Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Stäubchen. die Moral der langen Geschichte, wenn sie etwa zuEnde sein sollte?" "Jch fürchte, sie ist es," sagte Richard und sah ihr Mit unterdrücktem Schmerzensruf fuhr Richard mit Stäubchen. die Moral der langen Geſchichte, wenn ſie etwa zuEnde ſein ſollte?“ „Jch fürchte, ſie iſt es,“ ſagte Richard und ſah ihr Mit unterdrücktem Schmerzensruf fuhr Richard mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0044" n="38"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Stäubchen.</hi></fw><lb/> die Moral der langen Geſchichte, wenn ſie etwa zu<lb/> Ende ſein ſollte?“</p><lb/> <p>„Jch fürchte, ſie iſt es,“ ſagte Richard und ſah ihr<lb/> mit tiefem Ernſt in das Geſicht. „Oder halten Sie es<lb/> nicht für ein gutes Ende, wenn man die Lippen zum<lb/> Kuſſe der Sehnſucht öffnet und den Mund voll Sand<lb/> bekommt? Als das Sonnenſtäubchen auf dem Boden<lb/> von Werthers Zimmer das Quarzkörnchen wiederſah,<lb/> mit welchem es auf dem Parnaß zuſammen gewohnt,<lb/> da flatterte es ſehnſüchtig zu ihm nieder und wollte ſich<lb/> an ſeine Seite ſchmiegen. Aber das Körnchen ſagte:<lb/> „Entſchuldigen Sie, ich bin jetzt erwachſen und in der<lb/> Welt herumgekommen, und das ſchickt ſich nicht.“ Und<lb/> das Stäubchen erzählte ihm, daß es die angeborene<lb/> Göttergabe erprobt habe und nun hoffen dürfe, im Reigen<lb/> der Sonnenkinder zu ſchweben, ein Führer den Menſchen<lb/> zu lichten Höhen, wo das Leid der Erde ſich löſt im<lb/> Schimmer der ewigen Schönheit. Da ſagte das Körn-<lb/> chen: „Jch mache mir nichts aus dem Herumfliegen, ich<lb/> bin eigentlich ein Kryſtall und gehöre in eine gediegene<lb/> Faſſung.“ Und wieder ſprach das Stäubchen: „Du<lb/> ſchöner, kalter Kryſtall, trotz alledem — wenn Du mir<lb/> nur wiederſpiegeln wollteſt einen Strahl meiner Sehn-<lb/> ſucht, nur einen Funken innigen Mitgefühls, und ver-<lb/> ſtehen wollteſt, was ich Dir ſage —“</p><lb/> <p>Mit unterdrücktem Schmerzensruf fuhr Richard mit<lb/> der Hand an ſein Auge, das er nicht zu öffnen ver-<lb/> mochte. Er bedeckte ſein Geſicht und verſuchte das<lb/> thränende Lid zu trocknen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [38/0044]
Stäubchen.
die Moral der langen Geſchichte, wenn ſie etwa zu
Ende ſein ſollte?“
„Jch fürchte, ſie iſt es,“ ſagte Richard und ſah ihr
mit tiefem Ernſt in das Geſicht. „Oder halten Sie es
nicht für ein gutes Ende, wenn man die Lippen zum
Kuſſe der Sehnſucht öffnet und den Mund voll Sand
bekommt? Als das Sonnenſtäubchen auf dem Boden
von Werthers Zimmer das Quarzkörnchen wiederſah,
mit welchem es auf dem Parnaß zuſammen gewohnt,
da flatterte es ſehnſüchtig zu ihm nieder und wollte ſich
an ſeine Seite ſchmiegen. Aber das Körnchen ſagte:
„Entſchuldigen Sie, ich bin jetzt erwachſen und in der
Welt herumgekommen, und das ſchickt ſich nicht.“ Und
das Stäubchen erzählte ihm, daß es die angeborene
Göttergabe erprobt habe und nun hoffen dürfe, im Reigen
der Sonnenkinder zu ſchweben, ein Führer den Menſchen
zu lichten Höhen, wo das Leid der Erde ſich löſt im
Schimmer der ewigen Schönheit. Da ſagte das Körn-
chen: „Jch mache mir nichts aus dem Herumfliegen, ich
bin eigentlich ein Kryſtall und gehöre in eine gediegene
Faſſung.“ Und wieder ſprach das Stäubchen: „Du
ſchöner, kalter Kryſtall, trotz alledem — wenn Du mir
nur wiederſpiegeln wollteſt einen Strahl meiner Sehn-
ſucht, nur einen Funken innigen Mitgefühls, und ver-
ſtehen wollteſt, was ich Dir ſage —“
Mit unterdrücktem Schmerzensruf fuhr Richard mit
der Hand an ſein Auge, das er nicht zu öffnen ver-
mochte. Er bedeckte ſein Geſicht und verſuchte das
thränende Lid zu trocknen.
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