Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf der Seifenblase.
verändert, daß wir zwar in unserer jetzigen Umgebung
völlig klar sehen, aber von unserer früheren Welt, deren
physikalische Grundlagen hundertmillionenmal größer sind,
gänzlich geschieden leben. Du mußt dich nun mit dem
begnügen, was es auf der Seifenblase zu sehen giebt,
und das ist genug."

"Und ich wundere mich nur," fiel ich ein, "daß wir
hier überhaupt etwas sehen, daß unsere Sinne unter den
veränderten Verhältnissen ebenso wirken wie früher. Wir
sind ja jetzt kleiner als die Länge einer Lichtwelle; die
Moleküle und Atome müssen uns jetzt ganz anders be-
einflussen."

"Hm!" lachte Onkel Wendel in seiner Art. "Was
sind denn Ätherwellen und Atome? Ausgeklügelte Maß-
stäbe sind's, berechnet von Menschen für Menschen. Jetzt
machen wir uns klein, und alle Maßstäbe werden mit
uns klein. Aber was hat das mit der Empfindung zu
thun? Die Empfindung ist das Erste, das Gegebene;
Licht, Schall und Druck bleiben unverändert für uns,
denn sie sind Qualitäten. Nur die Quantitäten ändern
sich, und wenn wir jetzt physikalische Messungen anstellen
wollten, so würden wir die Ätherwellen auch hundert-
millionenmal kleiner finden."

Wir waren inzwischen auf der Seifenblase weiter-
gewandert und an eine Stelle gekommen, wo durchsichtige
Strahlen springbrunnähnlich rings um uns in die Höhe
schossen, als mich ein Gedanke durchzuckte, der mir vor
Entsetzen das Blut in den Adern stocken ließ. Wenn
die Seifenblase jetzt platzte! Wenn ich auf eines der ent-

Auf der Seifenblaſe.
verändert, daß wir zwar in unſerer jetzigen Umgebung
völlig klar ſehen, aber von unſerer früheren Welt, deren
phyſikaliſche Grundlagen hundertmillionenmal größer ſind,
gänzlich geſchieden leben. Du mußt dich nun mit dem
begnügen, was es auf der Seifenblaſe zu ſehen giebt,
und das iſt genug.“

„Und ich wundere mich nur,“ fiel ich ein, „daß wir
hier überhaupt etwas ſehen, daß unſere Sinne unter den
veränderten Verhältniſſen ebenſo wirken wie früher. Wir
ſind ja jetzt kleiner als die Länge einer Lichtwelle; die
Moleküle und Atome müſſen uns jetzt ganz anders be-
einfluſſen.“

„Hm!“ lachte Onkel Wendel in ſeiner Art. „Was
ſind denn Ätherwellen und Atome? Ausgeklügelte Maß-
ſtäbe ſind’s, berechnet von Menſchen für Menſchen. Jetzt
machen wir uns klein, und alle Maßſtäbe werden mit
uns klein. Aber was hat das mit der Empfindung zu
thun? Die Empfindung iſt das Erſte, das Gegebene;
Licht, Schall und Druck bleiben unverändert für uns,
denn ſie ſind Qualitäten. Nur die Quantitäten ändern
ſich, und wenn wir jetzt phyſikaliſche Meſſungen anſtellen
wollten, ſo würden wir die Ätherwellen auch hundert-
millionenmal kleiner finden.“

Wir waren inzwiſchen auf der Seifenblaſe weiter-
gewandert und an eine Stelle gekommen, wo durchſichtige
Strahlen ſpringbrunnähnlich rings um uns in die Höhe
ſchoſſen, als mich ein Gedanke durchzuckte, der mir vor
Entſetzen das Blut in den Adern ſtocken ließ. Wenn
die Seifenblaſe jetzt platzte! Wenn ich auf eines der ent-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Auf der Seifenbla&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
verändert, daß wir zwar in un&#x017F;erer jetzigen Umgebung<lb/>
völlig klar &#x017F;ehen, aber von un&#x017F;erer früheren Welt, deren<lb/>
phy&#x017F;ikali&#x017F;che Grundlagen hundertmillionenmal größer &#x017F;ind,<lb/>
gänzlich ge&#x017F;chieden leben. Du mußt dich nun mit dem<lb/>
begnügen, was es auf der Seifenbla&#x017F;e zu &#x017F;ehen giebt,<lb/>
und das i&#x017F;t genug.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und ich wundere mich nur,&#x201C; fiel ich ein, &#x201E;daß wir<lb/>
hier überhaupt etwas &#x017F;ehen, daß un&#x017F;ere Sinne unter den<lb/>
veränderten Verhältni&#x017F;&#x017F;en eben&#x017F;o wirken wie früher. Wir<lb/>
&#x017F;ind ja jetzt kleiner als die Länge einer Lichtwelle; die<lb/>
Moleküle und Atome mü&#x017F;&#x017F;en uns jetzt ganz anders be-<lb/>
einflu&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hm!&#x201C; lachte Onkel Wendel in &#x017F;einer Art. &#x201E;Was<lb/>
&#x017F;ind denn Ätherwellen und Atome? Ausgeklügelte Maß-<lb/>
&#x017F;täbe &#x017F;ind&#x2019;s, berechnet von Men&#x017F;chen für Men&#x017F;chen. Jetzt<lb/>
machen wir uns klein, und alle Maß&#x017F;täbe werden mit<lb/>
uns klein. Aber was hat das mit der Empfindung zu<lb/>
thun? Die Empfindung i&#x017F;t das Er&#x017F;te, das Gegebene;<lb/>
Licht, Schall und Druck bleiben unverändert für uns,<lb/>
denn &#x017F;ie &#x017F;ind Qualitäten. Nur die Quantitäten ändern<lb/>
&#x017F;ich, und wenn wir jetzt phy&#x017F;ikali&#x017F;che Me&#x017F;&#x017F;ungen an&#x017F;tellen<lb/>
wollten, &#x017F;o würden wir die Ätherwellen auch hundert-<lb/>
millionenmal kleiner finden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wir waren inzwi&#x017F;chen auf der Seifenbla&#x017F;e weiter-<lb/>
gewandert und an eine Stelle gekommen, wo durch&#x017F;ichtige<lb/>
Strahlen &#x017F;pringbrunnähnlich rings um uns in die Höhe<lb/>
&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, als mich ein Gedanke durchzuckte, der mir vor<lb/>
Ent&#x017F;etzen das Blut in den Adern &#x017F;tocken ließ. Wenn<lb/>
die Seifenbla&#x017F;e jetzt platzte! Wenn ich auf eines der ent-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0017] Auf der Seifenblaſe. verändert, daß wir zwar in unſerer jetzigen Umgebung völlig klar ſehen, aber von unſerer früheren Welt, deren phyſikaliſche Grundlagen hundertmillionenmal größer ſind, gänzlich geſchieden leben. Du mußt dich nun mit dem begnügen, was es auf der Seifenblaſe zu ſehen giebt, und das iſt genug.“ „Und ich wundere mich nur,“ fiel ich ein, „daß wir hier überhaupt etwas ſehen, daß unſere Sinne unter den veränderten Verhältniſſen ebenſo wirken wie früher. Wir ſind ja jetzt kleiner als die Länge einer Lichtwelle; die Moleküle und Atome müſſen uns jetzt ganz anders be- einfluſſen.“ „Hm!“ lachte Onkel Wendel in ſeiner Art. „Was ſind denn Ätherwellen und Atome? Ausgeklügelte Maß- ſtäbe ſind’s, berechnet von Menſchen für Menſchen. Jetzt machen wir uns klein, und alle Maßſtäbe werden mit uns klein. Aber was hat das mit der Empfindung zu thun? Die Empfindung iſt das Erſte, das Gegebene; Licht, Schall und Druck bleiben unverändert für uns, denn ſie ſind Qualitäten. Nur die Quantitäten ändern ſich, und wenn wir jetzt phyſikaliſche Meſſungen anſtellen wollten, ſo würden wir die Ätherwellen auch hundert- millionenmal kleiner finden.“ Wir waren inzwiſchen auf der Seifenblaſe weiter- gewandert und an eine Stelle gekommen, wo durchſichtige Strahlen ſpringbrunnähnlich rings um uns in die Höhe ſchoſſen, als mich ein Gedanke durchzuckte, der mir vor Entſetzen das Blut in den Adern ſtocken ließ. Wenn die Seifenblaſe jetzt platzte! Wenn ich auf eines der ent-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/17
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/17>, abgerufen am 23.11.2024.