Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Selbstbiographische Studien. und "zerschellt"; das bedeutet, die Welt als Materie, alsroher, ungeformter Stoff (Kloß = Chaos), ist ohne Zusammenhang, ohne Grund und Ziel, ein bodenloses Trümmerwerk, zerschellt im absoluten Ozean des Seins. Aber wäre sie auch nicht unrettbar verloren, so würde schon der bloße Umstand, daß es ein "Nichts" giebt, ausreichen, um "ein großes Loch am Himmel des Lichts" zu konstatieren, d. h. ein unersetzliches, unausfüllbares Defizit in der Rechnung, welche freundliche Erwartung auf die Welt setzt. Der indische Weise vermochte eben in dem "Nichts" nichts als das Negative zu sehen, ihm schließt sich das Sein als das rettungslose Nichts des Pessimismus und der Weltflucht. Anders wir! Jndem wir das Nichts als Loch fassen, erkennen wir den Unter- schied zwischen beiden. Das Loch ist das limitativ ge- dachte Nichts, es ist nicht das reine Nichts, sondern das Nichts, welches die Grenze des Stoffes voraussetzt, in welchem es ein Loch ist. Und insofern ist es nicht Nichts, sondern im Gegenteil Alles, die Verbindung des Seienden, die formgebende und formbestimmende Be- dingung der Gestaltung des Urstoffes. Der absolute Weltkäse als solcher wird durch das Loch als form- setzende Macht zur Weltgesetzlichkeit, zur objektiven Natur differenziert, während sich zugleich das absolute Loch als solches zur Vielheit der Löcher individualisiert. Diese formsetzende Macht aber ist die Menschheit, als die transcendentale Bedingung der Natur, als die grenz- bestimmende Gewalt in dem Chaos des Gegebenen, und die individualisierten Löcher sind die einzelnen Menschen, Selbſtbiographiſche Studien. und „zerſchellt“; das bedeutet, die Welt als Materie, alsroher, ungeformter Stoff (Kloß = Chaos), iſt ohne Zuſammenhang, ohne Grund und Ziel, ein bodenloſes Trümmerwerk, zerſchellt im abſoluten Ozean des Seins. Aber wäre ſie auch nicht unrettbar verloren, ſo würde ſchon der bloße Umſtand, daß es ein „Nichts“ giebt, ausreichen, um „ein großes Loch am Himmel des Lichts“ zu konſtatieren, d. h. ein unerſetzliches, unausfüllbares Defizit in der Rechnung, welche freundliche Erwartung auf die Welt ſetzt. Der indiſche Weiſe vermochte eben in dem „Nichts“ nichts als das Negative zu ſehen, ihm ſchließt ſich das Sein als das rettungsloſe Nichts des Peſſimismus und der Weltflucht. Anders wir! Jndem wir das Nichts als Loch faſſen, erkennen wir den Unter- ſchied zwiſchen beiden. Das Loch iſt das limitativ ge- dachte Nichts, es iſt nicht das reine Nichts, ſondern das Nichts, welches die Grenze des Stoffes vorausſetzt, in welchem es ein Loch iſt. Und inſofern iſt es nicht Nichts, ſondern im Gegenteil Alles, die Verbindung des Seienden, die formgebende und formbeſtimmende Be- dingung der Geſtaltung des Urſtoffes. Der abſolute Weltkäſe als ſolcher wird durch das Loch als form- ſetzende Macht zur Weltgeſetzlichkeit, zur objektiven Natur differenziert, während ſich zugleich das abſolute Loch als ſolches zur Vielheit der Löcher individualiſiert. Dieſe formſetzende Macht aber iſt die Menſchheit, als die tranſcendentale Bedingung der Natur, als die grenz- beſtimmende Gewalt in dem Chaos des Gegebenen, und die individualiſierten Löcher ſind die einzelnen Menſchen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0262" n="256"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Selbſtbiographiſche Studien.</hi></fw><lb/> und „zerſchellt“; das bedeutet, die Welt als Materie, als<lb/> roher, ungeformter Stoff (Kloß = Chaos), iſt ohne<lb/> Zuſammenhang, ohne Grund und Ziel, ein bodenloſes<lb/> Trümmerwerk, zerſchellt im abſoluten Ozean des Seins.<lb/> Aber wäre ſie auch nicht unrettbar verloren, ſo würde<lb/> ſchon der bloße Umſtand, daß es ein „Nichts“ giebt,<lb/> ausreichen, um „ein großes Loch am Himmel des Lichts“<lb/> zu konſtatieren, d. h. ein unerſetzliches, unausfüllbares<lb/> Defizit in der Rechnung, welche freundliche Erwartung<lb/> auf die Welt ſetzt. 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Selbſtbiographiſche Studien.
und „zerſchellt“; das bedeutet, die Welt als Materie, als
roher, ungeformter Stoff (Kloß = Chaos), iſt ohne
Zuſammenhang, ohne Grund und Ziel, ein bodenloſes
Trümmerwerk, zerſchellt im abſoluten Ozean des Seins.
Aber wäre ſie auch nicht unrettbar verloren, ſo würde
ſchon der bloße Umſtand, daß es ein „Nichts“ giebt,
ausreichen, um „ein großes Loch am Himmel des Lichts“
zu konſtatieren, d. h. ein unerſetzliches, unausfüllbares
Defizit in der Rechnung, welche freundliche Erwartung
auf die Welt ſetzt. Der indiſche Weiſe vermochte eben
in dem „Nichts“ nichts als das Negative zu ſehen, ihm
ſchließt ſich das Sein als das rettungsloſe Nichts des
Peſſimismus und der Weltflucht. Anders wir! Jndem
wir das Nichts als Loch faſſen, erkennen wir den Unter-
ſchied zwiſchen beiden. Das Loch iſt das limitativ ge-
dachte Nichts, es iſt nicht das reine Nichts, ſondern das
Nichts, welches die Grenze des Stoffes vorausſetzt, in
welchem es ein Loch iſt. Und inſofern iſt es nicht Nichts,
ſondern im Gegenteil Alles, die Verbindung des
Seienden, die formgebende und formbeſtimmende Be-
dingung der Geſtaltung des Urſtoffes. Der abſolute
Weltkäſe als ſolcher wird durch das Loch als form-
ſetzende Macht zur Weltgeſetzlichkeit, zur objektiven
Natur differenziert, während ſich zugleich das abſolute
Loch als ſolches zur Vielheit der Löcher individualiſiert.
Dieſe formſetzende Macht aber iſt die Menſchheit, als
die tranſcendentale Bedingung der Natur, als die grenz-
beſtimmende Gewalt in dem Chaos des Gegebenen, und
die individualiſierten Löcher ſind die einzelnen Menſchen,
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