#x017F;e, die &#x017F;ich dabei<lb/>
zutrugen. Er verheimlichte nichts. Er erzählte, was<lb/>
ihn veranlaßt hatte, weder &#x017F;eine Frau noch Ell auf-<lb/>
zu&#x017F;uchen, &#x017F;ondern &#x017F;ich in Friedau verborgen zu halten,<lb/>
wo Se ihn erkannt habe; daß ihn Jsma infolgede&#x017F;&#x017F;en<lb/>
aufge&#x017F;ucht hätte, und er jetzt hier &#x017F;ei, um den Rat<lb/>
Ells zu vernehmen und die Folgen &#x017F;einer Handlungen<lb/>
zu tragen.</p><lb/>
          <p>Ell hörte &#x017F;chweigend zu, den Kopf &#x017F;innend auf die<lb/>
Hand ge&#x017F;tützt. Er unterbrach ihn mit keinem Worte,<lb/>
keine Miene verriet, was in ihm vorging.</p><lb/>
          <p>Das hatte er nicht gewußt. Die That gegen den<lb/>
Wächter des Schiffes war verderblich für Torm. Ell,<lb/>
als ober&#x017F;ter Beamter der Nume hier&#x017F;elb&#x017F;t, mußte &#x017F;ie<lb/>
verfolgen. Der eben erhaltene Erlaß hatte ihm &#x017F;eine<lb/>
Pflicht einge&#x017F;chärft. Wenn er die&#x017F;er Pflicht folgte,<lb/>
wenn er die Mahnung des Zentralrats annahm, &#x017F;o<lb/>
war Torm verloren. Torms Schick&#x017F;al war in &#x017F;eine<lb/>
Hand gelegt. Ein Druck auf die&#x017F;e Klingel, und er<lb/>
kehrte nicht mehr aus die&#x017F;em Zimmer zurück, nicht<lb/>
mehr zu Jsma &#x2014; &#x2014; Und dann? Jsma war frei.<lb/>
Aber wo war &#x017F;ie? Ohne ein Wort des Ab&#x017F;chieds<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[494/0502] Achtundfünfzigſtes Kapitel. Freund, wie aber empfängt mich der Kultor — was habe ich zu erwarten?‟ „Jch verſtehe Sie nur halb‟, erwiderte Ell be- troffen. „Was veranlaßt Sie zu der Frage? Sprechen Sie offen — Kommen Sie aus Tibet über Kalkutta?‟ Torm zuckte zuſammen. „Ach, Sie wiſſen? Doch nun hören Sie erſt alles.‟ Er berichtete kurz über ſeine Flucht vom Pol und aus dem Luftſchiff und die Ereigniſſe, die ſich dabei zutrugen. Er verheimlichte nichts. Er erzählte, was ihn veranlaßt hatte, weder ſeine Frau noch Ell auf- zuſuchen, ſondern ſich in Friedau verborgen zu halten, wo Se ihn erkannt habe; daß ihn Jsma infolgedeſſen aufgeſucht hätte, und er jetzt hier ſei, um den Rat Ells zu vernehmen und die Folgen ſeiner Handlungen zu tragen. Ell hörte ſchweigend zu, den Kopf ſinnend auf die Hand geſtützt. Er unterbrach ihn mit keinem Worte, keine Miene verriet, was in ihm vorging. Das hatte er nicht gewußt. Die That gegen den Wächter des Schiffes war verderblich für Torm. Ell, als oberſter Beamter der Nume hierſelbſt, mußte ſie verfolgen. Der eben erhaltene Erlaß hatte ihm ſeine Pflicht eingeſchärft. Wenn er dieſer Pflicht folgte, wenn er die Mahnung des Zentralrats annahm, ſo war Torm verloren. Torms Schickſal war in ſeine Hand gelegt. Ein Druck auf dieſe Klingel, und er kehrte nicht mehr aus dieſem Zimmer zurück, nicht mehr zu Jsma — — Und dann? Jsma war frei. Aber wo war ſie? Ohne ein Wort des Abſchieds

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/502
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/502>, abgerufen am 16.06.2024.