kommen würde, wir aber wissen, was vielleicht ge- wesen ist.
Jch habe Versuche gemacht, die genealogisch-historische Methode auf meine Selbstbiographie anzuwenden. Da ich ein geborener Schlesier bin, so würde es nicht schwer fallen, einen der alten Vandalenhäuptlinge als Urahnen anzusprechen; aber das kann mir nicht viel nützen. Daß diese Herren direkt von den Göttern abstammen, scheint mir historisch einigermaßen fragwürdig; sie müssen also irgend anders woher gekommen sein. Aber woher? Jch habe nun festgestellt, daß der Skythe Anacharsis, der Freund Solons und einer der 7 bis 22 Weisen Griechen- lands, einer meiner direkten Vorfahren war; daß wir von seinen Söhnen nichts wissen, liegt nur an den mangelhaften standesamtlichen Einrichtungen der Skythen. Sicher ist, daß sein Vater Gnur hieß, und wenn man diesen Namen mit Anacharsis zusammenhält, so wird jeder Etymologe die Jdentität mit meinem Familien- namen sofort nachzuweisen imstande sein, wenn er gleich den letzteren garnicht kennen sollte. Außerdem bin ich im Besitz eines Briefes, in welchem König Krösos von Lydien dem Anacharsis zur Geburt eines Söhnchens gratuliert und ihm die Absendung von 50 000 Pfund Gold als Patengeschenk anzeigt. Letzteres hat sich leider nicht erhalten. Dagegen ist es wichtig, daß nunmehr die bisher noch fragliche arische Abstammung der Skythen wenigstens für die südlichen Stämme sicher ist und auf die Wanderungen germanischer Stämme ein neues Licht fällt.
Selbſtbiographiſche Studien.
kommen würde, wir aber wiſſen, was vielleicht ge- weſen iſt.
Jch habe Verſuche gemacht, die genealogiſch-hiſtoriſche Methode auf meine Selbſtbiographie anzuwenden. Da ich ein geborener Schleſier bin, ſo würde es nicht ſchwer fallen, einen der alten Vandalenhäuptlinge als Urahnen anzuſprechen; aber das kann mir nicht viel nützen. Daß dieſe Herren direkt von den Göttern abſtammen, ſcheint mir hiſtoriſch einigermaßen fragwürdig; ſie müſſen alſo irgend anders woher gekommen ſein. Aber woher? Jch habe nun feſtgeſtellt, daß der Skythe Anacharſis, der Freund Solons und einer der 7 bis 22 Weiſen Griechen- lands, einer meiner direkten Vorfahren war; daß wir von ſeinen Söhnen nichts wiſſen, liegt nur an den mangelhaften ſtandesamtlichen Einrichtungen der Skythen. Sicher iſt, daß ſein Vater Gnur hieß, und wenn man dieſen Namen mit Anacharſis zuſammenhält, ſo wird jeder Etymologe die Jdentität mit meinem Familien- namen ſofort nachzuweiſen imſtande ſein, wenn er gleich den letzteren garnicht kennen ſollte. Außerdem bin ich im Beſitz eines Briefes, in welchem König Kröſos von Lydien dem Anacharſis zur Geburt eines Söhnchens gratuliert und ihm die Abſendung von 50 000 Pfund Gold als Patengeſchenk anzeigt. Letzteres hat ſich leider nicht erhalten. Dagegen iſt es wichtig, daß nunmehr die bisher noch fragliche ariſche Abſtammung der Skythen wenigſtens für die ſüdlichen Stämme ſicher iſt und auf die Wanderungen germaniſcher Stämme ein neues Licht fällt.
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Selbſtbiographiſche Studien.
kommen würde, wir aber wiſſen, was vielleicht ge-
weſen iſt.
Jch habe Verſuche gemacht, die genealogiſch-hiſtoriſche
Methode auf meine Selbſtbiographie anzuwenden. Da
ich ein geborener Schleſier bin, ſo würde es nicht ſchwer
fallen, einen der alten Vandalenhäuptlinge als Urahnen
anzuſprechen; aber das kann mir nicht viel nützen. Daß
dieſe Herren direkt von den Göttern abſtammen, ſcheint
mir hiſtoriſch einigermaßen fragwürdig; ſie müſſen alſo
irgend anders woher gekommen ſein. Aber woher? Jch
habe nun feſtgeſtellt, daß der Skythe Anacharſis, der
Freund Solons und einer der 7 bis 22 Weiſen Griechen-
lands, einer meiner direkten Vorfahren war; daß wir
von ſeinen Söhnen nichts wiſſen, liegt nur an den
mangelhaften ſtandesamtlichen Einrichtungen der Skythen.
Sicher iſt, daß ſein Vater Gnur hieß, und wenn man
dieſen Namen mit Anacharſis zuſammenhält, ſo wird
jeder Etymologe die Jdentität mit meinem Familien-
namen ſofort nachzuweiſen imſtande ſein, wenn er
gleich den letzteren garnicht kennen ſollte. Außerdem
bin ich im Beſitz eines Briefes, in welchem König Kröſos
von Lydien dem Anacharſis zur Geburt eines Söhnchens
gratuliert und ihm die Abſendung von 50 000 Pfund
Gold als Patengeſchenk anzeigt. Letzteres hat ſich leider
nicht erhalten. Dagegen iſt es wichtig, daß nunmehr
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wenigſtens für die ſüdlichen Stämme ſicher iſt und auf
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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/258>, abgerufen am 16.02.2025.
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